Rede von
Johannes
Kunze
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen zunächst eine Tatsache sagen. Gerade die Regierungsparteien — und auch die Vertreter der Opposition — haben sich weitgehend bemüht, in den Beratungen des Ausschusses die Frage der Berücksichtigung der kriegssachgeschädigten Einheimischen unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob und inwieweit ihre Behandlung im Soforthilfegesetz eine schlechtere war, als sie nach dem Lastenausgleich sein soll. Wir sind uns darüber einig gewesen, daß man bei aller Würdigung des Schicksals der einheimischen Geschädigten — und es spricht auch hier jemand zu Ihnen, der noch in einer Baracke auf einem Grundstück lebt, das vor Jahren zerbombt worden ist, also niemand aus der Theorie des Besitzbürgers, der in seiner Villa lebt — und daher selbst als geschädigter Einheimischer zugeben muß, daß das Schicksal, wenn ich es abwäge, bei den Heimatvertriebenen doch noch härter ist. Da, wo es nicht härter ist, —
— Sie kriegen Punkt für Punkt eine Antwort und eine Erklärung, Herr Kollege.
Da, wo es nicht härter ist, oder ich will es anders sagen: Da, wo das Schicksal der Heimatvertriebenen genau so hart ist wie das der Einheimischen, nämlich bei den evakuierten Einheimischen, die nach dem Erleben ihres Schicksals, bombengeschädigt und ausgebombt zu sein, evakuiert werden mußten, haben wir doch festgelegt, daß sie genau so behandelt werden wie die Heimatvertriebenen
selbst, es sei denn, daß sie sich inzwischen in dem Ort, wohin sie evakuiert worden waren, eine neue Existenz aufgebaut oder die Absicht haben, die neue Heimat für den Rest ihres Lebens endgültig zu halten. Wir geben also dieser Gruppe der evakuierten Kriegssachgeschädigten die gleichen Rechte wie den Heimatvertriebenen. Das ist der eine Punkt.
Und der zweite Punkt. Ich mußte dies sagen, Herr Kollege Reismann, damit nicht der Eindruck entsteht, als ob Sie allein ein besonderer Fürsprecher der Fliegergeschädigten seien.
— Wir sind ja pausenlos dabei gewesen. Sie waren nur wegen anderweitiger Belastungen nicht in der Lage, an dem Entstehen dieser verbesserten Bestimmungen für die Fliegergeschädigten mitzuarbeiten. Wenn Sie die Regierungsvorlage mit dem vergleichen, was Ihnen der Ausschuß in diesen Tagen zur Beratung vorlegt, dann werden Sie sehen, daß diese Dinge in alle möglichen Bestimmungen planmäßig eingebaut sind. Dann werden Sie beispielsweise sehen, daß die Eingliederungshilfe ausdrücklich auch als Wiederaufbauhilfe für zerstörten Wohnhausbesitz bewilligt wird. Hier ist also ein entscheidender Punkt des Soforthilfegesetzes, der zu Ungunsten der Fliegergeschädigten bestand, beseitigt worden. Sie werden weiter feststellen, daß sich die Behauptung, es sei nichts geschehen, nach einer Prüfung der Zahlen einfach nicht aufrechterhalten läßt; denn die Voraussetzungen etwa für die Unterhaltshilfe sind im Gesetz die gleichen für Vertriebene wie für Fliegergeschädigte.
— Auch bisher sind sie die gleichen gewesen. Der einzige Unterschied war der, daß wir feststellten: Es bedarf keiner besonderen Feststellung, daß der alte und erwerbsunfähige Heimatvertriebene seine Existenzgrundlage verloren hat. Das ist unter Beweis gestellt durch den Tatbestand der Vertreibung. Aber bei den Einheimischen mußten wir naturgemäß die Frage, ob die Existenzgrundlage verlorengegangen ist, prüfen und müssen sie auch in Zukunft prüfen, wenn wir Gerechtigkeit für alle schaffen wollen.
Nun zu der Formulierung Ihres Antrages zu § 272, die Nr. 3 im Abs. 1 so zu fassen, daß bei den Kriegssachgeschädigten die ihnen auf Grund des § 38 zuerkannte Senkung ihrer Abgabepflicht nicht voll, sondern nur zur Hälfte angerechnet werden soll. Das paßt in die Gesamtkonzeption dieses Gesetzes wahrlich nicht hinein. Wir geben ihm genau das gleiche Recht wie dem Heimatvertriebenen auch. Wir stellen seinen Schaden fest, wir geben ihm erstens eine Senkung auf die Abgabe seines noch vorhandenen Vermögens nach den Ziffern und Einzelprozenten des § 38 und sagen darüber hinaus: Du bist mit deinem Schaden genau so anspruchsberechtigt wie der Heimatvertriebene auch.
Daß wir das, .was wir nun schon von dem noch erhaltengebliebenen Vermögen erlassen haben, anrechnen, scheint uns genau so selbstverständlich gerecht zu sein wie die Tatsache, daß wir sagen: Was nach der Kriegssachschädenverordnung oder — die Bestimmungen lesen Sie in dem Paragraphen in den nächsten Absätzen und Ziffern — nach sonstigen Gesetzen als Entschädigung oder Vorauszahlung geleistet worden ist, wird angerechnet, und zwar selbstverständlich das, was in Reichs-
mark gezahlt worden ist, nach dem Umstellungsverhältnis 10 : 1 entsprechend der Währungsgesetzgebung. Ich sage dies nur, damit nicht aus einem Verzicht auf die Äußerung von Selbstverständlichkeiten eine falsche oder schiefe Berichterstattung entsteht. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß jemandem, der 1943 ausgebombt war und etwa auf Grund der Kriegssachschädenverordnung 20 000 RM bekommen hat, 2000 DM angerechnet werden, aber nicht, wenn der dafür beschaffte Hausrat noch einmal in einem zweiten Bombenangriff geblieben ist. Wir sehen immer auf den letzten Tatbestand.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich das Hohe Haus etwas länger in Anspruch nahm, aber es schien mir notwendig, einmal mit der Auffassung aufzuräumen, als ob es nur einzelne Kollegen oder eine kleine Gruppe oder eine Fraktion in diesem Hause gäbe, die die Spezialität hätten, die Interessen der Fliegergeschädigten zu wahren. Ich bin der letzte, der das auf Grund eigenen Erlebens nicht auch für sich in Anspruch nehmen darf.
Aus den von mir dargelegten Gründen bitte ich das Hohe Haus, den Antrag abzulehnen.