Nun zu § 293. Das ist der Paragraph, in dem die Höhe der Unterhaltshilfe geregelt ist. Die verehrte Frau Berichterstatterin hat erklärt — ich habe das schon einmal gesagt —, daß die Unterhaltshilfe nach dem Prinzip der Versorgung — —
— Ja, ganz recht! In Ihrem schriftlichen Bericht steht, daß diese Unterhaltshilfe der „soziale Sockel" sein soll
und daß er eine „bescheidene Vollversorgung" darstellen solle. Ich weiß wirklich nicht, woher man diese „Bescheidenheit" nimmt.
— Ja, das ist wirklich bescheiden, Frau Weber. Diesen bescheidenen Betrag für die Normalfamilie
— Mann, Frau und zwei Kinder —, der nach diesem Vorschlag 140 DM pro Monat beträgt,
als einen „sozialen Sockel" und als eine „bescheidene Vollversorgung" zu bezeichnen, — diese Bescheidenheit geht mir zu weit, Frau Kollegin. So bescheiden sollten nicht einmal Sie sein.
— Die Teuerungszuschläge stehen vorläufig auf dem Papier.
— Vorläufig stehen sie noch auf dem Papier. Diese Sätze — und das ist das Entscheidende —, die laut vorliegendem Bericht der Frau Berichterstatterin darin niedergelegt sind, sind dieselben Sätze wie die des Soforthilfegesetzes.
-- Schön, schön; also ich stelle fest: im Gesetz liegt verankert, daß ein Betrag von 140 DM pro Monat für die Normalfamilie — Mann, Frau und zwei Kinder — gegeben werden soll. Daran ist nun einmal nichts zu ändern.
Die Frau Kollegin Weber hat hier, wie sie sagt, auf die Tatsache hingewiesen, daß die in diesem Gesetz jetzt gewährte Hilfe eine finanzielle Entlastung für die Gemeinden ist,
weil sie den Personenkreis der Berechtigten aus dem Kreis der Wohlfahrtsunterstützungsempfänger heraushebt. Frau Kollegin Weber, das ist ein Trugschluß. Die ungenügenden Wohlfahrtsrichtsätze, die wir zu Hause in unserem schönen Essen zahlen, liegen für die Normalfamilie um etwa 40 DM höher als der Satz, der in diesem Gesetz enthalten ist. Aber dazu kommt noch etwas anderes, dazu kommt ja noch der Mietzuschuß, der bis zu 50 DM im Monat gehen kann, und dazu kommen ja noch diese zusätzlichen Leistungen wie etwa Weihnachtsbeihilfe, Winterbeihilfe; dazu kommen auch noch die Leistungen aus der ergänzenden öffentlichen Fürsorge im Falle von Erkrankung, im Falle von Mehrbedarf bei besonderer Not. Was wir hier
im Gesetz haben, liegt also unter dem kommunalen Wohlfahrtsrichtsatz;
es liegt vor allem bei Familien, die zwei oder mehr Kinderhaben, darunter.
Nun noch etwas anderes zu der Geschichte. Unterhaltshilfe kann nach dem Gesetz auf Lebenszeit oder auf Zeit gezahlt werden, und zwar auf Zeit — und das ist sehr, sehr charakteristisch für den Geist, der dieses Gesetz durchzieht —, wenn das verlorene Vermögen so gering war, daß es ohnehin nicht eine dauernde Altersversorgung gesichert hätte. Was liegt darin, meine Damen und Herren? Man macht die Gewährung dieser Rente von dem vor Eintritt des Schadens vorhandenen Einkommen abhängig und gibt sie nun auf Lebenszeit, wenn das Einkommen diese 5000-Mark-Grenze übersteigt.
Und noch etwas Eigenartigeres, etwas Bezeichnenderes! Man rechnet das, was man in Form dieser Rente gibt, auf die Hauptentschädigung um. Man schenkt also nichts. Man unterstellt diesen Personenkreisdenselben Bedingungen, ja sogar noch schlechteren Bedingungen, als sie in den Gemeinden bei uns im Lande generell bestehen für die sogenannten Ortsarmen, die Wohlfahrtsempfänger.
