Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns erlaubt, zu § 25 einen Änderungsantrag zu bringen, der einmal die Vermögensabgabe gestaffelt durchgeführt sehen will und zweitens die Heranziehung aller Kriegs- und Währungsgewinne als Abgabeschuld restlos vorsieht, während drittens im Falle von Kriegssachschäden und Vertreibungsschäden die Abgabe entsprechend ermäßigt werden soll.
Nach unserer Meinung ist der § 25 das Kernstück des gesamten Lastenausgleichs. Die in § 25 vorgesehene einheitliche Vermögensabgabe von 50 % des abgabepflichtigen Vermögens ist nämlich, so wie sie in diesem Paragraphen festgelegt ist, nach unserer Auffassung absolut unsozial. Sie belastet die Kleinvermögen in derselben Form wie die großen Vermögen. In dieser Tatsache liegt die ungeheuere Härte begründet, die entsteht, wenn der Ausschußantrag, so wie er jetzt vorliegt, angenommen wird.
Der einfache Mensch draußen sieht die Frage des Lastenausgleichs anders. Er sieht einfach im Lastenausgleich eine Forderung, dort etwas zu nehmen, wo etwas zu nehmen ist. Das ist aber mit § 25, so wie er jetzt besteht, praktisch nicht der Fall. Deswegen wünschen wir eine Staffelung nach sozialen Gesichtspunkten, wie es in unserem Antrag auch vorgesehen ist.
Hinzu kommt aber, daß die Formulierung, die von einer einheitlichen Abgabe von 50 % spricht, den Tatsachen gar nicht gerecht wird. Der § 26, der ja eine Laufdauer von 30 Jahren vorsieht, besagt nämlich etwas ganz anderes. Gerade mit Rücksicht auf die Laufdauer von 30 Jahren zeigt sich, daß gar nicht daran gedacht ist, irgendwie einen Eingriff in die Substanz vorzunehmen, also an eine Vermögensumschichtung heranzugehen, oder auch nur den Versuch zu unternehmen, eine solche Vermögensumschichtung vorzunehmen. Diese Tatsache zeigt vielmehr, daß die Abgaben zum Lastenausgleich restlos aus dem Ertrag genommen werden können.
Darin liegt der entscheidende Bluff hinsichtlich des § 25, daß Sie den Menschen draußen erzählen, bei diesem Lastenausgleich handele es sich um eine 50 %ige Vermögensabgabe, während in Wirklichkeit gerade die §§ 25 und 26 beweisen, daß das wirkliche Vermögen mit keinem Pfennig für den Lastenausgleich überhaupt angetastet wird. Nach übereinstimmender Meinung aller Geschädigten ist diese Form der Vermögensabgabe uridiskutabel, ungerecht und dringend einer Änderung bedürftig.
Nach § 25 werden Sie ein Jahresaufkommen von im gunstigsten Falle 2,2 Milliarden DM zu verzeichnen haben. Davon ist von vornherein eine halbe Milliarde als uneinbringlich zu betrachten. Mit dem nach diesem Paragraphen vorgesehenen Aufbringungssoll können Sie nicht einmal die laufenden Leistungen für die Kriegsschadenrentner, für die Wohnungsbau- und Hausratentschadigung aufbringen, so daß also aus diesen Mitteln praktisch kein Pfennig übrigbleibt, um eine wirkliche Existenzeingliederung der Geschädigten zu erreichen.
Wenn wir die Heranziehung aller Kriegs- und Währungsgewinne verlangen, so stützen wir uns auf die 'Tatsache, daß allein das Aktienkapital von 2241 westdeutschen Aktiengesellschaften am 20. Juni 1948 eine Summe von etwas über 12 Milliarden DM und am 21. Juni 1948, also einen Tag nach der Wahrungsreform, 10 119 Millionen DM betragen hat, also nur ein Verlust von 1911 Millionen DM, praktisch 15,9 %, eingetreten ist. Stellen Sie dazu bitte in Parallele die Tatsache, daß die übrigen Menschen mit Verlusten von 93,5 % in die Geschädigtengruppe eingestuft werden müssen. Also eine Bevorzugung des Besitzes!
