Rede von
Johannes
Kunze
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Heiland zwingt mich doch zu einer ganz kurzen Replik. Es ist sehr einfach 'und gehört in das Rüstzeug, das in diesem Hause keinen Platz haben sollte, daß man irgendeinen Satz aus dem Zusammenhang herausgerissen zitiert und nun daraus Konsequenzen für den Redner zieht, obwohl man genau weiß, daß er das gar nicht gewollt hat.
— Ich habe nicht davon gesprochen — —
— Lesen Sie bitte das Protokoll demnächst nach, wenn Sie es morgen oder übermorgen kriegen!
Ich habe im Zusammenhang davon gesprochen, daß die Gemeinden, wo sie mit den Einzelschicksalen nicht fertig werden, sich in erster Linie an die großen freien gemeinnützigen Einrichtungen wenden. Da war es mir vielleicht doch erlaubt, das einmal auf Grund meiner Erfahrungen an dem Beispiel meiner Lebensarbeit, 'in 'der ich stehen darf, etwas zu beleuchten.
Mehr habe ich gar nicht getan.
— Das hatte gar nichts damit zu tun.
— Ja, geben Sie es mir eben her; dann will ich Ihnen den Zusammenhang klarlegen.
— Eine Sekunde! Sie müssen sich dann schon das
Ganze vorlesen lassen. Ich habe Ihnen gesagt:
Ich bitte Sie doch gütigst, meine Damen und Herren, sich einmal die Haushalte der Länder anzusehen, in welchem Milliardenumfang ordentliche Steuermittel für wirtschaftliche Kredite Verwendung finden und wie — ich sage das als Vertreter meiner Fraktion auf kaltem Wege Sozialisierungspolitik getrieben wird.
Dagegen wehren wir uns, meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, mit aller Entschiedenheit . . . Ich denke auch
— auf einen diesbezüglichen 'Zwischenruf des Kollegen Mellies habe ich das geantwortet -
an Nordrhein-Westfalen.
Ich habe dann dargestellt, daß die Haushalte aller Länder von mir einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen worden seien und daß ich Ihnen das Material gern zur Verfügung stellen würde. Dann bin ich fortgefahren:
Ich sagte eben, daß nun die öffentliche Hand als das Gemeinnützigste von allen dargestellt wird. Und dann wird von idem Kollegen Priebe bei der Begrundung des Antrags ausgeführt, warum man die Kirchen und gemeinnützigen Träger genau so wie die öffentliche Hand belasten soll mit der Einschränkung, wie sie auch in dem Antrag des Kollegen Kather . . . gemacht wird.
Dann bin ich fortgefahren:
Was machen denn die gemeinnützigen Einrichtungen, was machen denn die stittungsgebundenen kirchlichen Vermögen anders, als des andern Last tragen?!
Und nun kommt's:
Meine Damen und Herren, ich wage für mich in Anspruch zu nehmen, daß ich auf diesem Gebiet durch meine Lebensarbeit eine große Erfahrung besitze. Die Zahl der Heimatvertriebenen, die bei mir zu Hause durchgegangen sind und Hilfe gesucht haben, liegt bei über 100 000.
— Hier kam dann der Zwischenruf ides Kollegen Kriedemann: „Und bei den Gemeinden?!"
— Die Gemeinden haben da, wo sie nicht fertigwerden konnten, ihre Leute weitestgehend nach Bethel — —
— Ich habe das als Beispiel zu dem Punkt zitiert. Genau dasselbe gilt für die Einrichtungen der Caritas.
Ich habe dann weiter gesagt:
Ich darf zum zweiten darauf hinweisen, daß diesen Organisationen, von denen Sie reden, wenn Sie den § 15 Abs. 1 Ziffer 15 ändern wollen, ihr gesamtes Geldvermögen am Währungsstichtag plötzlich abhanden gekommen ist.
Damit ist von mir ganz klar und deutlich das gesagt worden, was ich heute morgen noch einmal genau bestätigen will,
daß die freie Wohlfahrtspflege, an der Spitze die kirchlichen Einrichtungen, den 'Gemeinden in ganz erheblichem Umfang Lasten abgenommen hat.
Wer das bestreiten will, geht an der Wirklichkeit des Lebens vorbei.
Ich wage es, Ihnen noch einen Satz zu -sagen: welches waren denn die Stellen, die die Ströme der Vertriebenen auffingen? Da hatten wir noch keine Gemeinden, sondern ein Chaos!
Am 8. Mai 1945 gab es noch keine Führung demokratischer Gemeinden, sondern gab es nur von der Besatzungsmacht eingesetzte Bürgermeister. Die ersten Stellen, die mit ihrer karitativen Hilfe an die Arbeit gegangen sind, waren die katholische Kirche und die evangelische Kirche, unterstützt von dem Strom der Mittel,
die dank der Verbundenheit der katholischen Welt und des ökumenischen Weltrats von den christlichen Kirchen der Welt kamen. 24 Stunden nach der Besetzung sahen die Vertreter der Kirchen bereits Beauftragte der Siegermächte bei sich, und sie konnten mit ihnen überlegen: Wie könnt ihr uns helfen, damit wir dem Strom der in Not geratenen Menschen helfen können? Das ist der Zusammenhang, in dem das gesprochen ist und aus dem der Kollege Heiland, so wie ich ihn verstanden habe, das wirklich herausgerissen hat.