Noch etwas sehr Eigenartiges an diesem Gesetz! Die Entschädigungsrente, von der das Gesetz in den §§ 303 ff. spricht, kann entweder neben der Unterhaltshilfe oder für sich allein gewährt werden. Wer nach dem Gesetz Unterhaltshilfe bezieht, kann daneben Entschädigungsrente erhalten, wenn der Grundbetrag seiner Hauptentschädigung 5000 DM übersteigt oder wenn er den Verlust eines überdurchschnittlich hohen Einkommens geltend machen kann. Wir haben da also eine in der Höhe gestaffelte Rentenversicherung — Schaden, Verlust der Existenzgrundlage —, die in ihrer Höhe entscheidend davon abhängig ist, was der Geschädigte an Einkommen verloren hat. Aber wir haben bei dem, der auch schon vorher nichts oder nur wenig hatte, den Tatbestand, daß die Leistungen für ihn unter dem kommunalen Wohlfahrtsrichtsatz liegen. Den ethischen Verlust, von dem man bei der Propaganda so sehr oft und gern spricht, den ein nach diesem Gesetz Berechtigter mit dem Verlust seiner Heimat erlitten hat, den wägen Sie, materiell und von den Leistungen dieses Gesetzes her gesehen, absolut nicht. Ihnen kommt es nur darauf an, zu entschädigen, was vorher an Eigentum da war. Darum sind wir der Meinung, daß dieser § 292 zu streichen ist und daß § 293 folgenden Wortlaut haben soll:
Die Unterhaltshilfe beträgt für den Berechtigten monatlich 100 DM.
— Statt der hier vorgesehenen 70 DM. —
Die Unterhaltshilfe erhöht sich um monatlich 40 DM für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder für eine Pflegeperson, deren der Berechtigte wegen besonderer Gebrechlichkeit bedarf und um monatlich 30 DM für jedes Kind im Sinne des § 291.
In unserer Forderung ist also festgehalten, daß die Unterhaltshilfe für die Normalfamilie 140 DM plus 2 mal 30 DM — das sind 200 DM — betragen soll. Niemand wird behaupten können, daß diese Rente zu hoch ist, daß sie über das Minimale hinausgeht, worauf ein Mensch unter den heutigen Bedingungen und Lebenshaltungskosten einen Anspruch hat. Wir sind darüber hinaus auch der Meinung, daß dieser Personenkreis ein Recht darauf hat, aus eigener minimaler Arbeitsleistung sich zu diesen Sätzen, die nur gleich hoch wie die Wohlfahrtsrichtsätze sind, etwas hinzuzuverdienen.
Ich will nur noch auf zwei weitere Dinge eingehen. Das ist einmal die ,Krankenversorgung nach § 300 dieses Gesetzes. Diese Krankenversorgung entspricht den Leistungen, auf die auch jeder Wohlfahrtsunterstützungsempfänger einen Anspruch hat.
— Aber nur in sehr rückständigen Gemeinden. außerordentlich rückständigen Gemeinden. Ich kenne in Nordrhein-Westfalen keine Gemeinde größeren Umfangs, in der diese Krankenversorgung nicht für jeden Wohlfahrtsempfänger gilt. -
Aber noch etwas anderes kommt 'hinzu. Frau Weber. Sie verlangen ja, daß die Gemeinden für diese Aufwendungen an den Bund etwas zurückerstatten sollen. Auf die Höhe komme ich bei einem späteren Paragraphen noch zu sprechen.
Und das Sterbegeld? Ja, wissen Sie, das kommt mir beinahe etwas frivol vor. 240 DM! Nun gut, damit kann man einen Menschen bescheiden unter die Erde bringen. Aber warum sind Sie so mit einem leichten Satz daran vorbeigegangen, daß dieses Armenbegräbnis, auf das der Berechtigte nach Ihrer Meinung einen Anspruch haben soll — für 240 DM ist das eine Armenbeerdigung und gar nichts anderes —, noch durch eigene Beitragsleistungen von ihm selber und von der Masse der Berechtigten erkauft werden soll? Wahrlich, das ist sogar unter Einschaltung Ihres Begriffes von sozialer Verpflichtung etwas allzusehr bescheiden. Was sie tun, das sind für die Alten, die Armen, die Kleinen, die Kinder Unterstützungssätze, wie sie sogar von der örtlichen Armenfürsorge zum Teil überschritten werden. Das sollten Sie sich einmal überlegen. Aus dieser Überlegung gibt es nur einen Schluß, nämlich den, unseren Anträgen zuzustimmen.