Alle westdeutschen Unternehmen waren bis Ende 1951 zur Vorlage ihrer D-Mark-Eröffnungsbilanz, und zwar per 21. Juni 1948, verpflichtet. Es bestand so die Möglichkeit, alle durch den Krieg
und seine Folgen bewirkten Vermögensschäden eines Unternehmens aus den Bilanzen herauszuschaffen, möglichst ohne das Eigenkapital irgendwie zu schädigen. Zu diesem Zweck wurde den Gesellschaften eine Neubewertung des verbliebenen Vermögens gestattet, die eine Aufwertung stiller Reserven ermöglichte und damit zur Realisierung bisher versteckter Gewinne aus den Kriegsjahren führte. Bis zum 30. Juni 1951 haben insgesamt 90 % aller in Frage kommenden Firmen diese Eröffnungsbilanz vorgelegt. Dabei ist nicht uninteressant, einmal festzustellen, wie sie aussieht. Von diesen 2241 Aktiengesellschaften haben 721, das sind 32,2 %, ihr Aktienkapital herabgesetzt, 1163, das sind 51,9 %, ihr Gundkapital in der bisherigen Höhe beibehalten und 327 Firmen — 15,9 % — sogar ein höheres Aktienkapital als vorher festgesetzt.
— Herr Kollege Atzenroth, das ist nicht vorgelesen worden; sondern was gestern gesagt worden ist, waren die Ziffern über die ausländischen Beteiligungen in der deutschen Wirtschaft, während es sich hier eindeutig um die Ergebnisse der D-Mark-Eröffnungsbilanz handelt. Man kann sie im Zusammenhang mit dem Lastenausgleich und unserer Forderung auf Heranziehung aller Kriegs- und Währungsgewinne für den Lastenausgleich der Öffentlichkeit nicht oft genug bekanntgeben.
Die Aktionäre dieser Gesellschaften haben also durch Krieg und Kriegsfolgen im Durchschnitt nur etwa 16 % ihres Kapitals eingebüßt — das ist das Ergebnis dieser Bilanz —, wahrend das Vermögen der Sparer und sonstigen Geschädigten um 93,0 % verringert worden ist. Die D-Mark-Eroffnungsbilanz hat also die Möglichkeit einer nachträglichen Realisierung der Kriegsgewinne geschaffen; denn 67,8 % alle Gesellschaften konnten ihr Aktienkapital in vollem Umfange erhalten und sogar über die Währungsreform hinuberretten. Diese D-MarkUmstellung hat weiterhin rund 3,6 Milliarden stiller Reserven, die bisher unsichtbar in den Aktiengesellschaften steckten, sichtbar werden lassen. Für weitere 1,2 Milliarden wurden Rückstellungen ausgelost, bei denen es sich gleichfalls zum Teil um stille Reserven handelte. Diese stillen Reserven wurden also bei der Vorlage der D-MarkEröffnungsbilanz dazu benutzt, den Aktionären trotz aller Kriegs- und Kriegsfolgeschäden den Nominalwert ihres Aktienbesitzes zu erhalten. An die Stelle einer exemplarischen Bestrafung von Kriegsverbrechern, wie sie im Potsdamer Abkommen vorgesehen war, ist also in Westdeutschland das Gegenteil getreten, nämlich eine beispiellose Begünstigung der Kriegsgewinnler. Es wäre sozial ungerecht, diese Kriegsgewinnler für den Lastenausgleich nicht mit heranzuziehen. Wir sehen in diesem Ergebnis der D-Mark-Eröffnungsbilanz, wie Mittel, und zwar in gewaltigem Umfange, für die Befriedigung des Lastenausgleichs herangezogen werden können.
