Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine Erscheinung, an der keiner in diesem Hause, dem das wirtschaftliche Geschehen und die Fortentwicklung unserer Lebensgrundlage am Herzen liegt, ein Interesse hat, daß die Aktie gewissermaßen in sich selbst als ein mehr oder minder unsittliches Vermögensobjekt angesehen wird.
Es droht hier eine Vorstellung einzureißen und fortentwickelt zu werden, die davon ausgeht, daß der Besitz eines Sparkassenguthabens mit einer festen Verzinsung zwar ein legitimes Sparobjekt sei, eine Aktie dagegen nicht. Das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Propaganda gegen das sogenannte anonyme Kapital, das angeblich schlechter und moralisch weniger wert 'ist als anderes Kapital.
Meine Damen und Herren, die Entwicklung der deutschen Wirtschaft und 14 Millionen deutsche Arbeitnehmer sind darauf angewiesen, daß das wichtigste Instrument, das wir in der modernen technischen Entwicklung haben, nämlich die große Gesellschaft, die Gesellschaft, die die meisten Arbeitsplätze mit dem geringsten Kapitaleinsatz zu schaffen in der Lage ist, nicht durch willkürliche Eingriffe zerstört wird.
— Ich weiß nicht, ob Sie den Wunsch haben, mich anzuhören. Ihr Widerspruch und die Form Ihres Widerspruchs scheinen mir das zu bestätigen, was ich gerade hier habe ausführen können.
Herr Seuffert, wir haben im Wirtschaftsrat gemeinsam an dem Gesetz über die Soforthilfe gearbeitet, und Sie werden mir und den Freunden, die mit mir gearbeitet haben, nicht in Abrede stellen können, daß sie in ehrlichem Ringen immer den Versuch gemacht haben, bis an die äußerste Grenze dessen zu gehen, was wir in der Tat für vertretbar halten. Ich bin bereit, mich mit Ihnen sachlich darüber zu streiten, was die Grenze des
Vertretbaren ist. Was ich aber eigentlich auch von Ihrer Seite nicht erwarte, ist die Behauptung, daß wir diesen Versuch nicht machen. Ich habe den Eindruck, daß dieser Streit an diesem Punkte begonnen werden soll und ich bin nicht bereit, mich weiterhin auf dieser Ebene zu bewegen.
Zur Sache will ich Ihnen noch einige Worte sagen, Herr Seuffert. Ich glaube, daß man sich in Deutschland und in der 'deutschen Wirtschaft heute noch einer verhängnisvollen Täuschung darüber hingibt, welches die wirklichen Auswirkungen des Lastenausgleiches sein werden.
Die meisten deutschen Wirtschaftsunternehmen rechnen heute noch in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung und in ihren Bilanzen mit denjenigen Abgaben, die sie auf Grund des Soforthilfegesetzes zu leisten haben und gegenwärtig leisten. Diese Abgaben werden für die Wirtschaft um ein Wesentliches höher werden.
Es ist eben schon auf 'das Investitionshilfegesetz angespielt worden. Herr Seuffert, Sie haben recht: ein kümmerliches Gesetz, weil es nämlich sehr wenig Kapitalbeträge aufbringt. Nun gehen Sie aber einmal zu all denjenigen Stellen hin, in denen auch Ihre Leute vertreten sind, die heute darüber zu befinden haben, ob wir diese kümmerlichen Kapitalbeträge aufbringen können. Und was hören wir von allen Seiten? Immer wieder Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, die nicht im schlechten Willen der Beteiligten begründet sind, sondern einfach darin, daß in dem ersten Augenblick, in dem einmal eine ununterbrochen aufsteigende Konjunktur durch eine gewisse Stagnation und auf einzelnen Gebieten durch einen gewissen Rückgang abgelöst wird, ernste Schwierigkeiten in der Wirtschaft auftauchen; Schwierigkeiten, die nur dadurch gelöst werden können, daß die deutschen Firmen, die deutsche Industrie und der deutsche Handel die Banken in Anspruch nehmen, was sich letzten Endes zwangsläufig in einer Beanspruchung der Bank deutscher Länder niederschlägt. Nicht jeder weiß, was das bedeutet, Herr Seuffert. Wir aber wissen es. Wir wissen nämlich, daß die Beanspruchung der Bank deutscher Länder, wenn ihr nachgegeben wird, bedeutet, daß der Zahlungsmittelumlauf in diesem Lande erhöht werden wird. Wir wissen auch, was das bedeutet, nämlich, daß die Währung in eine ernste Gefahr geraten würde. Und wir wissen wiederum, was das bedeutet, nämlich daß denjenigen, die auf Grund dieses Gesetzes ein Weniges empfangen sollen, das Wenige auf dem Umweg über eine stille und verdeckte Inflation wieder weggenommen wird.
Der ganze Lastenausgleich wäre ein geringfügiges Problem, wenn wir es nur mit den Abgaben zu tun hätten, die auf Grund des Lastenausgleichs zu erbringen sind. Aber wir haben in den fünf Vierteljahren, in denen wir dieses Gesetz behandelt haben, nicht nur den Lastenausgleich gemacht. Wir haben andere schwere Eingriffe in die deutsche Steuersubstanz machen müssen. Abgaben über Abgaben häufen sich.
Wenn Sie heute die Summe dessen ansehen, was von den einzelnen Abgabepflichtigen aufzubringen ist, so werden Sie überwiegend feststellen müssen, daß für die dringend erforderlichen Investitionen fast keine Spanne und in großen Industriezweigen überhaupt keine Spanne mehr bleibt. Wenn wir
aber ein System entwickeln, das für Investitionen keinen Raum mehr hat, dann bedeutet das, daß uns Arbeitsplätze in der Zukunft nicht mehr neu geschaffen werden können. Sie alle werden uns zugeben müssen, daß es das oberste Ziel des Wirtschaftens eines Volkes ist, die Zahl der Arbeitsplätze zu vermehren. Das gilt insbesondere dann, wenn durch ein Schicksal, das nicht wir, sondern andere in unserem Namen verdient haben, Millionen von deutschen Menschen in unseren Raum hineingepreßt werden, für die binnen kurzer Zeit neue Arbeitsplätze hergestellt werden müssen.
Wir wissen nun einmal, daß ein Arbeitsplatz nicht aus dem leeren Raume geschaffen werden kann. Wir wissen, daß ein Arbeitsplatz 10 000 DM kostet. Diese 10 000 DM müssen aufgebracht werden, und die beste Form der Aufbringung ist nun einmal die der Investition in möglichst großen, geschlossenen, sachgemäß arbeitenden Einheiten.
— Also Sozialisierung, Herr Seuffert! Das ist das Problem, um das wir hier anscheinend ringen sollen, nicht um den Lastenausgleich, sondern um die Frage, in welcher Form wir in . Zukunft unsere Wirtschaft betreiben sollen. Nein, meine Freunde, mit Sozialisierung, mit Überführung in Masseneigentum ist den Flüchtlingen, ist den Bombengeschädigten nicht gedient.
Wir haben es uns alle um dieses Gesetz nicht leicht werden lassen. Niemand von uns ist über das Schicksal, das unsere Landsleute betroffen hat, diejenigen, die von draußen gekommen sind, und diejenigen, die hier im Lande geschädigt worden sind, hinweggegangen, ohne sich die äußersten Sorgen zu machen. Ich glaube, wir sollten uns in diesem Hause den guten Willen für die Regelung der Dinge nicht gegenseitig streitig machen. Wenn wir der Meinung sind, daß in einem Punkte die mögliche Belastungsfähigkeit erreicht ist, dann mögen Sie der Meinung sein, daß es anders ist. Aber Sie werden uns niemals und in keinem Augenblick vorwerfen können, daß unsere Meinung unredlich und unehrlich sei.