Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wer die Dinge objektiv beurteilt, wird den Ausführungen des Herrn Kollegen Kather, die er gerade eben hier gemacht hat, vollinhaltlich zustimmen müssen. Ich habe ja selber im Lastenausgleichsausschuß zusammen mit Herrn Kollegen Farke und meinen Freunden den Antrag gestellt, die Begrenzungen der Hausratentschädigung nach § 316 Abs. 3 zu streichen. Wir sind in der Minderheit geblieben. Ich habe mich bei diesem Antrag von den von Herrn Kather vorgetragenen Erwägungen leiten lassen, die für mich nicht widerlegbar sind. Es ist das Prinzip, die generelle Linie,
deren Einhaltung mir unbedingt geboten erscheint. Für denjenigen, der auf dem Entschädigungsstandpunkt steht und darin ein tragendes Element des ganzen Gesetzgebungswerkes erblickt, ist es logisch und zwingend, nicht einem bestimmten Teil der Geschädigten, nur weil er zufällig schon rascher und besser eingegliedert ist als der andere, jede Entschädigung zu nehmen. Zum anderen ist es vollkommen richtig, daß der Prozentsatz derer, die Einkommen von über 12 000 DM haben, so gering ist - das kann man aus der Einkommenstatistik entnehmen —, daß er praktisch nicht ins Gewicht fällt, zumal ja die Entschädigungen selbst der dritten Stufe sehr gering sind. Wir stehen auf Grund der Entwicklung, die die Beratungen hier genommen haben, vor einer neuen Lage. In der dritten Lesung werden die Entscheidungen fallen müssen.
Meine Damen und Herren! Gerade dieser Abs. 3 zwingt nun aber doch noch zu einer anderen, sehr grundsätzlichen Erwägung. Neben der Hauptentschädigung, über deren schwerwiegende Problematik wir uns gestern auseinandergesetzt haben, liegt hier bei der Hausratentschädigung der zweite Schwerpunkt des Gesetzes, ja, für die Masse der Betroffenen ist die Hausratentschädigung vielleicht noch schwerwiegender, weil die Masse aller Geschädigten nur Hausratentschädigung erhält. Herr Kollege Reitzner hat mit Recht gesagt, daß an ihr vor allem die Frauen interessiert sind.
Nun stehen wir, wie Sie alle aus der Vorlage ersehen, vor der Tatsache, daß die Entschädigungen selbst, die wir geben können, gering sind. Dabei müssen wir berücksichtigen, daß der Index für Hausrat, der laufend von unserem Statistischen Bundesamt veröffentlicht wird, besonders stark gestiegen ist. Er steht augenblicklich ungefähr bei 200. Wenn Sie also hier Entschädigungen von 800, 1200 und 1400 DM vorgeschlagen finden, so bedeutet das hinsichtlich des Tauschwertes dieser Entschädigungen, daß sie — verglichen mit 1938 — ungefähr nur die Hälfte betragen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, ist die Preisentwicklung gerade bei der Haus- und Leibwäsche, deren Wiederbeschaffung besonders vordringlich ist und die ja mit unter den Begriff des Hausrats im Sinne dieses Gesetzes fallen, noch ungünstiger.
Die Preisentwicklung wirkt sich hier tauschwert-
mäßig besonders nachteilig aus.
- Das kommt gleich, Herr Kollege Reitzner.
Nun wissen Sie ja alle aus der Begründung, wie groß das Objekt ist, um das es hier geht. Trotz der Niedrigkeit der Entschädigungen im einzelnen erfordert die Hausratentschädigung über 7 Milliarden DM. Wir stehen sonach vor der Tatsache, daß wir das Problem mit Hilfe der unmittelbaren Entschädigungen nicht lösen können. Das muß hier ganz klar und deutlich ausgesprochen werden.
Mein Kollege Trischler hat vor mehreren Monaten schon einmal darauf hingewiesen — was bei vielen meiner Freunde durchaus Zustimmung fand —, daß man vor allen Dingen versuchen müsse, gerade die Selbsthilfe zu beleben. Ich habe schon gestern gesagt und unterstreiche das noch einmal, daß die Masse der Heimatvertriebenen und der Ausgebombten zum Glück für die deutsche Volkswirtschaft und für die Geschädigten persönlich eingegliedert ist. Wir hätten sonst den Wirtschaftsaufschwung, den wir zum Glück erreicht haben, nicht erzielen können. Bei den Beratungen über die verschiedenen Einkommensteuergesetznovellen habe ich wiederholt die Tendenz, die leider die Mehrheit des Hauses gebilligt hat, bekämpft, die besonderen Steuerermäßigungen, die der Frankfurter Wirtschaftsrat für die Geschädigten bewilligt hatte, immer mehr abzubauen, bis man dann schließlich zu dem jetzigen Pauschale des § 33 a des Einkommensteuergesetzes von 720 DM, für Steuerklasse II, das einheitlich gegeben wird, gekommen ist.
