Meine Damen und Herren! Neben der Beschäftigung der Flüchtlinge und der Ausgewiesenen ist die Frage der Unterbringung, d. h. der Wohnung für ,diese Menschen, von der größten Bedeutung. Bei der Beratung des
ersten Wohnungsbaugesetzes wurde der Wohnungsbau als die Aufgabe Nr. 1 proklamiert. Tatsache ist, daß es trotz bestimmter Anstrengungen der Gemeinden und auch der Länder heute noch Zehntausende, ich möchte sagen, Hunderttausende von Flüchtlingen und Ausgebombten gibt, die in Notunterkünften, in Kellern und in Bunkern leben. Die übrigen Fraktionen werden aller Wahrscheinlichkeit genau den gleichen Brief aus NeuWunstorf in Niedersachsen erhalten haben wie meine Fraktion. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich aus diesem Brief einige Sätze vorlesen. Darin wird mitgeteilt, daß 120 Familien mit 650 Personen in der Heide-Siedlung NeuWunstorf in Kellern und Baracken unter menschenunwürdigen Verhältnissen wohnen. Bei dem ersten Spatenstich zu dieser Siedlung, die im Juni 1950 auf einem Wehrmachtgelände errichtet wurde, habe der damalige Landrat erklärt: „Baut euren Keller fertig und zieht ein. Wo ein Keller steht, kommt auch bald ein Haus drauf. Dafür sorge ich schon." Heute noch warten diese Flüchtlinge auf den Bau ihrer Häuser. Sie hausen nach wie vor in Kellern und teilen mit, daß es ganz anders gekommen ist, als ihnen versprochen worden war. Heute klagt man gegen diese Flüchtlinge wegen der Errichtung von Kellern mit der Begründung, daß sie für ihre Bauten keine Baugenehmigung hatten!
In diesem Brief wird weiter gesagt:
Bisherige Eingaben beim Kreis Harburg sowie Eingaben an die Herren Bundesminister Hellwege und Lukaschek blieben ohne Erfolg. Vielmehr ist gegen die einzelnen Siedler, die einen Keller errichtet haben, Strafanzeige wegen unerlaubten Bauens gestellt worden.
Das sind nur einige Beispiele dieser Art. Wir lesen diese Woche in der „Welt der Arbeit", daß es allein in Schleswig-Holstein noch 137 600 Männer, Frauen und Kinder gibt, die in menschenunwürdigen Verhältnissen wohnen. Es ist dringend erforderlich, daß alles getan wird, um diese Verhältnisse schnell zu ändern. In der Begründung zu diesen §§ 325 bis 327 wird gesagt, man wolle anstreben, daß die Flüchtlinge auch dort Wohnung erhielten, wo sie Beschäftigung fänden. Es gibt doch nichts Trostloseres, als wenn arbeitsfähige Männer und Frauen irgendwo auf den Dörfern in Schleswig-Holstein oder Bayern sitzen und dort keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit haben, während sie an anderer Stelle vielleicht Beschäftigung finden könnten.
In diesem Hause wurde das sogenannte Umsiedlungsgesetz beschlossen. Wir wissen alle, wie es draußen zugegangen ist, wie die Länder sich gegen die Übernahme der Evakuierten und der Flüchtlinge gewehrt haben, wie unter den Ländern ein großer Streit entbrannt ist über die Aufnahmemöglichkeit und die -bereitschaft. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat sogar eine Denkschrift herausgegeben, in der er zu beweisen versucht, daß das Land Nordrhein-Westfalen alles getan habe, um Flüchtlinge aufzunehmen usw. usw. Aber wir wissen weiter — und das wissen mit uns Hunderttausende von Flüchtlingsfamilien —, daß das Umsiedlungsgesetz nicht genügend wirksam wurde. Es ist deshalb dringend erforderlich, alles zu tun, damit diesen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, dort eine Wohnung zu bekommen, wo sie auch Beschäftigung finden.
Es kommt hinzu, daß im letzten Jahr die Baukosten ungeheuerlich gestiegen sind. Keiner wird bestreiten, daß die Baukosten um 20 bis 25 % angestiegen sind. So wird z. B. in der „Welt der Arbeit" berichtet, daß, während im vergangenen Jahr von Staats wegen 6000 DM an öffentlichen Mitteln für die Erstellung einer Wohnung bereitgestellt werden mußten, die entsprechenden Mittel sich heute schon auf 7200 bis 8000 DM belaufen.
