Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich habe mir vorhin schon die Bemerkung erlaubt, daß die Mitarbeit am Lastenausgleich eine Portion Mut und eine Portion Bereitschaft zur Verantwortung voraussetzt, nach beiden Seiten. Man kann nämlich immer nur das geben, was man vorher oder was man mindestens gleichzeitig zu nehmen bereit ist.
Als wir unseren Antrag gestellt haben, dahingehend, daß die landwirtschaftlichen Betriebe, soweit ihr Einheitswert über 35 000 DM beträgt — nicht Verkehrswert oder so etwas, sondern Einheitswert —, stärker zur Vermögensabgabe herangezogen werden sollten, und als das die Mehrheit des Ausschusses beschlossen hat, war es uns natürlich klar, daß wir hier die Vertreter der Agrarpolitik aufmarschieren sehen würden, denen im allgemeinen kaum etwas anderes einfällt, als für die Landwirtschaft auf mildernde Umstände zu plädieren.
Auch in unseren Kreisen ist man daran gewöhnt, sich bei der Stellung von Anträgen die Auswirkungen auf die Öffentlichkeit, auf das Agitationsbedürfnis jeder Partei zu überlegen. Wir waren uns in vollem Umfang darüber klar, daß wir mit diesem Antrag jenen ein bißchen helfen würden, die in Ermangelung besserer Argumente auf dem Lande gern herumlaufen und erzählen, daß die Sozialdemokraten ihre geborenen Feinde seien.
— Das ist historisch, das wird aber leider Gottes immer wieder gemacht, obwohl es aus einer ganz alten Kiste ist. Aber den Leuten fällt einfach nichts Besseres ein; da malen sie dann schwarze Männer an die Wand.
Da ist gar nichts neu, da wird ihnen auch nichts Neues einfallen; da bin ich nicht bange. Das beweist mir jede Sitzung des Ernährungsausschusses, das beweist mir jede unserer Bemühungen. Denken Sie an die Sache mit der Milch! Lassen Sie sich erzählen, wie die Dinge liegen, wer da neue Wege sucht und wer den alten Kram verteidigt!
Es ist bei dieser Sorte von Agrarpolitikern immer üblich, mit der großen Zahl der kleinen Landwirte zu operieren. Man stellt sie uns in ihrer wahrhaft nicht sehr großartigen Lage dar und tut das doch immer nur, um sie als Vorspann für die Interessen derjenigen zu benutzen, die in einer ganz anderen Situation sind als z. B. die Bauern in der Eifel.
Besonders witzig ist das heute hier zum Ausdruck gekommen, als der Herr Kollege Leibfried, einer aus dem großen Heer der kleinen und ganz kleinen Landwirte, sich schützend vor die Besitzer größerer landwirtschaftlicher Vermögen stellte, mit dem Argument, die kleinen würden kaputtgehen, wenn man die größeren etwas mehr heranzieht. Machen wir uns doch einmal völlig klar, daß die Vertriebenen in ihrer kaum zu bezweifelnden Notlage in die Lebensverhältnisse keiner einzigen Bevölkerungsgruppe mehr
Einblick nehmen können als in die Verhältnisse der Landwirtschaft betreibenden Bevölkerung!
Ich weiß ganz genau, wie da manches übertrieben wird. Es gibt ja einige Vereine, die davon leben, daß sie so etwas übertreiben.
Aber auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, denken Sie denn, daß es die Landwirtschaft aushalten kann, wenn man sie hier als Ganzes in eine Gruppe einrangiert, die nun einmal die niedrigste Gruppe — was die Vermögensabgabe betrifft — ist? Glauben Sie, daß es wirklich im Interesse der Landwirtschaft liegt, wenn man sie hier als eine solche Einheit darstellt? Im Soforthilfegesetz haben wir unterschieden zwischen denen, die unter 15 000 DM Einheitswert liegen, und denen, die darüber liegen. Wir haben denen, die unter 15 000 DM Einheitswert liegen, eine mildere Behandlung zugebilligt. Wir haben alle miteinander gesehen, daß das nicht ausreichend war, und haben deshalb die Grenze hier bei 35 000 DM Einheitswert festgelegt. Wer die landwirtschaftlichen Verhältnisse kennt, der weiß, daß mit dem Einheitswert nicht ohne weiteres etwas über die Betriebsgröße ausgesagt ist, über die Zahl der Morgen oder der Hektare, die da zur Verfügung stehen, daß aber sehr wohl mit dem Einheitswert darüber etwas ausgesagt ist, um welches Vermögen es sich handelt. Ich halte es für einen sehr schlechten Dienst an der Landwirtschaft, wenn man hier für den gesamten Berufsstand einen gleichen Maßstab anlegen will.
Ich glaube, es ist auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt falsch. Die Landwirtschaft braucht — das habe ich hier mehrfach ausgeführt — zur Lösung ihrer vielseitigen Aufgaben, insbesondere zur Überwindung all der Benachteiligungen aus einer Jahrzehnte hindurch verfehlten Agrarpolitik und angesichts der Probleme, die an unsere Landwirtschaft im Rahmen der Europaunion herankommen, zweifellos große Hilfe aus der Volkswirtschaft. Glauben Sie, daß das um so leichter gehen wird, je mehr man die Landwirtschaft zunächst einmal immer wieder auf die Seite stellt?
— Ja, das können alle anderen Wirtschaftszweige auch für sie in Anspruch nehmen, daß sie durch die Vermögensabgabe in ihrer Investition behindert werden. Das hat eine Vermögensabgabe nun einmal so an sich.
Ich möchte Sie mit allem Nachdruck bitten, in dieser Angelegenheit keine allzu billige Sache zu sehen und sich nicht damit zu trösten, daß man auf dem Lande schon wieder wird erzählen können: wir haben euch davor geschützt, als die Linke, die Sozialdemokraten, euch so hart ans Leder wollte!
Sehen Sie lieber einmal genau nach, welcher Teil der Landwirtschaft wirklich schutzbedürftig ist, und überlegen Sie sich, ob der Rest im Interesse des Ganzen nicht ein bißchen mehr in Anspruch genommen werden kann! Ich will an dieser Stelle ganz bewußt nicht ausrechnen — einige von Ihnen werden vielleicht begreifen, warum ich es hier nicht tue — —
— Moment, Moment! Ich will es in diesem Moment bewußt nicht tun, aber rechnen Sie sich doch einmal selber aus — bezogen auf Ihnen bekannte Beispiele, Einheitswert usw. —, wie hoch denn nun diese Vermögensabgabe, in Vierteljahresraten ausgedrückt, ist. Überlegen Sie sich dann ganz genau, ob die sozialen Gefahren, die entstehen müssen, wenn man der Landwirtschaft im ganzen diese begünstigte Stellung einräumt, ob diese insbesondere für die Landwirtschaft treibende Bevölkerung auftretenden Gefahren das wirklich wert sind.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie eindringlich, unserem Antrag zuzustimmen. Er belastet einen kleinen Teil der — größeren oder reicheren - Landwirtschaft stärker, aber einen Teil, der es noch tragen kann. Zugleich ist diese Belastung eine Legitimation des ganzen Berufsstandes und eine Rechtfertigung der niedrigsten Abgabesätze für die große Masse der Landwirtschaft. Ich glaube, das sollten wir uns, die wir uns mit Agrarpolitik im besonderen zu befassen haben, wirklich einiges kosten lassen.