Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unserem Antrag sind hier einige theoretische Argumente entgegengehalten worden, die einmal der Aufklärung bedürfen. Es ist davon gesprochen worden, daß diese Abgabe in Form einer verzinslichen Schuld aufgebaut sei und daß der Zinsenteil dieser Abgabe infolgedessen abzugsfähig sein müsse. Nun, ich will einmal gar nichts davon sagen, ob, wenn man das Wort „Zinsen" gebraucht, damit eo ipso ein geheiligter Anspruch auf Steuerabzugsfähigkeit gegeben ist. Die Abzugsfähigkeit von Zinsen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer beruht grundsätzlich auf dem Gedanken, daß das eine Einkommensübertragung ist auf jemanden, der sonst Einkommensteuer zahlt. Die Abzugsfähigkeit von Zinsen bei öffentlichen Abgaben, meine Herren, ist eine ganz andere Frage, auf die ich nachher noch zu sprechen komme.
Aber vor allen Dingen handelt es sich hier nicht um eine Abgabeschuld, die verzinslich in Raten fällig gestellt worden ist.
Wäre diese Abgabeschuld in der Form berechnet worden, dann wäre sie fällig am Währungsstichtag und verzinslich ab diesem Zeitpunkt zu normalen und landläufigen Zinsen.
Wenn Sie bereit sind, zu diesem System überzugehen, wir sind dreimal dazu bereit! Wir werden
ein viel besseres Aufkommen haben. So ist es hier
aber keineswegs. Diese Abgabeschuld ist verrentet, das steht im Gesetz und in der Begründung mehrfach ausdrücklich und klar drin. Schauen Sie sich einmal die Stellen im Gesetz an, in denen der Wert der Abgabeschuld berechnet wird! Ich wiederhole, der Begriff „Abgabeschuld" ist im Gesetz ein Rechenbegriff, der als Rechengrundlage dient für die sogenannten Jahresleistungen bzw. die jetzigen Vierteljahresleistungen. Diese Jahresleistungen werden in Prozenten eines Rechenbegriffs „Abgabeschuld" errechnet. Diese Jahresleistungen selbst sind aber die eigentliche Abgabe, und diese Abgabe ist eine Rente.
Ich bitte Sie, den § 69 anzusehen, in welchem der Zeitwert der Rente berechnet wird. Sie gehen dort nicht von der Abgabeschuld aus, sondern von der Summe der Jahresleistungen. Wären diese Jahresleistungen auch noch als Zinsen aufzufassen, so wäre es selbstverständlich unsinnig, zur Berechnung des Zeitwertes einer Abgabe oder einer Schuld die Zinsen zum Kapital zuzuschlagen und aus ihnen mit einen Zeitwert zu berechnen. In § 69 ist klar und deutlich gesagt, daß es sich um eine Rente handelt, deren Zeitwert berechnet wird. Würde man in § 69 so verfahren, wie man hier bei der Abzugsfähigkeit verfahren will, würde man natürlich weniger abzuziehen haben; man würde weniger Schulden, z. B. bei der Vermögensteuer oder wo das sonst in Frage kommt, abziehen. Dort rechnet man aber höher, und man rechnet insofern richtig, als es sich tatsächlich um eine Rente handelt und nicht um eine verzinsliche Kapitalschuld.
Genau dasselbe sehen Sie in § 242, wo — handelsrechtlich richtig — auf Grund der Gutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer usw. vorgeschrieben ist, wie diese Abgabe zu bilanzieren ist, wenn man sie bilanzieren will. Auch hier ist man eindeutig davon ausgegangen, daß es sich um eine Rentenleistung handelt, deren Zeitwert zu berechnen ist.
Ich wiederhole, es handelt sich in diesem Gesetz nicht um eine Abgabe, die in einen Kapitalbetrag und in Zinsbeträge aufgeteilt ist. Die sogenannte Abgabeschuld ist ein Rechenbegriff zur Errechnung der Jahresleistungen, die eine Rente darstellen, und diese Rente ist die Abgabe. Das ist klar und deutlich das System dieses Gesetzes. Wollen Sie — ich wiederhole auch das - von diesem klaren Aufbau zu etwas anderem übergehen, wollen Sie zu einer wirklichen Abgabeschuld, fällig gestellt auf den Währungsstichtag oder meinetwegen auf irgendeinen anderen Stichtag, mit einer normalen, landläufigen Verzinsung übergehen, — wir sind bereit. Aber . das ist hier nicht der Fall.
