Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Farke hat schon recht: das ist ein sehr entscheidender Punkt im Gesetz! Ich muß mich allerdings über einiges wundern. Wir verteidigen hier als Opposition eine Re-
gierungsvorlage! Was sagt denn die Regierung zu ihrer Vorlage? Soll es eigentlich immer so bleiben, daß die Regierung bei der Beratung dieses Gesetzes in dieser Weise vertreten ist und, soweit sie überhaupt vertreten ist, in dieser schweigsamen Weise vertreten ist?
Wir haben hier eine Regierungsvorlage, und ich glaube, die Regierung hätte uns etwas darüber zu sagen, warum sie diese Vorlage gemacht hat.
Ich wundere mich auch, wo die Stellungnahme der Geschädigten und Vertriebenen ist. Ich wundere mich, wo die Stellungnahme derjenigen Leute ist, die doch hoffentlich
— eben, darauf möchte ich zurückkommen! — nicht nur jene Geschädigten und Vertriebenen vertreten, welche noch Vermögen in großem Umfange zurückbehalten haben. Denn, Herr Kollege Farke, es war eine sehr interessante und sehr aufschlußreiche Erklärung, wenn Sie gesagt haben, Abgabepflichtige auf der einen und Geschädigte auf der andern Seite seien Äpfel und Birnen, die man nicht miteinander vergleichen könne. Herr Kollege Farke, Geschädigte sind Geschädigte, und es ist nicht so, daß die Geschädigten, die noch Vermögen zurückbehalten haben — und wir sprechen hier ja von Vermögen über 150 000 DM, von Vermögen von 500 000 DM und von mehreren Millionen —, Äpfel sind und die anderen Geschädigten Birnen.
— Darum handelt es sich nicht? — Sie müssen zunächst einmal die Geschädigten miteinander vergleichen und können nicht sagen: die Abgabepflichtigen — diejenigen, die Vermögen haben — sind eine Kategorie; mit der kann man niemand anders vergleichen.
Herr Kollege Farke, Sie haben einige, ich muß schon sagen, belustigende Ausführungen darüber gemacht, ob diese hundert Millionen, von denen da die Rede ist, zur Abgabe und zur Bilanz gehören oder nicht. Daß die hundert Millionen bei der Bilanzberechnung abgezogen worden sind, ist richtig. Aber nebenbei waren das hundert Millionen, die berechnet worden sind für den Regierungsentwurf und für unseren Antrag und nicht für die Anträge, die hier im Gesetz stehen.
— Die hundert Millionen waren für unseren Entwurf berechnet.
— Auf den Plafond werde ich zu sprechen kommen. — Jedenfalls steht es nirgends geschrieben, daß die Bilanz des Lastenausgleichs auf 2,1 oder 2,2 Milliarden DM im Gesetz beschränkt ist. Was man davon abzieht, geht von der Bilanz ab. Das ist klar und deutlich.
Aber ich will Ihnen noch einmal sagen, Herr Farke: diese Unterschiede zwischen Abgabepflichtigen, die vielleicht auch Schäden erlitten haben, und Geschädigten, die kein Vermögen mehr übrig haben, die sollten Sie etwas klarer durchdenken; und dazu möchte ich gern auch einmal die Vertreter der Vertriebenen wirklich hören. Denn was ist denn hier? Sind Sie sich eigentlich klar darüber, was Sie hier machen?
Ich greife einen Fall heraus, und zwar absichtlich keinen krassen Fall; man könnte noch viel krassere Fälle konstruieren. Ich greife einen Mann heraus mit 400 000 DM abgabepflichtigem Vermögen. Ich nehme an, daß er das Doppelte verloren hat. Schadenspunktzahl: 200 %. Er hat 800 000 DM verloren, und er bekommt dafür durch Minderung seiner Abgabe als Entschädigung sofort 80 000 DM.
— Und wenn er die Abgabe heute ablöst und wenn er die Abgabe heute berechnet?
