Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ausschuß wie im Plenum dieses Hauses sind zu dem Lastenausgleichsgesetz Anträge aus allen möglichen interessierten Kreisen und Schichten gestellt worden, weil in allen Schichten der Bevölkerung bei der Gestaltung vor allem der Abgabenseite des Gesetzes nach dieser oder jener Richtung hin Interessen bestehen. So kamen hier zur Geltung landwirtschaftliche Interessen, Arbeitnehmerinteressen, Mittelstandsinteressen, Hausbesitzerinteressen, Aktienbesitzerinteressen usw. usw. Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß wir bei der Behandlung dieses Gesetzes ein Anliegen haben, das über allen Interessengegensätzen der einzelnen Berufsschichten steht, nämlich das Anliegen des Schutzes und der Förderung der deutschen Familie.
Ich glaube, die Vereinbarung, die zwischen den Koalitionsparteien des Hauses dahin getroffen ist, in Fragen, bei denen Interessengegensätze einander gegenüberstehen, hier keine abweichenden Anträge zu stellen, braucht für das Anliegen des Schutzes und der Förderung der deutschen Familie nicht zu gelten; denn es handelt sich dabei um ein gemeinsames Anliegen des ganzen Hauses, das zudem im Grundgesetz als besonders förderungswürdig herausgestellt ist.
Meine Damen und Herren, wir haben auf der Empfängerseite dieses Gesetzes dem Familiengedanken in verschiedener Weise durch entsprechende Zuschläge Rechnung getragen, so bei der Unterhaltshilfe, bei der Entschädigungsrente und nicht zuletzt auch bei der Hausratentschädigung. Auf der Abgabenseite hingegen ist das, was im jetzigen Ausschußentwurf vorgesehen ist, hinter den ursprünglichen Absichten weit zurückgeblieben, die insbesondere bei meinen politischen Freunden in dieser Frage bestanden haben, so daß effektiv etwas Wirksames in dieser Richtung nicht geschehen ist.
Man wird den Einwand erheben, daß die Lastenausgleichsabgaben Realabgaben seien, die sich für eine Berücksichtigung des Familienstandes oder der sozialen Verhältnisse des Abgabepflichtigen nicht eigneten. Ich muß mich gegen diesen Einwand wenden, weil wir angesichts des Ausmaßes der Abgaben allen Anlaß haben, auch auf der Abgabenseite diese Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Im
übrigen hat sich der Ausschuß im Grunde ja auch bereits für den Gedanken der Familienermäßigungen ausgesprochen, allerdings in so geringfügigem Ausmaß, daß von einem ernsten Willen, hier Maßgebliches zu tun, nicht die Rede sein kann. Ich glaube, das ganze Haus wird doch den Satz unterstreichen, daß die Vermögen der Familien — j eden-falls in dem Rahmen, wie wir überhaupt Ermäßigungen geben, bis zur Höhe von 25- bis 35 000 DM — schonungsbedürftiger sind als die Vermögen der Einzelnen oder der Kinderlosen. Ich weise in diesem Zusammenhang erneut auf Art. 6 unseres Grundgesetzes hin, demzufolge die „Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" steht.
Wie hat nun der Ausschuß diese Dinge berücksichtigt? Im Ergebnis kommt die Ausschußvorlage - jetzt einmal von der technischen Durchführung abgesehen; es ist technisch etwas anders gestaltet — darauf hinaus, daß der grundsätzliche Freibetrag von 5000 DM für die Frau und für jedes Kind, das noch im Unterhalt der Eltern steht, um je 500 DM erhöht wird. Diese Regelung haben wir als einziges Land der deutschen Bundesrepublik im Lande Rheinland-Pfalz bereits bei der Soforthilfe getroffen, in der Absicht, hiermit einmal einen Ansatzpunkt dafür zu geben und eine Richtung zu weisen, wie beim endgültigen Lastenausgleich die Berücksichtigung der Familien geregelt werden kann. Wir waren uns aber in Rheinland-Pfalz voll und ganz darüber klar, daß dieser zusätzliche Freibetrag von 500 DM dem Anliegen, um das es geht, in keiner Weise ausreichend Rechnung trägt und daß bei dem endgültigen Lastenausgleich unter allen Umständen mindestens eine Erhöhung des Freibetrags auf 1000 DM je Kind notwendig sei.