In dem zu den §§ 325 und 327 erstatteten schriftlichen Bericht wird mit aller Deutlichkeit gesagt, daß nicht damit gerechnet werden kann, daß in den nächstfolgenden Jahren genau so viel Geld für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden könne wie in den vergangenen zwei Jahren. Dafür gibt es auch Beweise. Die „Welt der Arbeit", das Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes, schreibt in dieser Woche, daß beispielsweise München für das laufende Baujahr nur 15 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung hat, während im vergangenen Jahre noch 27 Millionen DM bereitgestellt wurden. Die Bundesmittel, die Zuweisungen an Bayern, wurden vom vergangenen Jahre bis zu diesem Jahre um 40 % gekürzt. So wird berichtet, daß der soziale Wohnungsbau in Bayern von 1950 auf 1951 von 40 000 auf 20 000 Wohnungen zurückgegangen ist. Ähnliche Entwicklungen haben wir in allen Ländern.
Es ist dringend erforderlich, daß also von seiten des Bundes mehr Mittel an die Länder und Gemeinden überwiesen werden, um die Aufgabe Nr. 1, den Wohnungsbau, vorwärtszutreiben. Es ist Geld da! Man muß bloß den Mut haben, mit jener Politik zu brechen, die unser Volk verpflichtet, Milliarden und abermals Milliarden für den Grenzschutz und für die Aufrüstung bereitzustellen. Man sollte diese Mittel lieber für diese lebenswichtige, für manche Menschen sogar entscheidende Lebensaufgabe bereitstellen.
Heute wird in der Presse berichtet, daß der Innenminister Dr. Lehr beantragt habe, die Grenzpolizei von 10 000 auf 20 000 Mann zu erhöhen. Selbst die Blätter der CDU-Fraktion berichten, daß das eine Mehrausgabe von über 200 Millionen DM im Jahr ausmachen würde.
Wir sind der Meinung, daß diese Gelder neben den ungeheuren Geldern für die Besatzung und den Summen, die als finanzieller Beitrag für den Generalvertrag bereitgestellt werden sollen, für die Unterbringung und die Umsiedlung der Flüchtlinge eingesetzt werden sollten.
Ich möchte mich jetzt dem materiellen Inhalt der einzelnen Paragraphen zuwenden. In § 325 ist eine Kann-Vorschrift vorgesehen, nach der den Flüchtlingen und den Geschädigten eine Wohnraumhilfe gewährt werden kann; ich betone: kann. Aber diese Kann-Vorschrift hat es in sich; denn damit ist die Gewährung eines Darlehens eine Ermessensfrage. Die Entscheidung liegt einzig und allein in der Hand der Verwaltungsbürokratie. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag zu § 325 gestellt. Wir wünschen im Interesse der Geschädigten und Flüchtlinge, daß man aus dieser Kann-Vorschrift eine Muß-Vorschrift macht, indem man erklärt: Den Geschädigten ist eine Wohnraumhilfe zu gewähren. Damit erhält der Personenkreis einen Rechtsanspruch auf die Wohnraumhilfe.
Wir sind mit der übergroßen Mehrheit des Hauses der Meinung, daß man selbstverständlich mit den zur Verfügung gestellten Mitteln soviel Wohnungen wie möglich schaffen sollte. Aber es darf nicht so sein, daß dadurch die kleinen Leute nicht zum Zuge kommen. Der § 327 berücksichtigt die kleinen Leute nicht in genügendem Maße. Dort heißt es, daß soviel Wohnungen wie möglich geschaffen werden sollen. Das kann aber auch so ausgelegt werden — und es wird dann in der Regel so ausgelegt —, daß die Gelder nur für große Baugesellschaften oder für Geschädigte bereitgestellt werden, die drei, vier oder noch mehr Wohnhäuser bauen wollen. Die kleinen Leute, die sich gern ein Eigentum schaffen möchten, kommen dann nicht zum Zuge, weil man sich einfach darauf beruft, daß eine möglichst große Zahl von Wohnungen geschaffen werden soll. Das bedeutet, daß man mit der Begründung. die Mittel müßten rationell eingesetzt werden, das Ersuchen der kleinen Leute auf Wohnungsbaudarlehen einfach abtut.
