Rede von
Georg Richard
Kinat
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Na also, dann können wir ja wohl hier bessere Einsicht feststellen; denn es wäre, wie gesagt, unerhört und für die Arbeitnehmer nicht in einem einzigen Fall eine Gefahr gegeben, es sei denn, daß es ein verbissener und hartgesottener Außenseiter so sehen will. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer, soweit sie Heimatvertriebene sind, begrüßt diese Maßnahme und befürchtet nicht, daß sie in Betrieben der Kriegsindustrie und dergleichen mißbraucht wird.
Wir müssen doch zugeben, weil das Erfahrungstatsache ist, daß sowohl das Hauptamt als auch der Kontrollausschuß bei der Bewilligung der Gelder bisher die größte kaufmännische Sorgfalt walten ließen und Grundsätze verfolgt haben, die es keinem dieser Betriebe ermöglicht haben, mit den gewährten Mitteln in irgendeiner Weise Schindluder zu treiben, so daß kein Grund zu Befürchtungen besteht, es könnten Granaten gedreht werden.
- Na also.
Wir vertreten die Auffassung, daß es bei der Gewährung dieser Mittel in erster Linie um die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen für Arbeitnehmer geht. Erst in zweiter Linie können wir dabei den Betrieb im Auge haben. Es ist richtig, was heute oder gestern Herr Dr. Bucerius in diesem Punkt sagte, daß es gerade unsere Aufgabe sein müsse, nicht die Klein- und Mittelbetriebe als das Primäre in den Vordergrund zu stellen, sondern möglichst größere wirtschaftliche Einheiten zu schaffen. So frage ich Sie, meine Damen und Herren, ob die Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen nicht doch eine Angelegenheit ist, die weit, ich möchte sagen, meilenweit den Bestrebungen auf sogenannte quotale Entschädigung, auf Ersatz des verlorengegangenen Vermögens voranzustellen ist; auch Sie, lieber Landsmann Kather. Ich möchte darum bitten, daß Sie hier bekennen, auch etwas für die Arbeitnehmer übrig zu haben. Sollte es bei dem bleiben, was der Entwurf jetzt vorsieht, daß wir eine Einschränkung sowohl hinsichtlich der Betriebe als auch hinsichtlich der Höhe der Mittel bekämen, dann würde praktisch das wieder zerstört, was mit der Gemeinschaftshilfe schon angelaufen ist. Das wollen Sie doch sicher auch nicht haben. Deswegen kämpfen wir gegen diese Regelung an. Wir Sozialdemokraten sind für Vollbeschäftigung, sowohl für die Unternehmer als auch für die Arbeitnehmer. Dazu sollen auch Mittel aus dem Lastenausgleich beitragen.
Herr Kunze erklärte, die Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen sei eine wirtschaftspolitische Aufgabe. Nun schön, das erkennen wir auch an. Wir Sozialdemokraten haben ja mehr als einmal den durch Abwesenheit glänzenden Bundeswirtschaftsminister aufgefordert, von sich aus nach dieser Richtung etwas für die Wirtschaft zu tun. Wir haben Mittel aus dem Reichsstock für Arbeitslosenversicherung für Arbeitsbeschaffung beantragt und fördern auf jede Art und Weise solche Maßnahmen. Wir sind aber der Ansicht, daß neben dieser Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik es auch eine Aufgabe des Lastenausgleichs ist. Er soll gleichsam ein Anlaufen ermöglichen, damit gerade den vertriebenen Arbeitnehmern hierdurch der Beweis geliefert wird, daß für sie etwas getan werden soll.
Wir wollen mit unserem Antrag also die Einschränkung in Abs. 2 des § 282 beseitigen und, wie gesagt, auch die Streichung des Abs. 2 des § 283 erreichen. Uns liegt alles daran, den heimatvertriebenen Arbeitnehmern durch Beschaffung von Arbeit zu einer Existenz zu verhelfen. Das soll primär in Betrieben, die den Kriegsgeschädigten gehören, geschehen. Soweit aber solche Betriebe das nicht allein schaffen können, worüber manche Ausführungen hinsichtlich der Standfestigkeit, der Krisenfestigkeit usw. zu machen wären, wollen wir auch andere Betriebe einbezogen wissen, die uns die Gewähr und die Sicherheit bieten, daß wirklich der Sinn und der Zweck der Arbeitsplatzbeschaffung durch sie gewährleistet wird.
Nun möchte ich doch dem Herrn Kunze etwas ins Stammbuch mitgeben. Er ist leider wieder nicht hier, er ist immer noch nicht hier.
— Ja, ich war aber draußen, als ich nicht gebraucht wurde, aber der Herr Kunze
muß als der Repräsentant dieser Lastenausgleichsangelegenheit immer zur Stelle sein. Ich wollte ihm sagen, daß ich mich sehr über den Umschwung in seinen Meinungen wundere. Hier im Bundestag vertritt er keine Meinung mehr, sondern übt nur einen Auftrag aus, den Auftrag vielleicht so als Theodor
im Fußballtor des Herrn Adenauer,
um aufzupassen, daß ja nicht ein vernünftiger Ball von der Opposition da hineingelangen könnte.
Ah, Herr Kunze kommt schon.
Lieber Herr Kunze, ich wiederhole es aus alter Freundschaft aus dem Ausschuß: ich vermisse hier Ihre Meinung, die Sie im Ausschuß so oft, oft auch im Gegensatz zu Ihren Freunden, durchsetzten. Sie waren dort als ein sehr tüchtiger Vorsitzender verschrien, und hier sehe ich Sie nur immer als UvD, der den Auftrag hat, als Theodor im Fußballtor der Koalition zu verhindern, daß ein vernünftiger Ball der Opposition da hineinfliegt. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber das ist so meine Meinung.
Ich kann Ihnen sagen, Herr Kunze, verhelfen Sie uns dazu. Der Arbeitsplatz für unsere heimatvertriebenen Arbeitnehmer — ich bin ein solcher — ist das wichtigste für viele Hunderttausende vertriebener Familien. Erst damit beginnt ihre wirkliche Chance, sich aus ihrem elenden Dasein zu befreien.
Meine Damen und Herren! Sehen Sie nicht den Zweck des Lastenausgleichs im Vermögensersatz durch quotale Leistungen, sondern sehen Sie wie wir die Eingliederung in das wirtschaftliche und soziale Leben als das Primäre und als das erfolgversprechendste Mittel des Lastenausgleichs an. Als gewesener Bürger der Stadt der reinen Vernunft habe ich oft feststellen müssen, daß man dem Verstand oft nicht beikommen kann, und darum versuche ich es auf dem Wege der Vernunft. Ich appelliere an Ihre Vernunft, uns wenigstens bei diesen beiden nützlichen Änderungsanträgen Ihre Zustimmung nicht zu versagen. Das liegt im Inter- esse einer echten Eingliederung durch den Lastenausgleich für Hunderttausende Arbeitnehmer und ist durchaus richtig.