Kein echt sozial denkender Mensch wird bestreiten, daß der Satz von 2,50 DM vierteljährlicher Ermäßigung für die Frau und für jedes Kind dem Anliegen nicht angemessen ist, um das es uns hier geht. Wir müssen bei einem so wichtigen Gesetz wie diesem wie bei manchen anderen Gesetzen auch; ich glaube, wir vergessen dieses Anliegen der Familie in diesem Hause zu leicht und zu oft unter dem Druck der Interessengegensätze in anderen Punkten —
dem Familiengedanken grundsätzlich mehr Rechnung tragen. Unser Antrag geht dahin, diesen Freibetrag — nun wahrlich ganz bescheiden! — von 500 DM auf 1000 DM je Kind zu erhöhen, so daß der Ermäßigungssatz sich vierteljährlich auf 5 DM statt 2,50 DM beläuft.
Andererseits müssen wir uns darüber klar sein, daß — insbesondere von Angehörigen einer Regierungspartei — kein Antrag in diesem Sinne eingebracht werden kann, der nicht gleichzeitig sicherstellt, daß keine Ausfälle im Ertrag eintreten. Wir müssen natürlich für den Ausfall, der durch die Erhöhung der Freibeträge für die Kinder entsteht, einen Ausgleich schaffen. Den Ausgleich schlagen wir in unserem Antrag in der Form vor, daß wir auf eine Erhöhung des Freibetrags von 5000 DM in allen den Fällen verzichten, in denen keine unterhaltsberechtigten Kinder vorhanden sind, so daß also der einzelne und das alleinstehende Ehepaar einen Freibetrag von 5000 DM hat, der sich dann je unterhaltspflichtiges Kind um 1000 DM erhöht.
In der praktischen Auswirkung würden die Dinge dann wie folgt aussehen. Nach der Ausschußvor-
Lage war der Freibetrag bei einem Ehepaar mit einem Kind 6000 DM, nach unserem Vorschlag wiederum 6000 DM, bei zwei Kindern nach dem Ausschußvorschlag 6500 DM, nach unserem jetzigen Vorschlag 7000 DM, bei drei Kindern statt 7000 künftig 8000 DM, bei vier Kindern statt 7500 künftig 9000 DM und bei fünf Kindern statt bisher 8000 künftig 10 000 DM, — keine allzu große Differenz, aber immerhin eine Differenz, die die Wertung der Familie und vor allem der größeren Familie wirksamer zur Geltung kommen läßt. Dieses Ziel erreichen wir ausschließlich dadurch, daß wir dem kinderlosen Ehepaar statt eines bisherigen Freibetrags von 5500 DM einen Freibetrag von 5000 DM geben. Was also bei den sehr zahlreichen Ehepaaren, die nicht mehr für Kinder zu sorgen haben, nach unserem Vorschlag weniger ermäßigt wird, wird bei den Familien mit Kindern doppelt ermäßigt. Das erscheint uns sozial gerechter im Sinne des Familiengedankens.
Wenn man nun fragt: stimmt denn dieser Deckungsvorschlag, geht diese Rechnung auf, wenn wir bei den Kinderlosen die 500 DM nicht geben und für Kinder 1000 DM geben?, so können wir ohne weiteres nachweisen, daß die Rechnung aufgeht, ohne daß der Ertrag aus dem Gesetz gefährdet wird. Denn wir haben etwa 15 bis 16 Millionen Kinder unter 20 Jahren in der Bundesrepublik und etwa 21 Millionen zusammenlebende Ehepaare, d. h. wenn wir in vier Fällen 500 DM weniger Ermäßigung geben, geben wir dafür in drei Fällen für die Kinder 500 DM mehr Ermäßigung. In dieser Regelung steckt also sogar noch eine erhebliche Reserve zum Ausgleich etwaiger Unsicherheiten in dieser Rechnung. Ich glaube also nicht, daß man von der Ertragseite des Lastenausgleichsgesetzes irgendwelche Bedenken gegen diesen Vorschlag geltend machen kann.
