Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Änderungsantrag, für den ich gleich eine neue Änderung ankündigen möchte, handelt es sich um den Fragenkomplex der Eingliederung jenes Teils der Heimatvertriebenen, der der bäuerlichen Bevölkerung angehört, der also in die Landwirtschaft eingegliedert werden und sich dort möglichst eine eigene Existenz schaffen soll.
Mit diesem Problem hat sich der Unterausschuß 3 des Heimatvertriebenenausschusses befaßt, der ja die Aufgabe hat, diesen Fragenkomplex der Eingliederung der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu klären. Zu den sehr eingehenden Beratungen dieses Unterausschusses sind auch' Vertreter aller Fraktionen des Ernährungsausschusses hinzugezogen worden, so daß sowohl von Oppositionswie von Regierungsseite Vertreter anwesend waren. Wir haben uns in sehr langen Verhandlungen mit diesem Problem befaßt und sind — Opposition und Regierung — zu einheitlichen Formulierungen gekommen. Es war vorgesehen, daß auch einige Mitglieder des Lastenausgleichsausschusses bestimmt werden sollten — Herr Kollege Kunze, ich würde Sie bitten, jetzt ein bißchen aufzupassen! —,
um den Fragenkomplex gemeinsam mit den Vertretern des Lastenausgleichsausschusses und dieses gemeinsamen Unterausschusses der Heimatvertriebenen und des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu beraten und diesen Fragenkomplex zu klären. Wir, die Unterschreibenden des fraglichen Antrags, haben bewußt den Punkt 10 des Umdrucks Nr. 496, der sich auf § 229 bezieht, zurückgezogen, und wir nehmen bewußt die Formulierungen in Punkt 1 und 2 wieder auf, wie sie in dem gemeinsamen Unterausschuß erarbeitet worden sind. Es ist leider aus Zeitmangel nicht mehr dazu gekommen, daß die Vertreter des Lastenausgleichsausschusses auch wirklich an den Beratungen des Unterausschusses teilnahmen. Wahrscheinlich sind unsere Vorschläge dem Lastenausgleichsausschuß etwas zu spät unterbreitet worden.
Sinngemäß geht es also jetzt darum — und das ist ein interessanter Fall —, daß die Betroffenen selbst bewußt der Abgabeseite Vorteile einräumen wollen, damit wir in diesem schwierigen Teil des Vertriebenenkomplexes vorwärtskommen. Wir sind uns vollkommen darüber im klaren, daß die Eingliederung der bäuerlichen Bevölkerung aus den Kreisen der Heimatvertriebenen in die Landwirtschaft nicht lange auf sich warten lassen kann. Je länger wir warten, desto mehr Leute aus diesen Kreisen wandern in andere Berufe ab. Wir sind uns darüber 'im klaren, daß, wenn eines Tages das Problem der Rückgewinnung der Ostgebiete oder irgendwelcher anderer Gebiete kommt, wir wahrscheinlich sehr schwer damit zu tun haben werden, daß wir dann keine bäuerliche Bevölkerung mehr haben.
Wenn wir also auch schon den Lastenausgleich auf 30 Jahre verteilen, so vertreten wir den Standpunkt, daß bei dieser Gruppe der Heimatvertriebenen in den ersten drei bis fünf Jahren Entscheidendes geschehen muß. Wir müssen zugeben, daß wir diesem Fragenkomplex bisher nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt haben. Von den rund 300 000 ehemaligen Bauern sind nur rund 10 % eingegliedert, davon hat aber vielleicht nur ein Drittel Vollerwerbsstellen erhalten. Der größere Teil ist auf Aufbauhöfen oder Nebenerwerbsstellen, wie wir sie nennen, untergekommen.
Wir wissen, daß bisher seitens des Parlaments für diese Zwecke nur einmal ein sogenannter Erinnerungsposten von 5 Millionen DM im Etat des Landwirtschaftsministeriums eingesetzt worden ist. Die anderen Beträge kamen aus ERP- und Soforthilfemitteln. Wir glauben nicht, daß das ausreicht, was bisher geschehen ist. Im wesentlichen ist für die Lösung dieses Problems die Erfüllung von zwei
Voraussetzungen Bedingung. Erstens gehört Land dazu, und zweitens gehört genügend Geld dazu. Der von uns gestellte Änderungsantrag soll das erste dieser beiden Probleme lösen, damit wir der Abgabenseite einen Anreiz geben, möglichst schon in den ersten Jahren genügend Land zur Verfügung 'zu stellen. Wir als Heimatvertriebene gehen mit Absicht weiter als die bisherige Gesetzesvorlage. Wir wollen auch das bodenreformpflichtige Land einbeziehen. Wir haben gar nichts dagegen, daß die Besitzer irgendwelche Vorteile daraus haben werden. Mit den Einzelheiten muß sich sowieso noch eine Rechtsverordnung befassen. Wir haben also nichts dagegen, daß das bodenreformpflichtige Land auf das Soll angerechnet wird. Ich möchte nochmals betonen, daß die Formulierung in gemeinsamen Ausschüssen mit Vertretern sowohl des Ernährungsministeriums als auch des Flüchtlings- und des Finanzministeriums sehr eingehend durchberaten worden ist und daß sich Opposition und Regierung auf diese Formulierung geeinigt haben. Ich glaube, daß die Regierungskoalition gerade in diesem Fall wirklich von ihrer Festlegung, keinen Änderungsanträgen zuzustimmen, Abstand nehmen sollte; denn es liegt hier, wie ich schon gesagt habe, der merkwürdige Fall vor, daß die Betroffenen bewußt verzichten und mit einem geringeren Aufkommen 'zufrieden sind, und zwar nur deswegen, damit sie in den ersten Jahren zum Zuge kommen.
