Meine Damen und Herren! Es ist psychologisch außerordentlich interessant,
wie sich, kaum einige Jahre, nachdem die Heimatvertriebenen genau dasselbe Schicksal geteilt haben, arm und von allem entblößt in diesem Land einzutreffen, hier bei ihnen Distinktionen herausentwickelt haben, genau so übrigens, wie auch bei den Einheimischen, die alle miteinander am Tage nach der Währungsreform mit 40 oder 60 DM starteten, und nun sieht man heute die riesigen Vermögensanhäufungen bei den einen, und die Millionen von Menschen, die so gut wie nichts haben, auf der andern Seite. So ist es — ich hätte bald gesagt: in leider typisch deutscher Manier — auch bei den Heimatvertriebenen geworden. Es finden sich hier tatsächlich Heimatvertriebene in diesem Haus, die hergehen und sagen, man solle Beträge
— der eine redet, es wird eine Milliarde ausmachen, der andere spricht, es wird nur 200 Millionen DM ausmachen —, man solle Beträge aus dem Gesamtfonds dafür abzweigen, daß man denen über 150 000 DM, also auch den früheren Millionären, Summen in den Schoß wirft, die sie wiederum zu reichen Leuten bei uns hier machen werden.
Ja, der Grundsatz des allgemeinen Rechts, Herr Kollege Dr. Kather,— schön und gut; als Jurist kann man darüber sehr vieles reden. Aber wir stehen auf der einen Seite vor der Tatsache, daß Sie das, was Sie diesen Millionären mit Ihrer juristischen Großzügigkeit geben, den Millionen Heimatvertriebenen und Kriegsopfern auf der anderen Seite wegnehmen, die dadurch weniger bekommen!
— Na, da schütteln Sie mit dem Kopf, Herr Dr. Kather, — dann verstehe ich Sie tatsächlich nicht. Es ist doch sonnenklar, daß solche Summen
— Sie beziffern die erforderliche Summe auf ca. 200 Millionen DM, andere noch viel höher — vom Gesamtaufkommen zum Lastenausgleich abgezweigt werden, statt daß sie den wirklich Bedürftigen zugute kommen.
— Innerhalb von 30 Jahren, Herr Zwischenrufer? Sie unterschätzen die Summe!
Es kommt auf jede Summe hier an. Ich weigere mich, den Millionären solche Abfindungen zu geben; solange Heimatvertriebene in Holzbaracken und in Bunkern wohnen müssen.
— Da täuschen Sie sich, wenn Sie meinen, die Millionäre werden das nicht kriegen. Auf dem Wege von Vorfinanzierungen,
auch auf dem Wege von Spruchentscheidungen der Ausgleichsämter ist auf Grund dieses Gesetzentwurfs so viel möglich, — darüber könnte man Ihnen stundenlang Details sagen, daß Sie staunen würden, Herr Kollege,
wie sich sofort, wenn das Ausgleichsverfahren ins Rollen gesetzt wird, wiederum die dünne Schicht der Nutznießer aus diesem Gesetz herausentwickeln und herauskristallisieren wird
- die Beziehungen haben, politisch, ja! —, während andererseits ein Millionenheer weitere viele Jahre hindurch bei uns im kalten Winter noch in Holzbaracken und schlechten Unterkünften hausen wird.
So muß jeder rechtlich Denkende zu einer Ablehnung des Vorschlags der Regierungsparteien hinsichtlich des § 269 mit dem idort angegebenen Schema kommen. Der Gegenvorschlag der SPD ist auch keineswegs in allen Punkten zufriedenstellend. Aber er ist immerhin noch gegenüber dem Vorschlag, den Sie, meine Herren von den Regierungsparteien, dem Hause zur Annahme empfehlen, das weitaus geringere Übel. Zuerst — und das ist einer der Grundfehler in der Konstruktion dieses Gesetzes, daß das fehlt — müßten Sie die Zusammenbringung der Gelder gesetzlich geregelt haben. Dann erst können Sie bestimmen, was auszuteilen ist.
Einer meiner Vorredner hat — ich habe meinen Ohren kaum getraut — ungefähr wörtlich das wiederholt, was ich schon vor Jahr und Tag in einem der Ausschüsse dieses Hauses gesagt habe
— bei einer anderen Gelegenheit, bei der Frage der Benzinpreiserhöhung —, als ich sagte: Ich habe für immer das Vertrauen zu den Vorausschätzungen verloren, die uns von seiten des Finanzministeriums oder irgendeines anderen Ministeriums in Bonn gegeben werden. Die stimmen alle nicht. Die sind, wie man auf preußisch so schön sagt, „über den Daumen gepeilt".
Die sind nichts anderes als ein Versuch, die ganze
Diskussion auf eine völlig falsche Ebene zu stellen.
