Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Hausratentschädigung ist innerhalb der Geschädigten sehr stark diskutiert worden. Ich habe heute vormittag — und wahrscheinlich auch eine Reihe anderer Kollegen — verschiedene Zuschriften aus Kreisen der Vertriebenen und außerdem eine Zuschrift des Kreisverbandes Detmold bekommen. Mit Zustimmung des Herrn Präsidenten möchte ich dem Hohen Hause einige der wesentlichsten Stellen aus dieser Zuschrift bekanntgeben. Dabei möchte ich erklären, daß ich mit der darin vertretenen Auffassung grundsätzlich einverstanden bin, wenn auch die Schlußfolgerungen nicht auf unserer Ebene liegen.
Der Kreisverband Detmold und wahrscheinlich auch viele andere Verbände des BvD sind der Auffassung, daß die Masse der Heimatvertriebenen die Hausratentschädigung als den ausschlaggebenden Teil ides Lastenausgleichsgesetzes, betrachtet. Es wird gesagt, daß nach dem jetzigen Entwurf mindestens 14 Jahre vergehen würden, ehe die letzten Antragsberechtigten in den Genuß der Hausratentschädigung gekommen seien.
Diese Tatsache
— sagt der BvD —
wird einen Schrecken und ein Erwachen unter den Vertriebenen zur Folge haben. Es ist zu erwarten, daß die Leerausgehenden als reife Frucht den kommunistischen Flüchtlingsbewegungen in die Hände fallen werden, die bereits in dieser Richtung fieberhaft tätig sind. Um diese Radikalisierung im Interesse ides ganzen deutschen Volkes zu verhindern, ist es unbedingt notwendig,
- sagt der BvD —
daß der Lastenausgleich gleich und die Hausratentschädigung sofort, und zwar in der dreifachen Höhe, in Kraft tritt.
— Nun, mit der letzteren Formulierung läßt sich manches sagen und nicht alles tun. Der politische Blick in die Zukunftskarten ist eine andere Angelegenheit. Ich möchte aber sagen, daß eine solche Gefahr im Zusammenhang mit der Verabschiedung eines schlechten Lastenausgleichsgesetzes besteht und daß man auch diese politischen Konsequenzen erwägen sollte, wenn sie auch nicht ausschlaggebend sein würden; denn unser Verhalten sollte ja von unserem sozialen Glaubensbekenntnis abgeleitet wer-
den und nicht allein von den politischen und psychologischen Folgen.
Aber, meine Damen und Herren, die bittere Wahrheit — und das will, glaube ich, noch :nicht jeder zur Kenntnis nehmen — ist doch die, daß es bei Hunderttausenden von Geschädigten und Vertriebenen noch an dem Notwendigsten fehlt. Es ist ja nicht nur die Sehnsucht nach einem eigenen Herd, die insbesondere bei den Frauen unerhört stark mitschwingt. Es ist nicht nur das unbestrittene ureigene Recht aller Personen, eine eigene Wohnung zu besitzen, sondern es handelt sich leider immer noch um die Befriedigung der .elementarsten Lebensbedürfnisse für Hunderttausende. Daher, glaube ich, sollten die Heimatvertriebenen offen bekennen, daß es natürlich innerhalb der Heimatvertriebenen auch schon eine starke soziale Differenzierung gibt. Aber man darf nicht nur die Gutgekleideten sehen. Es ehrt ja den Herrn Finanzminister, daß er „Die Elenden" gelesen hat. Dabei sollte er aber die Elenden im Bayerischen Wald nicht Übersehen,
und ich würde ihn einladen, mit mir seine engere Heimat Passau unid Niederbayern einmal zu besuchen. Dann würde er sich davon überzeugen können, daß es die klassischen Elenden auch heute noch im Bayerischen Wald gibt.
Man kann über die Motive der Demonstration am 4. Mai verschiedener Auffassung sein. Man kann verschiedener Auffassung sein über die Zielsetzung, und man kann verschiedener Auffassung auch darüber sein, ob diese Demonstration notwendig, nützlich und erfolgreich war oder nicht. Aber man darf das Recht, zu demonstrieren, nicht von subjektiven Erwägungen abhängig machen.
Der Herr Finanzminister war selbst nicht in Bonn anwesend. Er konnte also aus eigener Anschauung, nicht ermessen, ob die 50 000 oder 75 000 Vertriebenen gut angezogen waren oder nicht. Er war ja in Tuntenhausen und hat sich dort bemühen müssen, seinem Parteifreund Dr. Hundhammer begreiflich zu machen, daß es so etwas wie einen zentralistischen Föderalismus gibt!
Aber wohin kämen wir denn, meine Damen und Herren, wenn wir jeden Sonntag einander vorrechnen würden, was so eine Demonstration kostet, und wenn wir jedem seinen Anzug nach der Qualität abgreifen würden!
Ich glaube, das war politisch nicht sehr klug und auch nicht taktvoll. Das sollten wir nicht tun. Wenn ich das sage, so will ich damit kein Werturteil über die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit dieser Demonstration abgeben.
Deshalb kann man aber, glaube ich, in aller Offenheit — unid ich tue das als Heimatvertriebener — folgendes sagen: Natürlich, der Verlust der Heimat ist ein schwerer Verlust. Aber auch der Verlust des Augenlichtes eines Kriegsgeschädigten, der unglücklicherweise Einheimischer ist, ist ein bitterer Verlust. Und wie tut man's oft? Wem tut man's zuerst recht in der Abgeltung von Kriegssachschäden? So also können wir, glaube ich, nicht operieren.
Daher möchte ich, was diesen § 316 und den Änderungsvorschlag des Kollegen Kather betrifft, sagen: Wir alle werden noch zur Kenntnis nehmen müssen — bei vielen ist diese Einsicht schon da —, daß die Leistungen dieses Lastenausgleichsgesetzes weder den Erwartungen noch der Notlage noch den naturrechtlichen und moralischen noch den politischen und rechtlichen Erfordernissen entsprechen werden. Deshalb müssen wir uns noch im letzten Augenblick vor der dritten Lesung und während der dritten Lesung bemühen, wenigstens den sozial Schwächsten — und das sind jene, die den Hausrat dringend brauchen — zu helfen unid hier eine Höchstgrenze festzusetzen. Wer in den letzten drei Jahren, 1949, 1950 und 1951, ein durchschnittliches Einkommen von 10 000 DM hatte, von dem kann man annehmen, daß er, sagen wir, mindestens optisch solidarisch wirkt und auf Hausratshilfe verzichtet.
Ich glaube gar nicht, Kollege Kather, daß der größte Teil jener eine Hausratshilfe beanspruchen wird. Daher würde ich sagen: Der Kollege Kather sollte es sich überlegen, und sich heute zu dem Pluspunkt in der „Welt" von vorgestern einen wirklichen moralischen Pluspunkt erwerben und diesen Antrag zurückziehen, weil es nicht gut wirkt — wenn auch die materielle Konsequenz, darin stimme ich mit Ihnen überein, eine nicht sehr bedeutende ist —, wenn man hier noch nach außen hin jenen, die ein Durchschnittseinkommen über 10 000 DM hatten, zum mindesten theoretisch die Hausratshilfe zuspricht. Ich glaube, das wäre notwendig und nützlich, und der Kollege Kather sollte sich diese Angelegenheit überlegen. Meine Parteifreunde werden dem Änderungsantrag des Kollegen Kather nicht zustimmen, sondern für die Ausschußfassung stimmen, weil wir glauben, daß diese Fassung sozial gerecht ist.