— Der landläufige Zinssatz liegt bei 61/2% und liegt teilweise sogar darüber, Herr Dr. Bucerius. — Oder glauben Sie nicht?
— Im allgemeinen kann man sogar mit 10 bis 12 % rechnen.
— Ganz richtig, das ist das landläufige.
Aber ich bin mit dem langfristigen Zins zufrieden. Sagen wir 61/2 %, Herr Dr. Bucerius!
Also nur in diesem Punkt, bei der in § 239 vorgesehenen Abzugsfähigkeit, wollen Sie nun plötzlich so tun, als sei das System des Gesetzes in der Abgabe ein ganz anderes. Da wollen Sie nun plötzlich so tun, als sei es keine verrentete Abgabe, sondern eine verzinsliche Abgabeschuld, und mit dieser Konstruktion, die dem wirklichen Aufbau des Gesetzes klar widerspricht, wollen Sie den Abgabepflichtigen 150 bis 200 Millionen sparen, indem Sie im Wege der Steuerabrechnung diesen Betrag auf den öffentlichen Haushalt, auf die Steuerzahler übernehmen.
Ein zweites. Selbst wenn das eine Abgabe wäre und selbst wenn das Zinsanteile wären, könnten Sie die Dinge doch gar nicht anders auffassen, als daß für das Hinausschieben der ratenweisen Zahlung dieser Abgabe Stundungszuschläge, Verzugszuschläge oder Stundungszinsen gerechnet werden.
- Selbstverständlich sind sie im Verzug. Wenn Sie es auf den Gesichtspunkt der Abgabeschuld, die verzinslich ist und ratenweise abgetragen wird, abstellen, sind die Leute selbstverständlich seit dem 21. Juni 1948 im Verzug.
Ich habe Ihnen — —
— Lieber Herr Dr. Bucerius, selbstverständlich ist bei einer solchen Berechnung die Schuld per 21. Juni 1948 zu berechnen
und ab da verzinslich zu stellen.
Ob Sie das mit Verzug oder sonstwie begründen, ist gleichgültig.
— Das ist aber wirklich gleichgültig!
Selbstverständlich müssen Sie, wenn Sie hier eine verzinsliche Abgabeschuld aufstellen, ab 21. Juni 1948 rechnen, und selbst wenn Sie nicht ab 21. Juni 1948 rechnen, selbst wenn Sie ab heute rechnen, handelt es sich für die künftigen Leistungen um Zinsen ab heute.
Schön! Aber wenn Sie, Herr Dr. Bucerius, diese Konstruktion, die Sie ausgerechnet wider das Gesetz in diesem Fall des § 239 zugrunde legen wollen — ich wiederhole: es ist nicht die Konstruktion des Gesetzes, sondern die Konstruktion des Gesetzes ist eine Verrentung der Abgabe, eine Abgabe in Form einer Rente —, nun anwenden wollen, so müssen Sie doch eines zugeben: Die Vermögensabgabe selbst, also die von Ihnen konstruierte Kapitalabgabe, ist zweifellos bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer nicht abzugsfähig. Seit wann aber, Herr Dr. Bucerius, sind Stundungszuschläge, Stundungszinsen usw. auf die Einkommensteuer oder auf die Körperschaftsteuer als Betriebsunkosten abzugsfähig? Die Zinsen auf eine nichtabzugsfähige Abgabe können doch nicht abgezogen werden, sondern sie teilen das Schicksal der Abgabe selbst. Also auch selbst bei Ihrer Hilfskonstruktion, die dem Gesetz widerspricht, ist
das eine ganz willkürliche Bestimmung, die Sie hier machen.
— Ganz klar und deutlich!
— Herr Dr. Bucerius, ich wollte Ihnen folgendes sagen: an und für sich sind Zinsen abzugsfähig, ganz gleich, was es für eine Schuld ist.
Stundungszinsen und Stundungszuschläge usw. auf eine nichtabzugsfähige Steuer sind aber nicht abzugsfähig.
— Die Vermögensabgabe, die Kapitalabgabe des Lastenausgleichs, Herr Kollege Neuburger, ist zweifellos nicht abzugsfähig, oder wenn Sie die auch noch abzugsfähig machen wollen, dann sagen Sie's gleich!
— Selbstverständlich!
— Herr Dr. Atzenroth, ich habe im Ausschuß mit allen Mitteln versucht, Ihnen das auszureden, was Sie hier gemacht haben, und wo ich meine Argumente vorbringe, ob hier oder im Ausschuß, das müssen Sie schon mir selber überlassen.
Die Öffentlichkeit soll es einmal hören!
