Rede von
Dr.
Harald
Koch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Beratungen der beiden letzten Tage haben wir wiederholt, insbesondere aus dem Munde meiner Fraktionsfreunde, von den Versuchen gehört, möglichst viel von der Lastenausgleichsabgabe von den eigentlichen Abgabepflichtigen, das heißt also von denen, die alles oder viel durch den Krieg und die Nachkriegszeit hindurch gerettet haben, auf die öffentliche Hand abzuwälzen. Herr Kollege Atzenroth hat sich sogar gerühmt, daß diese Versuche zu einem großen Teil dank seiner besonderen Tüchtigkeit im Ausschuß gelungen seien. Die öffentliche Hand und die Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, sind aber immer wieder die Steuerzahler, also immer wieder die letzten, die die Hunde beißen, und gerade in diesem Falle werden es vor allen Dingen auch diejenigen sein, denen wir durch dieses Gesetz etwas geben wollen. Ich darf Sie auf die Zahlen hinweisen, die gestern von dem Kollegen Seuffert ge-
nannt worden sind, auf die Zahlen, die schon so häufig in den Debatten um die Steuernovellen und um die Steuerreformen über das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern genannt wurden. Ich darf Sie nur daran erinnern, in welch einem Umfange in den letzten Jahren vor allem die wichtigste indirekte Steuer, die Umsatzsteuer, gestiegen ist. Ich möchte diese Zahlen einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen: Wir hatten 1949 ein Aufkommen an Umsatzsteuer in Höhe von 3,8 Milliarden DM, 1950 waren es schon 4,5 Milliarden DM. Dann erhöhten Sie die Umsatzsteuer. 1951 stieg das Umsatzsteueraufkommen auf 6,5 Milliarden DM. Diese Steuern werden aus den Taschen vor allem auch all derjenigen bezahlt, denen wir in diesem Lastenausgleich etwas geben wollen. Im Gegensatz zur Umsatzsteuer ist die Einkommensteuer sozial gestaffelt, und ich glaube, wir sollten — und damit komme ich zu § 239 — alles unterlassen, was dazu führen könnte, daß nun die Einkommensteuer als eine sozial gestaffelte Steuer beim Lastenausgleich irgendwelche, ich darf mich wohl so ausdrücken: Ermäßigungen erfährt. Wir finden nämlich in § 239 die Vorschrift, daß die Vierteljahrsbeträge der Vermögensabgabe bei dem jeweiligen Abgabeschuldner für die Zwecke der Einkommensteuer als Sonderausgaben, für die Zwecke der Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben zu einem Drittel abzuziehen sind. Die Begründung, die wir im schriftlichen Bericht dazu lesen — daß man einen Satz von einem Drittel gewählt habe, weil man davon ausgehen könne, daß ein Drittel als Zinsen anzusehen seien und die Zinsen an sich ja bei Einkommen- und Körperschaftsteuer auch sonst abzugsfähig sind, sei es als Werbungskosten, sei es als Betriebsausgaben oder als Sonderausgaben —, ich glaube, diese Begründung verfängt nicht. Denn wenn wir diese Vermögensabgabe auf lange Zeit verteilen — auf einen sehr langen Zeitraum! —, so entstehen dadurch dem Steuerpflichtigen an sich schon erhebliche Vorteile, zu denen wir die Abzugsfähigkeit bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, glaube ich, nicht mehr hinzuzufügen brauchen.
Die Folge dieser Abzugsfähigkeit wird eine erhebliche Minderung der Einkommensteuer und damit eine Verfälschung des Gedankens der Vermögensabgabe sein, es sei denn, daß man, wie Herr Kollegen Atzenroth, auf dem Standpunkt steht, daß die Lastenausgleichsabgaben — wie man sie auch immer nennen mag — aus dem Ertrag zu zahlen sind.
Meine Damen und Herren, seit langem sprechen wir vom Lastenausgleich. Seit Jahren hoffen die Geschädigten aller Gruppen auf den Lastenausgleich. In aller dieser Zeit ist man doch davon ausgegangen, daß der Lastenausgleich eine Angelegenheit ist zwischen denen, die viel oder auch alles verloren haben, und denen, die viel oder alles behalten haben; aber wir sind niemals davon ausgegangen, daß ein erheblicher Teil des Lastenausgleichs, so wie es jetzt die Regierungsparteien erzwingen, von der öffentlichen Hand getragen werden soll, das heißt also auch von denen, die vieles oder alles verloren haben. Die Zusammenstellungen über die Beteiligung der öffentlichen Hand an den Lastenausgleichsabgaben, die Sie im schriftlichen Bericht finden — ich verweise auf die Seite 6 —, sprechen eine beredte Sprache. Ich darf auch auf die Ausführungen meiner Fraktionsfreunde vom gestrigen Tage verweisen, daß eine derartige Abwälzung in erster Linie die Steuerzahler und damit die Bedürftigen trifft.
Ich bitte Sie, zu entschuldigen, aber ich glaube, man darf sagen, daß der Gedanke — der ursprüngliche klare und anständige Gedanke — des Lastenausgleichs umgebogen und geradezu verlogen wird.
Meine Damen und Herren, Sie alle kennen Thornton Wilder und sein prächtiges Stück: „Wir sind noch einmal davongekommen". Ich will nicht gerade sagen, daß dies ein Motto für dieses Gesetz wäre; aber ich möchte Sie an einen Satz erinnern, den der Held dieses Stückes, Mr. Antrobus, im Verlauf des Stückes spricht: „Im Kriege denken wir immer an eine bessere Zeit und an eine bessere Welt und im Frieden dann immer nur an eine bequemere." Ich glaube, die Wahrheit dieses Wortes kann man beweisen durch die traurige Geschichte des Werdens dieses Lastenausgleichsgesetzes.
Auch die Bestimmung des § 239, meine Damen und Herren, ist nicht eine bessere Lösung, sondern sie ist ausschließlich eine bequemere Lösung zugunsten der Abgabepflichtigen: die Abgabepflicht möglichst weit weg von mir und zu einem Teil abgewälzt auf den Staat und die Länder, denen hier Belastungen zugemutet werden, die an sich die Abgabepflichtigen zu tragen hätten.
Aus allen diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Antrage zu § 239, den Sie unter Ziffer 15 des Umdrucks Nr. 492 finden, zuzustimmen. Wir sagen da:
Die Vierteljahrsbeträge der Vermögensabgabe einschließlich der Leistungen, die im Falle der sofortigen Fälligkeit der Abgabeschuld .... und im Falle der Ablösung .... entrichtet werden, sind bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht abzugsfähig.
Diese Formulierung entspricht dem Gedanken des
Lastenausgleichs, wie er uns allen — auch Ihnen!
— vor einigen Jahren noch vorgeschwebt hat, und
ist die bessere Lösung und nicht die bequemere.