Der Antrag ist im wesentlichen derselbe wie der auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 10. Dort haben wir drei Punkte. Die ersten zwei Punkte sind geändert, und der dritte Punkt ist wortwörtlich derselbe. Die ersten zwei Punkte sind genau die Formulierung, wie sie im Flüchtlingsausschuß und im gemeinsamen Unterausschuß des Flüchtlingsausschusses und vom Ernährungsausschuß festgelegt worden sind. Ich möchte vorneweg sagen, daß wir eine getrennte Abstimmung über die Punkte 1 und 2 und über Punkt 3 wünschen.
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 496 Ziffer 10 wird zurückgezogen. An Stelle dessen wird folgender neuer Antrag gestellt:
In § 229 wird Abs. 2 durch folgende neue Absätze 2 und 3 ersetzt:
Zur Förderung von Vorhaben, die der Eingliederung Geschädigter im Sinne des § 277 Abs. 1 in die Landwirtschaft dienen, können Ausgleichsabgaben dadurch abgelöst werden, daß für die Siedlung geeignete Grundstücke,
Betriebe oder Betriebsteile, auch wenn sie der Bodenreform unterliegen,
— und das ist das Neue —
zugunsten des Ausgleichsfonds abgegeben werden.
Durch Rechtsverordnung wird Näheres darüber bestimmt,
1. in welcher Weise und bis zu welchem Zeitpunkt die Ablösung der Ausgleichsabgaben durch Hingabe von Grundstücken, Betrieben oder Betriebsteilen für die Siedlung nach Abs. 2 erfolgen kann, wobei auch eine von § 228 abweichende Regelung zulässig ist;
2. daß die zur Ablösung von Ausgleichsabgaben abgegebenen, der Bodenreform unterliegenden Grundstücke auf das nach den Bodenreformgesetzen bestehende Landabgabe-Soll anzurechnen sind und daß durch die Einleitung eines Landabgabeverfahrens auf Grund der Bodenreformgesetze die Ablösung von Ausgleichsabgaben auf Grund von Abs. 2 nicht ausgeschlossen wird;
Jetzt kommt Ziffer 3, von der ich zunächst behaupte, daß sie nicht in dieser gemeinsamen Formulierung des Unterausschusses enthalten, sondern neu ist, so daß wir getrennt darüber abzustimmen bitten. Hier handelt es sich um die Ödländereien. Ich gestehe, daß wir einen gewissen Zwang dahin ausüben wollen, daß Ländereien, die seit Jahrzehnten als Ödländereien gelten, also der landwirtschaftlichen Produktion nicht zur Verfügung stenen, von ihren Besitzern für den Lastenausgleichsfonds, natürlich unter Anrechnung auf ihre Abgabeschuld, angeboren werden. Wir wollen auch hier wieder Ländereien, soweit uns finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, zur Neusiedlung verwenden. Diese Ziffer 3 lautet:
3. daß die Jahresleistungen der Vermögensabgabe erhöht werden konnen, sofern zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen des Abgabepflichtigen Odländereien gehören und der Abgabepflichtige diese nicht dem Ausgleichsfonds erfüllungshalber anbietet.
Ein jeder kann und soll sie anbieten, zu seinem eigenen Vorteil. Denn er hat ja keinen Nutzen von ihnen. Die Abgabe wird ihm angerechnet. Die Empfängerseite hat die Möglichkeit, diese Ländereien vernünftiger Verwendung zuzuführen.
Wir werden uns mit diesem Fragenkomplex bei der Beratung des Bundesvertriebenengesetzes sehr eingehend auseinanderzusetzen haben, weil ja dort die Eingliederung auch in die Landwirtschaft einen wesentlichen Bestandteil bilden wird. Aber ein Teil dieses Fragenkomplexes gehört in den Lastenausgleich. Wenn die Geschädigten, die Empfängerseite, selber von sich aus solche Vorteile anbieten, und vor allem, wenn sich die Betroffenen, die etwas zu empfangen haben, unter sich darüber einig sind, wie sie diesen kleinen Kuchen, der zur Verfügung steht, unter sich verteilen wollen, so würden wir kein Verständnis dafür haben, wenn Sie einem solchen Änderungsantrag, der keine neue Belastung, sondern im Gegenteil sogar eine geringere bedeutet, nicht zustimmten. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.