— Die Öffentlichkeit soll es hören— oder vielleicht nicht?
Herr Dr. Atzenroth, wenn Sie mit Ihrem Wirtschaftssachverständnis mit mir in eine sachliche Debatte eintreten wollen, — gern und jederzeit. Ich habe allerdings nicht immer die Zeit, Ihnen im Ausschuß Vorlesungen zu halten, wenn ich einem absoluten Willen gegenüberstehe, sich überhaupt nicht auf Diskussionen einzulassen, und diesen Tatbestand können wir auch einmal hier im Plenum feststellen.
Meine Damen und Herren, alle Ihre Zwischenrufe können nichts dagegen sagen, daß erstens das hier in § 239 zum Zwecke der Überwälzung von Abgabeleistungen auf den Steuerhaushalt angewandte Konstruktionssystem dem Gesetz selbst widerspricht, das eine Verrentung der Abgabe vorsieht, und daß zweitens, selbst wenn die Konstruktion gegeben wäre, Stundungszuschläge — um nichts anderes kann es sich hier handeln — auf eine nicht abzugsfähige Steuer bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer nicht abgezogen werden können. So wie die Dinge liegen, ist es falsch, wenn in der Bilanz des Lastenausgleichs ein Aufkommen der Vermögensabgabe in Höhe von 1,2 Milliarden aufgeführt wird. Richtig müßte dastehen: eine Milliarde Aufkommen und weiterer Zuschuß von 200 Millionen der öffentlichen Hand aus dem Steuerhaushalt.
— Ich bin ja bereit, sie richtig zu fixieren, mit richtigen Zinssätzen, mit dieser Konstruktion; aber Sie können nicht auf der einen Seite die Verrentungskonstruktion im Gesetz in der Weise vorsehen, wie sie vorgesehen worden ist, indem die Renten nach der Leistungsfähigkeit einzelner Gewerbezweige und Vermögensarten festgesetzt worden sind — das alles hängt dann doch mit der Verrentung zusammen, und wenn Sie die Abgabe schon verrenten, dann müssen Sie auch daran festhalten —, und auf der andern Seite dann plötzlich wieder behaupten: Es ist keine Rente, sondern eine verzinsliche Abgabeschuld. Es ist die Überwälzung eines ganz erheblichen Teils der Vermögensabgabe auf den Steuerhaushalt. Ich verweise abermals auf meine Ausführungen von gestern und vorgestern, was für den Erfolg, für die Möglichkeiten der Annahme dieses Gesetzes derartige Überwälzungen zu bedeuten haben. Diese 200 Millionen werden wir den Abgabepflichtigen nicht aus dem Steuerhaushalt schenken!
In den letzten Wochen und in den letzten Tagen sind. offenbar große Worte über den Zusammenhang zwischen dem Verteidigungsbeitrag und dem Lastenausgleich geredet worden. Wie man hört, haben 50 000 oder mehr Leute vor einigen Tagen hier in Bonn den Worten zugejubelt, daß vor einem richtigen Lastenausgleich kein Verteidigungsbeitrag in Frage komme. Nun möchte ich eines sagen: wenn die Anforderungen, die von der einen und von der andern Seite an den öffentlichen Haushalt zu stellen sind, einigermaßen in Einklang gebracht werden sollen, ohne daß das ganze Gefüge der sozialen Leistungen und ohne daß der Haushalt selbst zusammenbricht, so kann man unmöglich auf diese Art und Weise den Steuerhaushalt mit Geschenken an die Abgabepflichtigen belasten. So geht es auf jeden Fall nicht. Ich bitte deswegen jedermann, daran zu denken, daß die Überlegungen sich hier nicht damit erschöpfen, nur die Aufkommensseite der Bilanz des Lastenausgleichs anzusehen, die freilich dadurch nicht berührt wird, sondern daß auch gesehen werden muß, woher dieses Aufkommen kommt. Ich bitte, sich daran zu erinnern, daß diese 150 bis 200 Millionen dann nicht von den Abgabepflichtigen, sondern durch die Umsatzsteuer, die Zuckersteuer, oder was sonst noch erhöht wird, aufgebracht werden, sich außerdem daran zu erinnern, daß Sie, wenn Sie es mit diesem Gesetz ernst meinen, die Voraussetzungen schaffen müssen, um das Gesetz samt den erforderlichen Verfassungsänderungen bei den gesetzgebenden Instanzen durchzubringen, und daß Sie deswegen auch hierzu Anstrengungen machen müssen.
Wir beantragen namentliche Abstimmung.