Eine weitere Frage, die nach unserer Meinung in § 327 gelöst werden sollte, ist die, welche Mieten für diese Wohnungen genommen werden dürfen. Sie wissen alle aus den Debatten um das erste Wohnungsbaugesetz, wie im Ausschuß und hier im Hause um die Miethöhe gerungen wurde. Tatsache ist auch heute noch, daß selbst für die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln gebaut werden, unter der Decke verlorene Baukostenzuschüsse oder langjährige Mietvorauszahlungen gefordert werden. Das ist eine feststehende Tatsache. Herr Lücke wird mir recht geben, wenn ich sage, daß solche ungerechte und unsoziale Fälle in großer Zahl vorkommen. Wir müssen in § 327 festlegen, daß die Wohnungen für die Geschädigten nur entsprechend den Bestimmungen des ersten Wohnungsbaugesetzes vermietet werden dürfen. Für diese Wohnungen dürfen nur Mieten gefordert werden, die diesen Bestimmungen entsprechen. Das heißt, es darf keine Kostenmiete, sondern es muß eine sozial tragbare Miete gefordert werden. Jeder kennt das Elend dieser Menschen. Sehr viele Flüchtlingsfamilien leben von Unterstützungen, zum größten Teil fehlen die Ernährer. Woher sollen diese Menschen das Geld für teure Wohnungen nehmen? In Düsseldorf haben wir einen solchen Zustand. Ich kenne eine Reihe solcher Familien, die die vom Wohnungsamt angebotenen Wohnungen nicht annehmen können, weil sie einfach das Geld nicht haben, um 70 und 80 DM Miete für eine Dreieinhalbzimmer-Wohnung zu bezahlen. Wie soll eine Flüchtlingsfamilie, die 60 oder 80 DM Unterstützung im Monat erhält, überhaupt das Geld für solche Mieten aufbringen? Deswegen muß man garantieren, und zwar durch eine gesetzliche Festlegung, daß nur sozial tragbare Mieten für diese Wohnungen gefordert werden können.
Des weiteren haben wir vermißt, daß in diesem Gesetz festgelegt wurde, daß auch die Kleinsiedler, die Leute, die in Selbsthilfe bauen wollen, zum Zuge kommen. Man kann mir entgegenhalten: Es wurde aber doch festgelegt, daß z. B. der Präsident dieser Institution dieses jederzeit durch eine Rechtsverordnung oder Durchführungsverordnung berücksichtigen kann. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, daß sich daraus nicht ein Rechtsanspruch herzuleiten braucht und herleiten läßt. Wir sind der Meinung, in § 327 sollte festgelegt werden, daß die Wohnraumhilfe Kleinsiedlern und kleinen Leuten, die sich jetzt wieder ein kleines
Eigentum durch Einsatz ihrer eigenen Kraft schaffen wollen, gewährt werden soll. Zwar gebe ich mich nicht großen Illusionen hin. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß wir das ganze Wohnungsproblem ohne die Änderung der Gesamtpolitik nicht lösen werden. Erst dann, wenn größere Mittel zum Einsatz kommen, wird es möglich sein, das große Wohnungselend, das die Bevölkerung bedrückt, in kürzester Zeit zu beheben. Aber dennoch sind wir der Meinung, daß das, was möglich ist, auch in diesem Gesetz festgelegt werden sollte.
Nun lassen Sie mich auch noch ein Wort über die sogenannte Zwischenfinanzierung sagen, d. h. über die Bereitstellung der Mittel überhaupt. Der Flüchtlingsminister hat z. B. erklärt, daß die bereitgestellten Mittel wohl von 300 Millionen auf 500 Millionen DM erhöht werden sollten, um einen Ausgleich zu schaffen. Er hat aber gleichzeitig gesagt, daß das dann wohl auf Grund der Kürzungen der Mittel für die Hausratshilfe usw, erfolgen würde. — Man könnte größere Mittel bereitstellen, und wir fordern, daß höhere Mittel für die Beschaffung von Wohnungen für die Geschädigten von seiten des Bundes eingesetzt werden. Herr Dr. Lukaschek hätte es gar nicht nötig, darauf hinzuweisen, daß man dann andererseits die Hausratsmittel kürzen müsse, wenn man hier den Mut gefunden hätte, das Großkapital schärfer anzufassen. Das wäre gar nicht untragbar gewesen; mir kann keiner begreiflich machen, daß das wirtschaftlich für die großen Unternehmungen nicht tragbar gewesen wäre. Sie von seiten der Koalitionsparteien haben sich diesen Argumenten allerdings verschlossen
und haben sich der Heranziehung der Großkapitalisten für die Lösung der Aufgaben im Rahmen des Gesetzes widersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie im Interesse der Geschädigtenkreise bitten, unsere Änderungsanträge zu den §§ 325 und 327 anzunehmen.