Zuerst müssen Sie einmal sehen, was bei diesem Lastenausgleichsgesetz herauskommt. Ich fürchte, viel weniger wird herauskommen, als selbst Ihre optimistischen Schätzungen meinen, meine Herren von den Regierungsparteien! Sie werden ja sehen: bis das alles durchgeht durch die Instanzen — es ist ja ein schöner Kompetenzgang da drinnen vorgesehen in diesem Wälzer —, bis das alles durch die Instanzen durchgeht, bis zum Verfassungsgericht und weiß Gott welchen Behörden, wird sich ja herausstellen, wie sich gerade bei den großen Fischen der Ertrag viel geringer beziffern wird, als Sie 'das heute noch glauben. Zuerst müssen Sie mal die 'Summen beisammen haben, dann erst können Sie verteilen. Solange Sie noch nicht richtig verteilen können, müssen Sie nackt und klar als Schadensbetrag den Betrag festsetzen, den der einzelne Kriegsgeschädigte oder Heimatvertriebene wirklich erlitten hat.
Darum ist es meines Erachtens nicht allzu falsch, Kategorien aufzustellen, wie es der Antrag der SPD schon getan hat, und diese Kategorien dann später mit den jeweils einlaufenden Mitteln zu versorgen, die hoffentlich recht hoch sein werden; wenn Ihr Entwurf, meine Herren von der CDU, durchgeht, allerdings nicht.
— Ja, Sie haben ja schon Ihre Seele salviert! „Dixi et salvavi animam meam!" hätte Ihr Wortführer von sich bereits sagen können!
Denn in § 269 Ziffer 2 Ihres Regierungsentwurfs
reden Sie schon schamhaft davon, daß spätestens
zum 31. März 1957 durch Gesetz festgestellt wird
— also auf 5 Jahre hinaus! —,
ob und in welchem Umfang die Grundbeträge erhöht werden können. — Ich kann sehr gut lesen! Ich habe schon sehr viel mehr Gesetzestexte gelesen in meinem Leben als Sie, Herr Zwischenrufer!
— Ja, viel mehr als Sie, denn Sie, Herr Zwischenrufer, sind nicht einmal Jurist!
— Meine Damen und Herren, in Stadelheim hatte ich viel Zeit! — Ja, da haben mich Ihre Leute hineingebracht, ich bin aber freigesprochen worden! Kommen Sie doch nicht mit solchen lächerlichen Zwischenrufen, die noch dazu eine Beleidigung darstellen!
Wenn Sie mir nichts Besseres auf meine Ausführungen an Hand des Gesetzestextes, an den ich mich jeweils streng halte, zu antworten wissen, dann können Sie mir tatsächlich leid tun!
Meine Damen und Herren, jeder, der die Verwaltung bei uns wie auch in anderen Ländern kennt, weiß, daß die Staatsverwaltung, wenn ihr schon einmal eine solche Frist auf fünf Jahre hinaus bis 1957 gesetzt ist, diese Frist bestimmt verstreichen lassen wird. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn sie nicht am Schluß noch mit einer Fristverlängerung daherkäme, wie wir das ja schon manchmal von seiten der Regierung erfahren haben. S o lange wollen Sie die Sache hinausziehen! Das ganze Gesetz wird ein Schlag ins Wasser sein, wenn Sie nicht rasch handeln, wenn Sie nicht den armen Leuten, die jetzt schon sechs und sieben Jahre lang gewartet haben, wenigstens binnen Jahresfrist wirklich unter die Arme greifen. Das aber tun Sie nicht, auf Grund der Fassung des § 269 nicht, auf Grund der Fassung des ganzen Gesetzestextes nicht. — Dieses Gesetz wird nichts anderes sein als eine Plantage für Prozesse sonder Zahl; das wird nichts anderes sein als eine Schaffung von Tausenden neuer Planstellen für die Ausgleichsämter, für die Verfassungsgerichte usw. D a s wird herauskommen bei diesem Gesetz, und das wird Gelder in einem Umfang fressen, den man hätte vermeiden können, wenn man von Anfang an mit einer klaren Systematik an dieses Gesetz herangegangen wäre. Wenn ich den Wust von über 400 Paragraphen durchschaue, sehe ich nur eine
Systematik, nämlich den geflissentlichen Versuch von ihnen, meine Herren von den Regierungsparteien, die wirklich großen Vermögen möglichst unbelastet zu lassen. Das ist die einzige Systematik, die ich in diesem ganzen Gesetz entdecken kann, und die Zukunft wird zeigen, daß ich damit recht habe.
— Ja, so zum Beispiel vor einigen Monaten, als ich sagte, ich wolle einen Besen fressen, wenn die Kohle nach Annahme des Schumanplanes billiger wird: Jetzt wird sie teurer!