Man könnte den Ausgleich für die Mehrermäßigung zugunsten der Kinder auch in der Weise vornehmen, daß man den 5000-DM-Freibetrag auf 4000 DM generell herabsetzt und dann auch für die Ehefrau diese 1000 DM beläßt. Ich hatte aber Bedenken, den Antrag in diesem Sinne zu formulieren, weil ich nicht glaube, daß das Haus bereit sein wird, den grundsätzlichen Freibetrag von 5000 DM unter die bisherige Grenze zu senken. Wir dürfen uns aber notfalls für die dritte Lesung die Einreichung einer entsprechenden Formulierung vorbehalten.
Damit habe ich das Wesentliche zur Begründung des gestellten Antrags gesagt. Ich meine, es sollte unser aller gemeinsames Anliegen sein, dem Gedanken der Familie und der Förderung und des Schutzes der Familie und ihres Eigentums zumindest in der beantragten Weise Rechnung zu tragen.
Eine Verständigung und eine Mehrheit im Hause für diesen Antrag sollte nun nicht daran scheitern, daß man davor Angst hat, ein Abweichen von der Ausschußvorlage -in diesem Falle würde von anderen Mitgliedern des Hauses als Berufungsfall mißbraucht werden, um in anderen Fällen, wo es sich um Interessen ganz anderer Art handelt, nun ebenfalls Anträge durchzudrücken. Wenn gesagt wird, man wolle auch diesen Antrag einer späteren Beschlußfassung anläßlich einer Novelle vorbehalten,
so kann ich nur darauf antworten: ich habe nicht den mindesten Zweifel daran, daß es dann für diese Dinge zu spät sein wird.
Wenn wir nämlich einmal die Veranlagung in Gang gesetzt haben und auf der bisherigen Basis ein Teil der Veranlagungen vorgenommen ist, dann wird uns die Verwaltung antworten: diese zusätzliche Verwaltungsarbeit, den größten Teil der bisher bearbeiteten Anträge nochmals neu zu bearbeiten, kann man uns nicht zumuten!, und dann wird dieses Anliegen, um das es uns geht, endgültig zum Tode verurteilt sein.
— Ich habe Sie leider nicht verstanden, Herr Kollege. Ich habe mich hier lediglich dazu geäußert, ob die s e s Anliegen in der Novelle zweckmäßig geregelt werden kann oder nicht.
Meine Damen und Herren, wenn in der Erklärung der Regierungsparteien gesagt worden ist, daß das Gesetzeswerk ein einheitliches Ganzes bilde und Änderungen eines Teiles zwangsläufig das Ganze beeinflußten und in ihrer Folge zu Änderungen auch anderer Abschnitte der Vorlage zwängen, so trifft diese Begründung auf unseren Antrag in keiner Weise zu, weil durch ihn eine in sich geschlossene Angelegenheit lediglich gerechter und sozialer geregelt wird.
Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, der ehrlichen Hoffnung,
daß die Behandlung der Frage der Förderung und des Schutzes der deutschen Familie sich in diesem Hause nicht in Proklamationen und Verfassungsgrundsätzen erschöpft, sondern daß das Haus, wenn es wirklich einmal darum geht, zu zeigen, daß wir in dieser Hinsicht in der Förderung der rechten sozialen Grundstruktur unseres Volkes, ernsten Willens sind, auch zu einer wirklichen Tat bereit ist. In diesem Sinne bitte ich, dem gestellten Antrage zu entsprechen.