Die Abgabe wird um 80 000 DM gemindert. Wann können Sie und in welcher Höhe können Sie bei jemanden, der 800 000 DM verloren hat, eine solche Entschädigung auszahlen? — Sehen Sie, das sind nicht Äpfel und Birnen, sondern das sind Geschädigte und Geschädigte, und gegen diesen Unterschied zwischen Geschädigten mit Restvermögen und Geschädigten ohne Restvermögen, gegen diesen Unterschied in dieser Höhe wenden wir uns.
— Ach nein! Steht denn darin, daß es um Betriebe geht?
— Ach nein: „nur Betriebe können Kriegsgeschädigte sein"? Das wollen wir mal den kriegsgeschädigten Hausbesitzern erzählen! Für die Hausbesitzer ist ja bei unseren Anträgen, die bis zu 150 000 DM gehen, reichlich gesorgt. Sprechen Sie von den Betrieben, gut; aber sehen Sie sich einmal die D-Mark-Bilanzen an und sehen Sie sich das an, was heute in diesem Hause schon festgestellt worden ist: daß die Kriegsschäden der Betriebe inzwischen aufgeholt sind und vorher schon aufgeholt waren.
Aber, Herr Farke, glauben Sie denn wirklich, daß jemand ein Verständnis dafür hat, daß ein Mann mit einem Vermögen von 200 000, 300 000, 400 000 DM und noch mehr, bis in die Millionen — Sie haben keine Begrenzung nach oben hin vorgesehen — überhaupt noch einem wirklich Geschädigten, einem Totalgeschädigten, einem Heimatvertriebenen sagen kann: „Bei diesem Vermögen beanspruche ich noch eine Ermäßigung, weil ich den und den Schaden gehabt habe, weil ich früher noch mehr Vermögen gehabt habe!"? Meine Damen und Herren, es ist nicht sehr schlimm, von zwei Millionen eine zu verlieren; es ist weitaus schlimmer, von 50 000 Mark 10 000 Mark zu verlieren. Das machen Sie einmal den Leuten klar, daß bei diesem Vermögen, unbegrenzt in der Höhe, ein Anspruch auf Ermäßigung der Abgabe überhaupt noch gerechtfertigt ist. Keiner dieser Betriebe, Herr Kollege Farke, das wage ich auszusprechen, ist heute nicht lebensfähig oder wäre nicht lebensfähig, wenn diese Ermäßigung nicht in Anspruch genommen wird.
Nun noch ein Wort zu Abs.4, zu dem „Plafond", wie Sie ihn freundlicherweise nennen, Herr Farke. Die Föderalistische Union hat beantragt, diesen Abs. 4 als unsinnig zu streichen. Ich muß sagen, daß es außerordentlich schwer fällt, diesem Antrag
entgegenzutreten; denn dieser Abs. 4 ist wirklich eine undurchführbare, in einem Gesetz geradezu deplacierte Bestimmung und ist eine Augenauswischerei. Ganz abgesehen davon, daß Sie ja gar nicht die Rechenmaschinen erfinden können, die feststellen, ob die Ermäßigungen auf Grund dieser Bestimmung hundert Millionen DM jährlich oder so etwas erreichen, werden Sie niemals, wenn einmal die Ermäßigungen gewährt sind, das in den Lastenausgleich zurückholen können, was Ihnen da verlorengegangen ist. Oder wollen Sie das vielleicht nachzahlen lassen? Liegt das im Interesse der Wirtschaft?
Trotzdem, meine Damen und Herren, trotz dieser unmöglichen Form des Abs. 4 können wir dem Antrag nicht zustimmen, denn sie bietet immerhin noch die letzte, wenn auch verzweifelte Möglichkeit, daß man sich auf den Unfug dieser Gesetzesfassung eines Tages noch einmal besinnt.
Ich weiß nicht, ob eine Stellungnahme der Geschädigten, die nicht an solchen Dingen hier interessiert sind, inzwischen angekündigt worden ist. Ich weiß auch nicht, ob eine Stellungnahme der Regierung angekündigt ist. Aber ich möchte doch hoffen, daß die Antwort auf diesen Standpunkt: „Leute, die Vermögen haben, sind Äpfel, und Leute, die geschädigt worden sind, sind Birnen!",
einmal richtig gegeben wird.