Das Bundesfinanzministerium — das wollen wir in diesem Zusammenhang mal sagen, um in der Abwicklung des Lastenausgleichs, wenn man die §§ 25 und 26 so bestehen läßt, vollkommen klar zu sehen — schätzt die Hausratentschädigung nach dem Gesetz auf 7,2 Milliarden DM. Sie wird nach anderen Schätzungen auf ungefähr 10 Milliarden DM kommen. Unter Zugrundelegung der geringsten Gruppe — nämlich von 800 DM — werden zehn Jahre benötigt, um allein die Hausratentschä-
digung zur Auszahlung zu bringen. Man verweist dabei, weil man nicht gewillt ist, den von uns vorgeschlagenen Weg der Erfassung der Währungs-
und Kriegsgewinne zu gehen, auf eine gewisse Vorfinanzierung des Lastenausgleichs — auch der Herr Kollege Kunze hat das gestern erwähnt —, auf die Aufnahme von inländischen und ausländischen Anleihen. Man spricht von einem Kredit von 400 Millionen DM, und zwar von einem Inlandskredit, der für die Vorfinanzierung des produktiven Teils des Lastenausgleichs in Anspruch genommen werden soll, und vergißt, dabei gleichzeitig zu sagen, daß solche Gedanken der Inanspruchnahme von Inlands- und Auslandskrediten bereits bei dem Sonne-Gutachten, bei der Frage der Besatzungskosten, bei der Frage des sogenannten Sicherheitsbeitrags in Erscheinung getreten sind. Auch als der Schumanplan ratifiziert worden ist, hat die Frage der Inanspruchnahme von Krediten und Anleihen eine entscheidende Rolle gespielt.
Meine Damen und Herren, täuschen Sie doch die Öffentlichkeit nicht über die Tatsachen hinweg! Wenn Sie dem Volk erzählen, daß die Möglichkeit der Vorfinanzierung, die Möglichkeit der Aufnahme von Inlands- und Auslandskrediten für Zwecke des Lastenausgleichs besteht, betreiben Sie eine Politik der Täuschung der Anspruchsberechtigten, die sich einmal bitter rächen wird. Es wäre doch viel besser, sie sagten den Menschen draußen, daß die Frage des Generalvertrags, so wie wir sie gestern bereits gestellt haben, und die Frage des Lastenausgleichs nicht voneinander zu trennen sind, daß eins das andere ausschließt, daß man sich für das eine oder für das andere entscheiden muß. Sie haben sich für den Generalvertrag entschieden, wir haben uns für einen sozial gerechten Lastenausgleich entschieden. Ich empfehle übrigens den Befürwortern dieser Politik der sogenannten Inlands- und Auslandsanleihen einmal das Studium der der Bundesregierung nahestehenden Zeitung „Der Volkswirt", die sehr ein- gehend davor warnt, zu glauben, daß die Möglichkeit bestehe, für Zwecke des Lastenausgleichs irgendwelche Kredite im Inland sowohl als auch von seiten des Auslands aufzunehmen, es sei denn für einen bescheidenen Teil, nämlich für den sogenannten produktiven Lastenausgleich, also einen geringen Teil. Am Schluß ihres Artikels wird gesagt — und es ist nicht uninteressant, gerade von dieser Seite diesen Satz zu hören —: „Man wird jedenfalls gut daran tun, alle Hoffnungen aufzugeben, daß durch Anleihen jener Konstruktionsfehler des Lastenausgleichs wieder repariert werden könne, der darin liegt, daß in den ersten Jahren von einem Aufkommen von 2,2 Milliarden jährlich durch Renten und andere bereits festliegende konsumtive Ausgaben alles bis auf einen Rest von 600 Millionen DM aufgefressen und dieser Rest dann vollends für die Auszahlung der Hausrathilfe beansprucht wird."
Der § 25 läßt, wenn er so bestehen bleibt, wegen seiner Enge einen gerechten Lastenausgleich in keiner Form zu. Ich darf noch auf eine Notiz in der Hannoverschen Presse vom 19. 12. 51 hinweisen, um eine weitere Aufbringungsseite aufzuzeigen. Die Notiz hat folgenden Wortlaut: „Der Gesamtkurswert der Börsenaktien ist in den vergangenen Monaten um mehr als 80 % gestiegen. Allein die Aktien der Gesellschaften, die Dividenden verteilten, erhöhten sich im Kurswert von rund 5,5 Milliarden auf fast 10 Milliarden. Der Kurszuwachs war mehr als doppelt so hoch wie im Jahre 1949 und über siebenmal so hoch wie im vergangenen Jahr." Wir haben heute die Debatte
über die Kurswerte in diesem Hause gehabt, und Sie, meine Damen und Herren, sind bereit, eine Steigerung des Sozialprodukts um 25 % für Zwecke des Sicherheitsbeitrags durchzuführen; aber Sie sind nicht bereit, an die seit der Währungsreform neu investierten 60 Milliarden DM, die nach offiziellen Mitteilungen vorhanden sind, irgendwie heranzugehen,
sei es auch nur in Form eines bescheidenen Eingriffs in die Substanz.
— Ich kann mir vorstellen, daß es Ihnen langt,
vor allem, Herr Kollege Horlacher, weil es nicht uninteressant ist, einmal die Tatsache zu sehen, daß die Herren, deren Besitz Sie hier verteidigen, heute bereits wieder die teuersten ausländischen Wagen fahren und damit ihre „Armut" dokumentieren.
Der Herr Bundesfinanzminister und sein Staatssekretär haben wiederholt erklärt, daß sogar die 6%ige Vermögensabgabe für die Wirtschaft auf die Dauer untragbar sei. Der Wissenschaftliche Beirat hat weiter nachgewiesen, daß eine Änderung in der Verwendung der für den Lastenausgleich zweckgebundenen Mittel eintreten muß. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat festgestellt, daß die Mittel, die für den Lastenausgleich aufgebracht werden, in den allgemeinen Steuersäckel einfließen sollen, weil ohne dieses Einfließen eine organische Steuerreform nicht denkbar sei. Wenn Sie die Prioritäten der Ausgaben des Bundeshaushalts betrachten, nämlich in erster Linie die Prioritäten der Sicherleitsleistungen und Besatzungskosten und in zweiter Linie die anderen, vielleicht den Lastenausgleich, dann wissen wir, was mit dieser Forderung des Wissenschaftlichen Beirats wirklich gemeint ist. Wir sind der Überzeugung, daß der § 25 der Prüfstein für die Möglichkeit der Durchführung dieses Gesetzes sein wird. Wenn man den ernsthaften Willen hat, einen sozial gerechten Lastenausgleich durchzuführen, dann besteht die Möglichkeit dazu darin, daß Sie unseren Antrag annehmen,
der im § 25 eine Staffelung der Abgabe vorsieht, Vermögen bis zu 40 000 DM freiläßt und darüber hinaus Vermögen, die wirklich so zum Lastenausgleich herangezogen werden können, wie es das Volk draußen verlangt, begreift und versteht, zum Lastenausgleich heranzieht. Sie können versichert sein, daß trotz aller vielleicht entgegengesetzten theoretischen Diskussionen, wie sie heute geführt worden sind, das Volk diesen Bluff nicht begreifen kann, den Sie in § 25 eingebaut haben, indem Sie dem Volke etwas von einer 50%igen Vermögensabgabe erzählen. Wir sind der Auffassung, daß der Lastenausgleich auch in der Jetztzeit durch die Annahme unseres Antrages zu § 25 finanziert werden kann, um dessen Annahme wir Sie ersuchen.