Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Deswegen diskutieren wir ja auch vor aller Öffentlichkeit und auch vor Ihnen, verehrter Herr Kollege Horlacher, in der Hoffnung, daß auch Ihnen zum Schluß noch ganz klar wird, wer hier recht hat.
Das ist der Sinn der zweiten Lesung, nicht wahr!
Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, Herr Kollege Nöll von der Nahmer, daß Sie in vielen Punkten zurückgesteckt haben, überall da, wo Sie allmählich selbst bei Ihren Koalitionsfreunden kein Verständnis mehr für die quotale Konsequenz gefunden haben, oder wenigstens fast überall. Das ist auch eine ganze Weile so gut gegangen, daß wir etwa gegen Ende der zweiten Lesung tatsächlich die Hoffnung hatten, wir würden uns über die Bestimmungen bezüglich der Eingliederung auf dem Kreditwege noch ganz schön zusammenraufen. Leider ist das nachher und nicht zuletzt durch die Heraufsetzung der Schadensbeträge, erst einmal auf eine halbe Million und dann durch den Wegfall jeder Begrenzung überhaupt, über den Haufen geworfen worden. Leider hat sich auf diese Weise das sogenannte quotale Prinzip in seiner extremen Form wieder durchgesetzt mit allen Konsequenzen, die sich daraus nun einmal für die große Mehrheit der Geschädigten ergeben. Weil wir auch heute noch der Meinung sind, daß es so nicht geht, machen wir Ihnen eben den Vorschlag zu § 269: Schadensgruppen im Interesse der vereinfachten Schadensfeststellung, im Interesse der schnelleren, billigeren und auch ehrlicheren Feststellung und keine Schadensbeträge. eben um keine Illusionen zu erwecken und um vor allen Dingen einmal den Weg freizumachen für eine Eingliederung unter den Gesichtspunkten, die sich uns darbieten, wenn wir den Menschen in seiner heutigen Lage ansehen und nicht überlegen, was früher einmal gewesen ist und welche Ansprüche sich daraus entwickeln lassen.
Seien Sie fest davon überzeugt, wenn Sie das beschließen, was Sie hier vorliegen haben, dann werden sich, auch wenn Sie mit den Bestimmungen über volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit und soziale Dringlichkeit eine Bremse einbauen wollen, die Gedankengänge durchsetzen, die auch Ihre Gedankengänge sind und die mit Ihrer ausdrücklichen Anerkennung des quotalen Prinzips nur noch einmal sanktioniert werden. Dann werden die Mittel, die überhaupt zur Verfügung stehen, mehr und mehr für diese Sorte von Rechtsansprüchen aufgesaugt werden, und alle die Rechtsansprüche, die mit jedem lebenden Menschen geboren werden, die auch derjenige als Vertriebener anzumelden hat, der nur aus seiner Mietwohnung und nicht von eigenem Haus und Hof weggejagt worden ist, werden dabei notwendigerweise unter den Schlitten kommen. Weil wir einer möglichst großen Zahl von Menschen helfen wollen — und die große Mehrheit hat nun einmal kein Vermögen im quotalen Sinne — und weil wir allen so helfen wollen, daß diese Mehrheit der arbeitsfähigen Menschen auch im-
Stande ist, unser volkswirtschaftliches Gesamtprodukt zu vermehren, darum wollen wir zunächst einmal mit der Eingliederung vorangehen.
Wir haben entsprechende Anträge zu diesem Paragraphen gestellt. Wir wollen die Eingliederungshilfe nicht nach dem Maßstab bemessen, der sich aus den früheren Verhältnissen ergibt, deren Feststellung ja,wie uns allen klar ist, außerordentlich schwierig und außerordentlich zweifelhaft ist. Wir wollen die Hilfeleistung in Form eines Kredits bemessen nach Lage der Dinge, von heute aus gesehen, und wir wollen uns mit dem, was als eigentliche Vermögensentschädigung gegeben werden kann, erst hinterher auseinandersetzen, wenn man wirklich ehrlich sagen kann, welche Mittel dafür zur Verfügung stehen. Das würde dann nämlich auch dem quotalen Gedanken am meisten entsprechen. Denn die Quote, die Sie heute geben wollen, die Entschädigung, die Sie heute hier festsetzen, greifen Sie doch aus dem luftleeren Raum, ohne eine Ahnung davon zu haben, ob das, was hier versprochen wird, ein leeres Versprechen ist, das irgendein anderes Parlament unter Hinweis auf einwandfrei feststehende Tatsachen wieder wegwischen muß; ohne Rücksicht darauf, ob das, was Sie hier versprechen, jemals gehalten werden kann. Weil wir ein ehrliches, nüchternes Verfahren vorziehen, haben wir Ihnen vorgeschlagen, die Feststellung der Schadensbeträge eben auf jene Zeit zu verschieben, in der diese Beträge ehrlich, korrekt und beweisbar festgestellt werden können, nicht aber durch fiktive Schadensbeträge und durch darauf gegründete Rechtsansprüche den lebenswichtigen Prozeß der schnellen Eingliederung für unser Volk und seine Wirtschaft aufzuhalten. Die Eingliederung der arbeitsfähigen Menschen ist ein allgemein gültiger Rechtsanspruch, und alles, was aus dem Lastenausgleich an Mitteln zur Verfügung steht, soll auf diese Aufgabe konzentriert werden.