Diese Pauschalbeträge wirken sich selbstverständlich sehr verschieden aus. Je höher die Progression der Einkommensteuer, desto höher ist natürlich die tatsächliche Ermäßigung, die auf Grund dieses Pauschale den Geschädigten zugute kommt. Das bedeutet neben den hier vorgesehenen Entschädigungen eine zusätzliche Hilfe. Kann in dieser Richtung nun nicht ein weiterer Schritt vorwärts getan und den Geschädigten endlich die steuerliche Gleichberechtigung gewährt werden? Die Geschädigten haben die steuerliche Gleichberechtigung bisher nicht. Ein Geschädigter, der — sagen wir einmal, ein Werkmeister — 6000 DM Jahreseinkommen hat und seinen ganzen Hausrat verloren hat, ist in einer viel schwächeren wirtschaftlichen Position als der Kollege, der auch 6000 DM Einkommen hat, aber durch ein gütiges Geschick von Vertreibung und Bombenterror verschont geblieben ist und seine Wohnungseinrichtung erhalten hat.
Wir haben uns im Ausschuß nicht für den Gedanken der Hausratbesteuerung erwärmen können, weil wir darin in den Auswirkungen eine zusätzliche Einkommensteuer erblicken mußten. Für eine solche zusätzliche Einkommensteuer war verständlicherweise im Ausschuß keine Meinung. Aber wenn wir auf der einen Seite auf eine Besteuerung des geretteten Hausrats verzichten, und zwar aus guten Gründen, dann müssen wir doch auf der anderen Seite zweifellos sagen: Wenn der Geschädigte gegenüber dem Nicht-Geschädigten stark vorbelastet ist durch den Zwang, mehr oder minder große Teile seines Einkommens für die Wiederbeschaffung des Hausrates aufzuwenden, dann ist es ganz zweifellos notwendig — ich glaube nicht, daß da ein Finanzwissenschaftler anderer Ansicht sein kann —, ihm im Interesse der steuerlichen Gleichberechtigung eine entsprechende steuerliche Erleichterung zu geben, weil er eben besondere Lasten zu tragen hat. Dabei ist durchaus über die Kritik zu reden, die an den Regelungen des Frankfurter Wirtschaftsrates geübt worden ist. Es mußten für die Erlangung erhöhter Freibeträge Rechnungen vorgelegt werden. Das war verwaltungsmäßig unzweckmäßig, es bestand die Gefahr der Steuerhinterziehung. Aber man kann nicht auf der einen Seite im Einklang mit modernen Erkenntnissen bei den Abgaben die Steuerprogression in stärkstem Ausmaß durchführen und auf der andern Seite einen notwendigen Ausgleich durch ein für alle Steuerpflichtigen gleichbleibendes Pauschale durchzuführen versuchen, wie es jetzt im § 33 a des Einkommensteuergesetzes geschieht.
Gegen den Vorschlag zusätzlicher steuerlicher Entlastungen zur Ermöglichung von Hausratsersatzbeschaffungen kann der Einwand erhoben werden, daß ein Ausfall an Einkommensteuer eintrete, was nicht tragbar sei. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!", das geht natürlich nicht. Man muß irgendwo nun schon einmal „zur Kasse". Das ist nicht zu ändern. Ich will hier nicht
mit der Ihnen allen ja bekannten Denkschrift des Finanzministers über „Die soziale Lage und Steuerleistung der Vertriebenen" polemisieren. Ich bin nicht so skeptisch wie der Herr Bundesfinanzminister, der bekanntlich die Einkommensteuer der Heimatvertriebenen außerordentlich gering geschätzt hat. Wenn die Zahlen des Ministeriums richtig sind, spielt es ja finanziell keine Rolle, bei der Einkommensteuer etwas entgegenzukommen. Allerdings kommen noch die Kriegssachgeschädigten hinzu, für die die Einkommensteuerermäßigung eine noch größere Bedeutung hat als für Heimatvertriebene.
Ich konnte während der Ausschußberatungen diese Frage leider nicht mehr zur Diskussion bringen. Die hier angeschnittenen Fragen bedürfen jedenfalls einer sorgfältigen Prüfung. Ich sehe keine andere Möglichkeit, wie man in der Frage der Hausratentschädigung anders helfen kann. Dazu kommt die Wahrung des Prinzips der steuerlichen Gleichberechtigung. Deswegen habe ich mich immer gegen die jetzige ganz unzulängliche Regelung des § 33 a des Einkommensteuergesetzes gewandt, nicht etwa, um Interessentenstandpunkte zu vertreten, sondern weil ich das Empfinden habe, daß hier der das moderne Steuerrecht beherrschende Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung schwer verletzt ist. Wo es um Fragen des Rechts, um prinzipielle Fragen geht, muß man um diese Dinge kämpfen.
Bei Hausratentschädigung sind im übrigen auch noch wirtschaftliche Auswirkungen zu berücksichtigen. Die Arbeitskraft des einzelnen schaffenden Menschen soll durch Schaffung eines wirklichen Heimes gestärkt werden. Ein Heim, das diesen Namen verdient, haben heute viele Geschädigte noch nicht. Aber auch die konjunkturellen Auswirkungen bedürfen der Beachtung. Es schweben die Ihnen allen bekannten Verhandlungen mit der Textilindustrie. Was wir an Hausratentschädigung auszahlen, dient ja auch zugleich dazu, große Teile unserer Wirtschaft mit entsprechenden Aufträgen zu versehen.
Mit den in der jetzigen Vorlage vorgesehenen Entschädigungen allein und bei der hohen Einkommensbesteuerung gerade der mittleren Einkommen — wenn das so bleibt und nicht geändert wird - kann die Millionenmasse der Geschädigten kaum wieder zu einem angemessenen Hausrat kommen, der ihnen ein wirkliches Heim gewährt und ihnen - und namentlich den Hausfrauen! — das Gefühl der Deklassierung und des widerfahrenen Unrechts nimmt.