Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade der § 38 wird am deutlichsten zeigen, wie hypothetisch manche Regelungen getroffen werden mußten und wie notwendig es ist, erst einmal Erfahrungen zu sammeln, um dann durch eine Novelle zu einer richtigen Regelung zu kommen.
Um was geht es im 38? — Um eines der wichtigsten Probleme, nämlich um die Berücksichtigung von Kriegsschäden, um die Saldierung. Es ist richtig, daß die Betriebsinhaber, die große Kriegsschäden erlitten haben, die bis zu 400 und 500 % gehen, oder daß die Hausbesitzer, deren Schäden ebenfalls zu solch hohen Prozentsätzen gehen, es nicht verstehen können, daß sie 400 bis 500 % verloren haben — oder anders ausgedrückt: vom Gesamtwert aus 80 % ihres bisherigen Besitzes — und nun noch mit einer 50 %igen Abgabe des Restes herangezogen werden sollen.
Wenn wir das so regeln, dann ist es aber doch wohl selbstverständlich, daß wir bei dieser Regelung, die eine ungeheure Ungerechtigkeit in sich birgt, den Kriegsschaden berücksichtigen. Wenn ich heute einen Betrieb habe, der einen Betriebswert von 100 000 DM darstellt und keinerlei Schäden erlitten hat, so ist es berechtigt — und so bestimmt es auch das Gesetz —, daß ich davon eine 50 %ige Abgabe leiste. Daneben habe ich nun aber einen
Betrieb, der jetzt auch einen Betriebswert von 100 000 DM darstellt, der aber 400°A verloren hat, also vorher einen Betriebswert von 500 000 DM darstellte. Dieser Betrieb muß jetzt von den 100 000 DM, die er in seinem Wert noch darstellt, ebenso wie der andere, der nicht von einem Schaden betroffen war, die Hälfte, nämlich 50 000 DM, abgeben, so daß er im ganzen 450 000 DM gleich 90 % abgegeben hat und der andere 50 000 DM gleich 50N, ein unverhältnismäßiger Unterschied, eine Ungerechtigkeit, die sehr schwer zu tragen ist. Da wir aber von dem Stichtag-Vermögen ausgehen, sind wir gezwungen, das vorhandene Vermögen zu belasten; wir sind aber auch gezwungen, die Schäden zu berücksichtigen.
Der SPD-Antrag geht wieder auf die erste Fassung der Regierungsvorlage zurück. Ich möchte hierzu sagen, daß wir im Ausschuß gegen diese Regelung sehr viel einzuwenden hatten und lange miteinander gerungen haben, sie zu ändern, aber praktisch damit noch nicht zum Abschluß gekommen sind und daß die Mehrheit vorläufig diese Regelung, wie wir sie jetzt im § 38 haben, beschlossen hat. Es ist damals festgestellt worden — und ich habe das durch besondere Erhebungen untersuchen lassen, durch Enqueten —, daß die damalige Regelung etwa 30 bis 40 Millionen DM erforderte. Es ist aber vom ersten Tage an gesagt worden — ich möchte die Ausschußmitglieder darauf aufmerksam machen, sie wissen das; es ist heute sehr viel Falsches in dieser Beziehung gesagt worden, auch gestern schon —, daß für die Saldierung, die Berücksichtigung der Kriegsschäden, 100 Millionen DM einkalkuliert wurden, die nicht irgendwie in die Abgabeeinnahmen — in die Bilanz — eingerechnet waren. Diese 100 Millionen DM haben niemals dazugehört.
Es ist doch ein wenig gefährlich — ich weiß nicht, ob es aus Unbedachtsamkeit gekommen ist oder aus Absicht —, wenn man hier erklärt — und zwar haben dies mehrere Redner der Opposition getan —, daß wir für die Schadensberücksichtigung 100 Millionen dem Aufkommen aus dem Lastenausgleich entzögen. Das ist nicht der Fall. Wir haben schon lange vor der Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes im Bundestag darüber verhandelt und haben einen Plafond in Rechnung gestellt — ich möchte das noch einmal unterstreichen —, und es sind dafür von vornherein 100 Millionen DM einkalkuliert worden, die niemals in der Bilanz des Aufkommens erschienen sind. Ich glaube, es ist gegenüber diesen Geschädigten, die Abgabepflichtige sind, doch wohl eine verschwindend kleine Summe, die in das Aufkommen nicht hineingehört, die ihnen als Entschädigung zugebilligt wird.
Nun möchte ich aber noch einem falschen Vergleich entgegentreten. Auch der kam heute mehrfach zum Ausdruck. Die kriegsgeschädigten Betriebe oder die kriegsgeschädigten Vermögensinhaber wurden in Vergleich gesetzt mit den Vertriebenen, die alles verloren haben, zu denen auch ich gehöre. Da möchte ich Ihnen aber sagen, daß man diesen Vergleich mit dem besten Willen nicht führen kann. Die beiden Gruppen gehören nicht zusammen. Die Abgabeverpflichteten gehören zusammen; denn die kriegsgeschädigten Betriebe oder kriegsgeschädigten Vermögensinhaber müssen ja eine Abgabe leisten, und man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Ich kann nur Vermögensinhaber vergleichen, die abgeben müssen; der andere Vergleich gehört nicht hierher. Das muß einmal deutlich gesagt werden.
Nun ist dagegen polemisiert worden — und ich kann das von der Oppositionsseite verstehen; das kommt aus ihrer politischen Diktion heraus, die ich ihr nicht übelnehme, aber wir können dieser sozialistischen Diktion nicht folgen —, daß große Zahlen oder große Vermögen genannt werden. Es geht hier aber nicht um große Vermögen, sondern es geht hier um Betriebe, die kriegsgeschädigt sind, in denen Menschen arbeiten, die aber heute noch nicht so weit sind, daß sie wieder im früheren Ausmaß Menschen Arbeit geben können. Wenn ich sie nun noch abgabenmäßig so behandle wie die andern, dann bringe ich sie noch einmal in Bedrängnis, indirekt aber diejenigen, die dort Arbeit und Brot fnden, die Menschen, die in Arbeit stehen. Es kann sogar sein, daß sich ein Restbetrieb mit einem Betriebswert von 50 000 DM wesentlich besser steht als beispielsweise ein Betrieb mit einem Betriebswert von 500 000 DM. Dieser Unterschied darf nicht gemacht werden; denn es geht hier um Betriebe, in denen Menschen arbeiten. Es geht nicht um Vermögen, das jemand in Tausendmarkscheinen in der Tasche hat.
— Nein! Auf diesen Zwischenruf kann ich mit dem besten Willen nicht antworten.
Es geht um Betriebe Herr Seuffert! Ob dieselben klein oder groß sind, ist gleich. Wenn der Betrieb groß ist, hat er viele Arbeitnehmer; die sind mir wichtig, und hoffentlich Ihnen auch, und ich glaube, daß uns das allen in erster Linie wichtig sein muß. Es ist also falsch und entspringt nur einer politischsozialistischen Diktion, wenn hier vor der großen Zahl bange gemacht wird.
Und nun die Regelung, wie sie hier getroffen ist. Wir haben bei den Hundertsätzen der Schadensberücksichtigung eine innere Degression verfolgt. Nach dieser inneren Degression gemäß einer Enquete,
die sehr gewissenhaft durchgeführt worden ist,
ist festgestellt worden, daß von dem Plafond von 100 Millionen etwa 40 Millionen gebraucht werden, der 100-Millionen-Plafond also gar nicht ausgenutzt wird. Würde man beispielsweise nach derselben Enquete generell ein Viertel vom Hundert als Entschädigungssatz ansetzen, würde man nach der Enquete auf 60 Millionen kommen. Die Regierungsvertreter haben uns demgegenüber im Ausschuß gesagt: Nein, die 100 Millionen würden nach ihren Hundertsätzen restlos gebraucht werden. Ich kann nicht mit aller Konsequenz behaupten, daß meine Aufstellung oder die Grundlagen der Enquete absolut richtig sind.
— Nein, Herr Kriedemann, gestatten Sie, daß ich sehr, sehr vorsichtig bin!
Aber ebenso kann die Regierung nicht behaupten, daß ihre Aufstellungen absolut richtig sind.
— Behaupten kann sie es, aber sie hat es in diesem Falle nicht getan. Seien Sie ganz friedlich! Das haben Sie selbst erlebt. — Man kann also hier absolut nicht sagen, hier würden 100 Millionen gebraucht. Hier stehen sich verschiedene Feststellungen gegenüber, und da gibt es nur einen Ausweg: man ließe erst einmal dieses System laufen, um dann — das wird sich sehr bald herausstellen — auf Grund der praktischen Erfahrungen festzustellen, ob nun diese 100 Millionen, die von vornherein dafür festgesetzt waren — ich betone das immer wieder —, die keinen Verlust an Aufkommen bedeuten, — —
— Verzeihen Sie, die sind niemals in das Aufkommen einkalkuliert worden!
— Nein, im Ausschuß nicht und auch in der Koalition nicht! Sehen Sie die Bilanz nach, die aufgestellt ist! — Also: es wird dann festgestellt werden, ob diese 100 Millionen ausgenutzt werden oder nicht. Und ich habe jetzt im Namen der Koalition, Herr Kriedemann, zu erklären,
daß wir vorläufig, weil wir hier eine hypothetische Regelung haben, gewillt sind, diesen Plafond auszunutzen. Auch die Regelung, die die FU vorschlägt, wird an dem ganzen Charakter nichts ändern und keine Verbesserung bringen: sie bedeutet auch nur für einen Teil der Betroffenen eine kleine Verbesserung; es geht hier aber um die generelle Gerechtigkeit für die kriegsgeschädigten Abgabepflichtigen. Wir sind aber gewillt, diesen von vornherein vorgesehenen Plafond von 100 Millionen auszunutzen. Sobald die Erfahrung zeigt, daß er nicht ausgenutzt wird, werden wir den jetzigen Ermäßigungssatz bis zur Ausnutzung des Plafonds unter Einbeziehung von Schäden, die in diesem Gesetze noch keine Berücksichtigung gefunden haben, erhöhen.
Gerade bei diesem § 38 ist es wohl am deutlichsten geworden, daß viele Regelungen absolut hypothetischen Charakter haben müssen und wir auch durch Änderungsanträge nichts verbessern oder, sagen wir besser: endgültig gestalten können. Hier brauchen wir die praktische Erfahrung. Und von der Koalition aus kann ich hier erklären: Wir werden in diesem Falle eine der ersten Novellen einbringen, um eine gerechte Lösung endgültig zu schaffen.
— Auch wenn Sie lachen, Herr Kriedemann, auch wenn Sie widersprechen!
Ich bitte im Namen der Koalition, die Anträge der SPD und ebenso den Antrag der FU abzulehnen.