Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die Debatte über den § 275 hat schon eine gewisse Grundlage und Einleitung zu dem § 276 gegeben. In § 276 wird festgelegt, daß vorbehaltlich und unter Berücksichtigung verfügbarer Mittel Eingliederungsdarlehen gegeben werden können. Herr Dr. Bucerius hat vorhin zum Ausdruck gebracht — ich glaube, das wird man sich sehr gut merken müssen —, daß, solange, wie er sagt, die Anwendung dieses Gesetzes in Ihren Händen liegt, das volkswirtschaftliche Prinzip das oberste Prinzip bei der Anwendung dieses Gesetzes sein wird. Er stellt es also vor das soziale Prinzip.
Und da wir in diesen Tagen wiederholt nicht allein Ihre Auffassung, Herr Dr. Bucerius, sondern auch die Auffassungen von Herrn Dr. Atzenroth und von Herrn Dr. Preusker hören durften, Auffassungen, die der Meinung und der Wirtschaftspolitik von Herrn Professor Dr. Erhard entsprechen, sind wir davon überzeugt — und die Geschädigten selber werden sich auch davon überzeugen —, daß die Mittel, auch die Eingliederungsdarlehen, in erster Linie nach Ihr en volkswirtschaftlichen Auffassungen Verwendung finden werden. Herr Dr. Bucerius hat vorhin von der Frage der Sicherung eines Rechtsanspruchs gesprochen. Ich habe früher bereits nachgewiesen, daß man eine Reihe von Dingen aus dem Rechtsanspruch herausgenommen hat. Dazu gehören die Eingliederungsdarlehen; dafür besteht kein Rechtsanspruch. Auch hier würde wiederum der § 371 maßgebend sein, der festlegt, daß allein der Leiter des Ausgleichsamtes über die Frage der Gewährung derartiger Eingliederungsdarlehen entscheidet. Das ist also eine reine Ermessensfrage, ohne daß der Geschädigte selber auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung einen Rechtsanspruch hat.
Noch deutlicher sichtbar, was damit bezweckt wird, ergibt sich aus dem zweiten Satz von Abs. 1 dieses Paragraphen, wo es heißt:
Eingliederungsdarlehen werd en entweder unmittelbar an die einzelnen Geschädigten oder unter Zusammenfassung von Mitteln zur Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen für Geschädigte gewährt.
Das ist also die Bestimmung dafür, ob der einzelne ein Eingliederungsdarlehen erhält, ob Mittel für die Zuweisung an einzelne Geschädigte zur Verfügung gestellt werden oder ob diese Mittel zur Beschaffung von „Dauerarbeitsplätzen" zusammengefaßt werden. Wir haben nicht den geringsten Zweifel daran, daß diese Bestimmung nach Ihren „volkswirtschaftlichen" Gesichtspunkten in erster Linie, ich möchte sagen, beinahe ausschließlich angewendet werden wird, um die Mittel zur sogenannten Beschaffung von „Arbeitsplätzen" zur Verfügung zu stellen. Die Praxis wird beweisen — wir haben das schon in Zusammenhang mit früheren Debatten in diesem Hause unter Beweis stellen können —, daß die Regierung, daß Professor Erhard diese Mittel benutzen wird, um sie be-. stimmten Industrien zuzuleiten, die für die Politik der Bundesregierung eine besondere Bedeutung haben, insbesondere in die Gebiete der Grundstoffindustrien, in die Gebiete der Rüstungsindustrie.
— Jawohl, das ist der entscheidende Punkt! Herr
Kollege, wir werden es erleben und wir werden es
in einiger Zeit, sobald dieses Gesetz gegen uns an-
genommen sein wird, durch Kontrollen unter Beweis stellen, daß diese Mittel auf Grund dieses Paragraphen für solche sogenannte Arbeitsbeschaffung in der Grundstoffindustrie und in der Rüstungsindustrie zur Verwendung kommen werden. Dagegen legen wir entschiedene Verwahrung ein. Wenn den Geschädigten geholfen werden soll — und nachdem unser Antrag auf Anerkennung eines Rechtsanspruchs abgelehnt worden ist, möchte ich das noch einmal zum Ausdruck bringen —, muß es Grundsatz sein, daß die Geschädigten selbst die Mittel aus diesem Gesetz erhalten. Es muß ausgeschlossen sein, daß Mittel anders, nämlich so verwendet werden, wie es in dem von mir kritisierten Satz zum Ausdruck kommt. Wir verlangen deshalb in unserem Antrag, daß dieser Paragraph eine neue Fassung erhält. Damit würde auch der Rechtsanspruch garantiert sein. Unser Antrag besagt:
Um die beschleunigte Eingliederung von Ausgesiedelten oder Kriegssachgeschädigten zu ermöglichen, werden unmittelbar an die einzelnen Geschädigten Eingliederungsdarlehen gewährt.
Damit ist der Mißbrauch dieser Mittel für andere Zwecke, so wie Sie es wollen, ausgeschaltet und der Anspruch der Geschädigten selbst gesichert. Das ist unsere Forderung. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.