Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um mit dem letzten Teil unseres Antrags zu beginnen: es heißt in § 38 Abs. 4 des Entwurfs, daß durch Rechtsverordnung der Ermäßigungstarif nach Abs. 2 zu ändern sei, wenn die durch die Ermäßigung eintretenden Ausfälle den Betrag von 100 Millionen DM jährlich übersteigen. Meine Fraktion ist der Ansicht, daß es unmöglich ist, es einer Regierung als der Exekutive zu überlassen, durch Rechtsverordnung die Sätze zu ändern, die wir heute hier beschließen. Das zu tun, ist eine typische Gesetzgebungsangelegenheit und ist von derart einschneidender Wirkung und so wichtig für das ganze Volk, sowohl
für die Geschädigten als auch für die Aufbringungspflichtigen, insbesondere aber für die Geschädigten, die schon lange auf diese Entschädigungen warten, daß sich das Haus auf gar keinen Fall des Rechts und der Pflicht begeben darf, die Höhe der Berücksichtigung der Schäden zu bestimmen; auf gar keinen Fall darf es die Angelegenheit auf die Regierung abwälzen.
Zu der Berücksichtigung der Höhe der Schäden selbst. Man hat im Gegensatz zu der Möglichkeit, eine einfache, dann vielleicht weniger subtile Regelung zu finden, die weniger spezifiziert alle Einzelheiten berücksichtigt, hier nun einen Weg gewählt, der ziemlich kompliziert ist und auf dem die Berechnung ziemlich kompliziert ist. Deswegen ist es vielen von Ihnen vielleicht auch noch nicht zum Bewußtsein gekommen, daß jemand, der Schäden erlitten hat, die den Restbestand seines Vermögens um weit über 100 % übersteigen, die etwa zwischen 100 und 200 % des gegenwärtigen Bestandes, vom Stichtag 1948 gerechnet, liegen, dann zusätzlich noch bezahlen muß. Wenn z. B. der Schaden, den ein Mann mit einem Stichtag-Vermögen von 12 000 Mark erlitten hat, etwa bis zu 24 000 Mark betragen hat, dann ist er nach dem jetzt vorliegenden Entwurf noch verpflichtet, selber Zahlungen zu leisten. Das erscheint außerordentlich unbillig, wenn man bedenkt, daß die, die alles behalten haben, auf die Dauer von 30 Jahren nur mit wenigen Prozenten von dem Vermögen herangezogen werden, das sie im Laufe der Zeit langsam aufbringen können. Jeder, der Verluste gehabt hat, würde sehr froh sein, wenn es ihm gestattet wäre, statt der Verluste, die er von heute auf morgen plötzlich in einer Brandnacht hatte oder die er durch die Vertreibung von heute auf morgen hatte — wenn er diese Vermögen besessen und behalten hätte —, diese Beträge so langsam im Laufe von 30 Jahren mit 3 oder 4 % aufzubringen.
Diese Saldierung ist für die Geschädigten, die wenigstens noch et was behalten haben, eine Frage von ungeheurer Bedeutung. Man darf es ihnen nicht so erschweren, sich nun wieder auf die eigenen Füße 7a stellen und wieder etwas dazu zu erwerben. Kein Mensch unter- den Geschädigten kann es verstehen, daß man die, die von vornherein mit solchen Verlusten belastet in die Währungsreform gegangen sind, jetzt noch zusätzlich mit Abgaben belastet, so daß sie in der Folge bedeutend höher herangezogen werden als die, die keine Schäden erlitten haben.
Meine Freunde und ich, die wir den Antrag unterzeichnet haben, haben sich nun überlegt, wie man dem am besten abhilft. Ich habe Verständnis dafür, wenn man bei einem Vermögen von größerem Volumen, das erhalten geblieben ist, davon absieht, dem in vollem Maße Rechnung zu tragen. Aber bei den kleineren Vermögen kann man das nicht. Da ist absolut erforderlich, vorzusorgen, daß einer, wenn er mehr als die Hälfte verloren hat, nicht noch zusätzlich jetzt Abgaben zum Lastenausgleich bezahlen muß. Wir glauben, dem kann man am besten dadurch Rechnung tragen, wenn man sich an das nun einmal hier gewählte System anschließt, daß man aber die Prozentsätze des § 38 Abs. 2 in der Ziffer 2 entsprechend ändert.
Eine solche Änderung schlagen wir Ihnen nur für die drei unteren Stufen vor. Das heißt: Für die Vermögen bis zu 50 000 DM setzen wir an die Stelle von 1/4 v. H. des der Abgabe unterliegenden Vermögens 1/2 v. H.; und da, wo es bisher 1/5 v. H. heißt, muß es 1/4 v. H. heißen, statt 1/6 nun 1/5-
Bei Vermögen von 100 100 bis 120 000 DM muß es
v. H. heißen, und dann ist der Betrag der Tabelle des Entwurfs wieder eingeholt. Auf solche Art und Weise wird vermieden, daß die Geschädigten, die mehr als die Hälfte ihres Vermögens verloren haben, jetzt selber noch einmal herangezogen werden. Das Gegenteil wäre eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die dem Gesetz zum Lastenausgleich die Berechtigung, diesen Namen zu führen, völlig nehmen würde.
Es sei mir in diesem Zusammenhang ein Wort zu der Methode gestattet, nun alle Anträge en bloc zu vertagen. Wenn man so weiter verfährt, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir die Beratungen einfach einstellen. Dann hat die Sache überhaupt keinen Zweck. So wird eine echte parlamentarische Erörterung und Debatte abgeschnitten, und zwar nach meiner Meinung sehr zum Schaden des parlamentarischen Gedankens überhaupt. So kann man natürlich einen Ausschuß mit einer Art von Blankovollmacht versehen. Wenn die Methode einreißt, können wir überhaupt die Ausschüsse beschließen lassen und treten nur noch zum Zwecke der Abstimmung hier zusammen. Wie das Ergebnis ausfällt, das wissen wir ja von vornherein, weil ja sowohl im Ausschuß als auch im Hause die Mehrheiten — Regierungskoalition und Opposition — klar sind.
Ich bitte Sie deswegen dringend, von dieser Methode abzulassen. Vergessen Sie bitte nicht, meine Damen und Herren, daß es sich hier nicht um ein Verfahren bloß für unser Haus handelt, sondern daß die deutsche Öffentlichkeit von uns eine echte Auseinandersetzung über die Frage erwartet und nicht das Funktionieren einer Abstimmungsmaschine.