Rede von
Rudolf-Ernst
Heiland
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Kuntscher, Sie scheinen einiges grundsätzlich falsch verstanden zu haben, denn ich habe nichts gegen die Hilfstätigkeit der Einrichtungen z. B. Bethels — ich habe nur Bethel genannt — gesagt. Ich habe mich lediglich gegen eine unsachliche Äußerung des Herrn Kunze gewandt, der gegen die Gemeinden die Äußerung gebraucht hat — ich will sie noch einmal wörtlich wiederholen, vielleicht verstehen Sie dann —: Die Gemeinden haben die Leute nach Bethel abgeschoben.
— Abgeschoben! Ich habe wörtlich mitgeschrieben. Im Protokoll können Sie es nachlesen. Das Protokoll vom 6. ist ja bereits da. Gegen diese Art der Polemik gegenüber den 'Gemeinden vom Vorsitzenden des Ausschusses für den Lastenausgleich habe ich mich gewehrt, weil einmal in aller Deutlichkeit hier ausgesprochen werden muß, daß sie gegenüber den Leistungen der Gemeinden, die als erste staatliche Organe nach dem Zusammenbruch von 1945 endlich wieder ein staatliches Leben ermöglicht haben, einfach nicht zugelassen werden kann.
Herr Kollege Kunze, noch ein 'zweites Wort. Wir sollten doch auch endlich einmal sehen, daß nicht alle Menschen, die nach Bethel 'kommen, unbedingt „abgeschoben" worden sein müssen. Bethel ist ja eine Einrichtung besonderer Art. Daß eine gewisse menschliche Hilfe von dieser Einrichtung seit Jahrzehnten geleistet wird, wird jeder anerkennen, der diese Einrichtung kennt. Man sollte aber solche Einrichtungen nicht dazu benutzen, die politische Problematik, die wir in diesem Gesetz haben, zu verwischen.
Die politische Problematik in diesem Gesetz ist doch einzig die, wer die Lasten des verlorenen Hitler-Krieges trägt und daß nach dem Stande des Gesetzes, das jetzt von der Mehrheit des Ausschusses noch schlechter vorgelegt wird, als es ursprünglich nach der Vorlage der Regierung in diesem Hause war, doch der Großbesitz auf Kosten der Kleinen und in diesem Falle über die öffentliche Hand, über die öffentlichen Steuerkassen geschützt werden soll.
Herr Kuntscher, zu Ihrem Antrag ein Wort. Er ändert an der Problematik gar nichts.
Das einzige, was Sie machen wollen, ist, eine kassentechnische Maßnahme durchführen. Das heißt, Sie wollen die volle Belastung der öffentlichen Hand bestehen lassen.
Sehen Sie, unter Ihrem Antrag steht der Name Kather. Ich habe eine Diskussion mit Herrn Kather aus dem Kontrollausschuß beim Hauptamt für Soforthilfe in Erinnerung, in der Herr Kather die Meinung vertreten hat, daß die Verwendung der Mittel, die durch die Soforthilfe aufgebracht würden, für den Wohnungsbau gegen das Gesetz verstoße, weil er nämlich den Wohnungsbau in diesem Fall nicht für vermögensbildend hielt. Meine Damen und Herren und Herr Kather, hier kommt nämlich Ihr wahres soziales Gesicht zum Durchbruch. Wenn die Flüchtlinge und die Bombengeschädigten überhaupt eine Not gespürt haben und wenn eine Not für sie eine drückende ist, die schnell beseitigt werden muß, dann ist es die Wohnungsnot; denn diese quält sie am meisten.
Deswegen noch eins zu diesen 250 Millionen DM. Je mehr Sie für dieses Lastenausgleichsgesetz aus der öffentlichen Hand — und nicht von den Be-
sitzenden — nehmen, desto weiter wird die Wohnungsbaumöglichkeit eingeengt. Beim Soforthilfegesetz hatten wir ja für den Wohnungsbau erheblich höhere Mittel als die 300 Millionen DM, die jetzt beim Lastenausgleichsgesetz vorgesehen sind. Wenn Sie jetzt auch noch die Länder und die Gemeinden zur Aufbringung dieser Mittel heranziehen, dann wird ein erheblicher Teil der Leistungen für den Wohnungsbau, die bis jetzt in der Kommunal- und in der Länderebene immer noch erbracht worden sind, in Zukunft auch nicht mehr aufgebracht werden können, und Sie werden die Not für die Millionen, die sie am härtesten spüren, noch größer machen. Hier haben Sie die Problematik, um die es geht, und hier haben Sie das soziale Gesicht dieses Gesetzes. Hier — lassen Sie es mich noch einmal in aller Deutlichkeit aussprechen — haben Sie auch das christliche Gesicht dieses Gesetzes!
— Ja, ich komme zurück auf das Plakat „Helft! Teilt!". Von dieser Teilungsbereitschaft spüren wir bei einem groben Teil der Mehrheit dieses Hauses nichts. Vielmehr müßte es da nicht heißen „Helft! Teilt!", sondern „Rafft! Rafft!".
Meine Damen und Herren, ich beantrage namentliche Abstimmung über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion.