Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Föderalistischen Union nimmt fast wörtlich den Antrag des Bundesrates wieder auf, nämlich die Aktien zur Hälfte zu belasten. Gegen diesen Vorschlag des Bundesrates ist in den Vorverhandlungen eine ganze Reihe von Einwendungen erhoben worden; aber ich glaube, ich kann Ihnen zeigen, daß diese Einwendungen sachlich nicht zutreffend sind.
Wenn zunächst einmal der Einwand der Doppelbelastung gemacht worden ist, so ist demgegenüber zu sagen, daß dieser Einwand steuerrechtlich nicht durchschlägt. Es ist selbstverständlich, daß beispielsweise das Gesellschaftsvermögen einerseits und der Aktienbesitz andererseits zur Vermögensteuer selbständig herangezogen werden. Das gleiche gilt bei der Körperschaft- und der Einkommensteuer. Der Grund für diese gesetzgeberische Regelung ist einleuchtend. Die Steuern sollen das Vermögen des Pflichtigen treffen, nicht das Objekt. Während Aktien im Privatbesitz den erheblichen steuerlichen Freibeträgen für natürliche Personen z. B. unterfallen, ist eine Mindestbesteuerung für unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen nach einem Vermögen von 15 000 bis 20 000 DM festgesetzt. Außerdem sind die Werte der verschiedenen Massen ganz verschieden. Es handelt sich um völlig getrennte Vermögensmassen, und zwar einmal um das Gesellschaftsvermögen. Dieses Gesellschaftsvermögen besteht aus einem Inbegriff von Sachen, Rechten und anderen Vermögensgegenständen, von denen die Verbindlichkeiten abzuziehen sind, während das Gesellschaftskapital eine feste Summe bleibt, die mit dem Gesellschaftsvermögen im Laufe der Zeit eine immer geringere, fast nur geschichtliche Bindung hat. Es würde zu ganz unsinnigen Ergebnissen führen, wenn man die Besteuerung des Gesellschaftsvermögens und der Anteilsrechte nicht gesondert durchführen wollte. Es ist zwar theoretisch von einigen bei der Besteuerung der Einwand erhoben worden, daß man die Besteuerung ändern solle. Praktisch ist aber dieser Zustand der selbständigen Besteuerung des Gesellschaftsvermögens einerseits und der Anteilsrechte in der Hand der Pflichtigen andererseits niemals geändert worden; deshalb muß dieser steuerrechtliche Grundsatz auch für das Lastenausgleichsgesetz gelten.
Die Aktiengesellschaft ist eine selbständige juristische Person. Sie und nur sie allein ist die Eigentümerin ihrer Grundstücke, ihrer beweglichen Sachen, Trägerin der sonstigen Rechte, Gläubigerin ihrer Forderungen und Schuldnerin ihrer Gläubiger. Die Aktionäre haben keinen unmittelbaren Einfluß auf diese Vermögensgegenstände. Namentlich haften sie auch nicht für die Schulden der Aktiengesellschaft. Gerade dieser Grundsatz ist es,
der eine solche Forderung, wie sie zum Lastenausgleichsgesetz von den Vertretern der Streichung oder Befreiung des Aktienbesitzes vorgebracht worden ist, ausschließen sollte. Würde man nämlich den Grundsatz der Identität verfolgen, dann müßte man den Grundsatz auch bei der Schuldenhaftung anwenden und nicht nur auf der einen Seite.
Im übrigen ist auch die Frage der Doppelbesteuerung nicht einmal das Entscheidende. Das Entscheidende dürfte die Höhe der Besteuerung und das Verhältnis des Aktienbesitzes zu anderen Kapitalmarktrechten sein. Während der Währungsgesetzgeber den Kapitalmarktbeteiligten im allgemeinen eine ganz wesentliche Beschneidung — bis zur Streichung — ihrer Rechte auferlegt hat, hat er den Aktienbesitzern eine entsprechende Auflage nicht gemacht. Die unterschiedliche Behandlung in der Währungsgesetzgebung der Aktien einerseits und der übrigen Kapitalmarkttitel andererseits verbietet es geradezu, die Aktien hier aus der Lastenausgleichsbelastung herauszulassen. Bei der günstigen Regelung, die die Aktien im Währungsgesetz bekommen haben, ist ein Vergleich zwischen den Aktien einerseits und den übrigen Kapitalmarktpapieren andererseits für die betreffenden Anteilseigner besonders bitter. Während der Inhaber einer Kapitalmarkt-, einer Sparkassenforderung unter Anrechnung seiner Kopfquote haufig gar nichts an Auswertung erhalten hat — es sind 19 Millionen Sparkonten überhaupt völlig gestrichen worden —, hat der Besitzer einer Aktie sein volles Vermögen erhalten, wenn er nicht sogar durch die Kurswertsteigerung und den im Kriege eingetretenen Vermögenszuwachs zahlreicher Aktiengesellschaften noch reicher geworden ist, als er vor dem Kriege war. Dieser Vergleich zeigt doch eindeutig, daß Gleichartiges im Währungsgesetz verschieden behandelt worden ist und daß wir jetzt im Lastenausgleichsgesetz die Substanzerhaltung des Aktienbesitzes als eine Art Währungsgewinn behandeln und dementsprechend zum Lastenausgleich heranziehen müssen. Es handelt sich bei der Behandlung der Aktien nicht um eine Erhaltung der Sachsubstanz, sondern, verglichen mit den übrigen Kapitalmarktwerten, um nichts anderes als um einen Wahrungsgewinn, den man den übrigen Kapitalmarkttiteln nicht hat zukommen lassen.
Daß Aktien nur Wertpapiere mit einem ganz lockeren Eigentumsband sind und daß nicht etwa der Grundsatz der Eigentumsverbindung dafür verantwortlich gemacht werden darf, die die Aktienbesitzer besser wegkommen als die übrigen Innaber von Kapitalmarkttiteln, ergibt eine Untersuchung der Rechtsstellung der Aktien. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zeigt sich folgendes. Die Anlagen der Sparer, der Lebensversicherten, der Obligationeninhaber, der Inhaber von Wandelschuldverschreibungen und Gewinnschuldverschreibungen, von Reichstiteln usw. sind wirtschaftlich mit den Anlagen der Inhaber von Aktien zumeist gleichzustellen. Sämtlichen Berechtigten ist als übergeordnetes Begriffsmerkmal zuzuordnen der langfristige Konsumverzicht zugunsten einer echten Kapitalmarktanlage. Es ist nicht einzusehen, warum die Millionenzahl von kleinen Kapitalmarkttiteln anders behandelt werden soll als die kleine Zahl von Großtiteln. In Deutschland sind doch Kapitalanlagen in der Weise gestreut, daß kleine Beträge zur Sparkasse getragen werden, während größere Beträge in Aktien angelegt werden. Wenn dazu noch beachtet wird, daß die Aktiengesellschaften sich in den letzten Jahren immer wieder bemüht haben, durch besonders günstige
Angebote Aktionäre zum Kauf von Obligationen oder von Wandelschuldverschreibungen zu bewegen, so zeigt sich darin deutlich, daß Aktien und Kapitalmarktdarlehen eine außerordentlich enge wirtschaftliche Verwandtschaft haben.
Es kommt hinzu, daß die Anlage in Aktien häufig nichts anderes ist als eine reine Spekulation. Rathenau schreibt in seinem Buch „Vom Aktienwesen" dazu:
Dem Käufer bietet sich
— bei dem Erwerb von Aktien —
doppelte Aussicht und doppelte Gefahr; ändert sich das Ergebnis, so wächst oder fällt seine Rente, und gleichzeitig, im Vielfachen der Schwankung, wachst oder fallt sein Vermögen. An sich ist dieser Vorgang vollkommen sinnlos. Ist ein Unternehmen stark von den Zeitläuften abhängig, so daß etwa im Laufe von 30 Jahren sein Erträgnis in dreijährigen Perioden fünfmal sich auf 5 % und fünfmal auf 10 % beläuft, so wird, wenn die Verwaltung rein arithmetisch bilanziert und ausschüttet, der Kurs je drei Jahre lang sich in den Grenzen von 100 bis 120 % und jeweils wieder drei Jahre lang zwischen 160 und 180 % bewegen. Das Unternehmen und sein innerer Wert ist genau der gleiche geblieben, der Käufer hat unter Umständen die Hälfte seines angelegten Vermögens gewonnen oder verloren. Der Grund des Vorgangs liegt darin, daß die meisten Menschen es für grundsätzlich unmöglich halten, in die Zukunft zu blicken, obwohl all unser Handeln in die Zukunft trägt; und daß umso mehr ein Markt geneigt ist, jeden gegenwärtigen Zustand für einen bleibenden anzusehen.
Es gibt somit einen zweifelhaften Beweggrund für den Erwerb von Aktien; die eine Gattung der Käufer erwartet eine angemessene Verzinsung ihres angelegten Kapitals, die andere Gattung erhofft einen Kursgewinn.
Sie sehen, wie stark der Ertragsfaktor die Bewertung des Aktienpakets, des Aktienkapitals beeinflußt. Es ist also keinesfalls zutreffend — und das beweisen diese Ausführungen von Rathenau —, daß etwa der Substanzwert eines Unternehmens die Bewertung des Aktienkapitals entscheidend beeinflusse. Ganz im Gegenteil, der Ertragswert ist wesentlich wichtiger als der eigentliche Substanzwert. Der Einwand der Doppelbesteuerung wird aber gerade daraus hergeleitet, daß man behauptet, die Substanz des Gesellschaftsvermögens sei bereits belastet. Dieser Substanzwert hat für den Wert der Aktien, wie ich dargelegt habe, nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Hauptbedeutung des Wertes der Aktien liegt nicht im Substanzwert, sondern im Ertragswert.
Die Behauptung, daß der Aktienbesitz noch ein echter Sachanteil sei, trifft aber auch aus rechtlichen Gründen infolge der Struktur unseres ganzen Aktienrechtes, auf das ich im einzelnen nicht mehr eingehen will, gar nicht zu. Die Aktie hat durch unser jetzt geltendes Aktienrecht ein so geringes Herrschaftsrecht, daß sie mit einem bloßen Darlehen durchaus vergleichbar geworden ist. Welcher Unterschied liegt noch, wirtschaftlich gesehen, zwischen einer Wandelschuldverschreibung und einer Aktie vor? Wenn das aber richtig ist, dann kann man weder aus dem Gesichtspunkt, daß die Aktie ein Eigentumsanteil sei, noch aus dem Gesichtspunkt, daß der Substanzwert bereits erfaßt sei, die Belastung der Aktie als solcher ablehnen.
Der Wert der Aktien, die wir im Bundesgebiet haben, ist durch eine Veröffentlichung der Bundesregierung wie folgt dargelegt worden. Von den insgesamt 2241 Aktiengesellschaften, die bis Ende August 1951 die Neufestsetzung ihrer Kapitalverhältnisse veröffentlicht hatten, haben 1163 oder 52 v. H. ihr Kapital unverändert gelassen, bei 357 Unternehmungen — 16 v. H. — war sogar eine Erhöhung des Grundkapitals möglich, wogegen 721 Gesellschaften — 32 v. H. — zur Kapitalherabsetzung gezwungen waren. Insgesamt ist das Nominalkapital der 2241 Gesellschaften von 12 Milliarden Reichsmark auf 10,1 Milliarde D-Mark im Verhältnis 10 zu 8,4 herabgesetzt worden.
Das Verhältnis von Nominalwert und Kurswert ergibt sich aus folgenden Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes. Der Nominalwert aller Aktien der Gesellschaften, die ihren Sitz im Bundesgebiet hatten, wird auf 14 Milliarden DM angegeben. Von diesem Kapital können rund 10 Milliarden DM für die Industrie, also nach Abzug der Versicherungsgesellschaften und Banken, veranschlagt werden. Das Statistische Bundesamt hat auf Grund der bisherigen Umstellungen das Umstellungsverhältnis mit 10 zu 8,4 ermittelt, so daß sich für die Industrieaktien ein Aktienkapital mit einem Nominalwert von 81/2 Milliarden DM ergibt. Unter Zugrundelegung eines Nominalwertes der Industrieaktien von 81/2 Milliarden würde, wenn auch der Einheitswert des Gesellschaftsvermögens eine ähnliche Größenordnung haben sollte — was eine bloße Arbeitshypothese sein soll —, der Gegenwartswert der Belastung mit der Vermögensabgabe 60 % des halben Nominalwertes, mithin rund 3 Milliarden DM betragen. Der Restwert des Geschäftsvermögens würde damit noch 51/2 Milharden DM ausmachen. Der Kurswert des vorstehenden Aktienbesitzes war aber bereits erheblich höher als der Nominalwert. Unter Zugrundelegung einer Währungsgewinnabgabe von 90 % des umgestellten DM-Kapitals müßte die Gesamtbelastung also 7 3/4 Milliarden DM betragen, wenn wir die Aktien ebenso belasten wie Sparkapital, Lebensversicherung, Obligationen usw. Unser Antrag bringt demgegenüber nur eine Belastung von rund 3 Milliarden DM, damit also sogar eine erhebliche Besserstellung der Aktien gegenüber den übrigen Kapitalmarkttiteln. Ein effektiver Währungsgewinn wird dem Aktienbesitz deshalb auch noch nach unseren Vorschlägen verbleiben. Wenn eingewandt wird, daß damit die Gefahr einer Sozialisierung gegeben sei, so ist das abwegig.
Die Aktien, die neben einer Verkörperung des Substanzwertes auch eine solche des Ertragswertes darstellen, sind danach zu bewerten, welche Chancen sie bezüglich der Veräußerung und bezüglich der Möglichkeiten haben, die durch den Paketbesitz einer wirtschaftlichen Machtausübung anhängen. Es ist ja auch so. Nach dem Reichsbewertungsgesetz werden die Aktien ja auch nicht etwa nur nach dem Substanzwert bewertet werden, sondern nach Substanzwert plus Ertragswert plus Paketzuschlag. Gerade der sogenannte Paketzuschlag des Reichsbewertungsgesetzes beweist ja deutlicher als alles andere, daß die Bewertung der Aktien unabhängig von dem Substanzwert — jedenfalls weitgehend unabhängig von dem Substanzwert — nach den in der Aktie verkörperten Chancen erfolgt. Würden wir die Aktien hier aus der Belastung herauslassen, so würden wir gerade dieses Bündel von Chancen, das die Aktien verkörpern, das aber einen echten, einen realen wirtschaftlichen Wert darstellt, nicht erfassen.
Ich glaube, damit habe ich dargelegt — gerade aus den Bestimmungen des Reichsbewertungsgesetzes —, daß wir mit der Herauslassung der Aktien aus der Belastung durch das Lastenausgleichsgesetz nicht nur eine Ungerechtigkeit gegenüber den übrigen Kapitalmarktbesitzern begehen, sondern vor allem einen realen wirtschaftlichen Wert nicht erfassen, der durch die Substanzbelastung des Einheitswertes bei der Gesellschaft selbst nicht erfaßt werden kann.
Um ein Beispiel zu der Frage der Erfassung des Substanzwertes einerseits und dieser Chancen andererseits zu geben, möchte ich Ihnen das Beispiel der Gutehoffnungshütte AG. in Nürnberg und in Oberhausen vortragen. Das Gesamtkapital der Gutehoffnungshütte AG. in Nürnberg beträgt umgestellt 104 Millionen DM. Die Zahlen beweisen mehr als theoretische Erwägungen. Diese AG. besitzt das Gesamtkapital der Gutehoffnungshütte in Oberhausen mit 60 Millionen DM. Das Kapital ist mit 60 Millionen DM angegeben; der wahre Wert des Substanzvermögens der AG. in Oberhausen läßt sich auf Grund der bekannten Ziffern der Kohleproduktion und der Stahlproduktion schätzen. Wir wissen, was die Anlagen kosten, die notwendig sind, um eine Tonne Kohle zu erzeugen, und wir wissen auch, welche Kosten für die Anlagen aufgewandt werden müssen, die erforderlich sind, um eine Tonne Stahl zu erzeugen. Der Richtwert für die Tonne Kohle ist 125 DM zur Erstellung entsprechender Anlagen. Der Richtwert für Stahl ist 800 bis 1000 DM für die Erstellung entsprechender Anlagen. Wenn wir nicht diese Zahlen, sondern die von anderen Werken vorgelegten Bilanzziffern zugrunde legen, nämlich nur 25 DM, also ein Fünftel des Neuerstellungswerts für die Tonne Kohle, so ergibt sich für die Oberhausener AG. bereits ein Substanzwert für die Kohleanlagen von 72,6 Mill. DM, für die Stahlanlagen bei Zugrundelegung von 175 statt 800 DM ein Substanzwert von 212 Millionen DM. Ferner besitzt diese GHH Nürnberg das Aktienkapital an der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg mit einem Kurswert von 207 Millionen DM. Wenn wir aber die Sachwerte auf Grund der vorher erwähnten Richtwerte zusammenrechnen, kommen wir auf ein Substanzvermögen von 1185 Millionen DM bei einem Nominalaktienkapital von 60 Millionen DM.
Hier zeigt sich, daß es eben nicht richtig ist, was der Berichterstatter, Herr Dr. Atzenroth, in seinem Bericht gesagt hat, die Frage des Einheitswertes tauche nur für Grundbesitz, landwirtschaftliches Vermögen und dergleichen auf, dagegen nicht für das Betriebsvermögen. Auch bei dem Betriebsvermögen kann ja auf Grund der Vorschriften des D-Markbilanzgesetzes nicht eine uferlose Bewertung nach oben erfolgen, sondern die Neubewertung der Anlagen ist an bestimmte Grenzen gebunden; man kann auch nach unten bewerten. Wie Sie an dem angeführten Beispiel erkennen, ist bei einer Kapitalneufestsetzung von 60 Millionen DM ein innerer Substanzwert von wenigstens 1185 Millionen DM vorhanden. Daß dieses Kapital, das in der Firma arbeitet, das in Form von Rücklagen und stillen Reserven in der Firma sitzt, den Aktienbesitzern eine ganz gewaltige Verdienstchance, eine ganz gewaltige Chance auf Kurssteigerung und Vermögenszuwachs gibt, ist ganz selbstverständlich. Die Familie Haniel, die 60 % der GHH
in der Hand hat, die ein Paket mit dem Nominalwert von 36 Millionen DM in der Hand hat, hat praktisch nicht 36 Millionen, sondern doch 600 oder 700 Millionen in der Hand.
Es ist geradezu lächerlich, zu sagen, hier liege eine Doppelbelastung vor. Sobald man den Zahlen etwas auf den Grund geht und die Wirklichkeit untersucht, kann man sich dieser Argumentation nicht mehr anschließen, die von den Gegnern der Belastung des Aktienbesitzes vorgebracht wird. Wenn durch die Finanzminister sämtlicher Länder und den Finanzminister des Bundes in der gesamten Steuerpraxis der vergangenen Jahre eine entsprechende Handhabung widerspruchslos stattgefunden hat, so können wir doch nicht mit einem solchen fadenscheinigen Argument eine derartige wohlfundierte und wohlüberlegte Praxis ausräumen.
Es wird darauf hingewiesen, daß die Aktiengesellschaften große Kriegsschäden erlitten hätten und daß man deshalb auf die „armen" Aktienbesitzer Rücksicht nehmen müsse. Eine Repräsentativerhebung des Bundesfinanzministeriums hat ergeben, daß bei vierzehn großen Aktiengesellschaften des Ruhrgebiets, die Kriegsschäden erlitten hatten, die Kriegsschäden wesentlich geringer waren als der Vermögenszuwachs während des Krieges durch die Aufrüstungen und durch die entsprechenden Anlagen, die vom Dritten Reich finanziert worden sind.
Diese Erhebung war im Rahmen der Währungsgewinnabgabe notwendig. Es ist also mit den angeblich großen Kriegsschäden der Aktiengesellschaften gar nicht so schlimm, wenn der Vermögenszuwachs während des Krieges tatsächlich viel größer gewesen ist als die angeblichen Kriegsschäden.
Es wird eingewandt, daß eine entsprechende Maßnahme den Geldmarkt beeinflussen könne, es sei möglich, daß dann Aktien auf den Markt kämen. Meine Damen und Herren, es ist doch wirklich äußerst erwünscht, daß etwas mehr effektives Material auf den Markt kommt, damit nicht bei jeder kleinen Nachfrage die Aktien sofort ins Uferlose klettern und ein wilder Börsenboom nach Muster des vorigen Jahrhunderts bei uns entstehen kann. Es wäre äußerst erwünscht, daß. auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes eine Stabilisierung der Börse herbeigeführt wird. Die Summen, die dabei in Frage kommen, sind zudem so gering, daß sie weit unterhalb der Dividendenausschüttungen liegen. Dasjenige, was der Aktionär im Laufe von 27 Jahren dem Lastenausgleichsfonds zu zahlen hat, macht nur einen Bruchteil der Dividenden aus, die er bei der derzeitigen Verzinsung erwarten kann, und zwar nachhaltig erwarten kann, weil in dem Aktienkapital, wie es neu festgesetzt worden ist, diese ganz gewaltigen Reserven sitzen, wie ich sie Ihnen am Beispiel der Gutehoffnungshütte zeigen konnte.
Es wird eingewandt, daß in manchen Fällen die Aktien dann doch als echte Sachwerte anzusehen seien, nämlich wenn es sich um Einmanngesellschaften oder um Familiengesellschaften oder um solche Firmen handle, bei denen die Aktien keinen Kurswert hätten, nicht an der Börse zugelassen seien und dergleichen. Diesen Einwand haben wir in der Formulierung unseres Antrags entsprechend den Vorschlägen des Bundesrats berücksichtigt.
Es wird ferner eingewandt, daß ein unterschiedlicher Erhebungssatz für Sachwerte und Kapitalmarktwerte nicht gerechtfertigt sei, daß dann, wenn schon Aktien höher herangezogen werden sollten, auch sämtliche Sachwerte höher herangezogen werden müßten. Diese Betrachtungsweise verkennt den schon geschilderten liquiden Charakter der Aktie als eines echten Kapitalmarktpapieres. Während Sachwerte nur schwierig veräußert werden können, sind die Rechte, die durch Wertpapiere verkörpert werden, gerade dazu bestimmt, umgesetzt zu werden; sie nähern sich dem Geld in ihrem Charakter und sind deshalb höher zu bewerten als Sachwerte, wie das Geld als höchstwertiges Gut einen entsprechend höheren Wert hat. Mit Aktien kann man ebenso wie mit dem Gelde alle anderen Güter erwerben. Es ist deshalb nicht mehr als recht und billig, die Belastung anderer nicht gleich umsatzfähiger Güter wie Aktien geringer zu halten.
Das meiner Ansicht nach entscheidende Argument, das für die Erfassung spricht, ist aber ein psychologisches. Das Vertrauen in die Währung, das durch die Kapitalvernichtungsvorschriften der Währungsgesetzgebung verlorengegangen ist, kann nur durch eine wenigstens teilweise Wiederherstellung der Besitzansprüche der Besitzer anderer Kapitalmarkttitel, insbesondere der großen Masse der Sparer, wiedergewonnen werden. Es nützt für unsere Volkswirtschaft überhaupt nichts, wenn ein kleiner Kreis von Aktionären mit 100 % ihres Vermögens ungeschoren bleibt, während die große Masse der Sparer mit 35 Millionen entweder ihr gesamtes Sparkapital verloren oder aber nur einen geringen Betrag zwischen O und 6,5 % erhalten hat. In dieser ungerechten Behandlung liegt die Wurzel des von uns allen beklagten Versiegens des Kapitalmarktes. Wenn wir diese ungerechte Behandlung fortsetzen, wird unsere Volkswirtschaft auch keinen Kapitalmarkt wieder bilden können. Alles andere ist Flickwerk. Hier muß die Gerechtigkeit einsetzen, den einen Kapitalmarkttitel so zu behandeln wie den anderen und dadurch die Aufwertung der Altsparer-Guthaben erst zu ermöglichen. Die innere Solidarität zwischen Kleinanleger und Großanleger muß in der Art und Weise der Durchführung des Lastenausgleichs zur Geltung kommen. Nur wenn diese innere Solidarität bewiesen wird, wird es wieder einen Kapitalmarkt geben. Einem Appell wegen eines Opfers werden sich die Aktionäre nicht verschließen. Manche Aktionäre, mit denen ich gesprochen habe, sind höchst erstaunt darüber, daß man ihren Aktienbesitz auf Grund komplizierter Überlegungen, die sie selbst gar nicht recht verstehen, aus der Lastenausgleichsbelastung herausnehmen will.
Es ist doch ein Trugschluß, der uns hier vorproduziert wird, dem leider bisher im Ausschuß eine ganze Anzahl von Ausschußmitgliedern zum Opfer gefallen ist. Aber ich hoffe, daß gerade diese Erörterung im Plenum in dieser entscheidend wichtigen Frage auf eine so aufgelockerte Bereitschaft, diese Dinge zu sehen, trifft, daß wir hier in einem entscheidenden Punkt zu einer gerechteren Regelung kommen.
Es kommt hinzu, daß gerade diejenigen Kreise, die Aktienbesitzer sind, im Zuge der Steuer- und Wirtschaftspolitik und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre besonders begünstigt worden sind.
— Herr Atzenroth, ich werde es Ihnen gleich beweisen. Dies gilt außer für die durch das D-Mark-
bilanzgesetz geschaffenen Möglichkeiten und die
— Nein, ich habe etwas anderes behauptet. Ich habe gesagt, die D-Markbilanz gestattet, das Gesellschaftsvermögen in einem weiteren Rahmen frei zu bewerten und dadurch Abschreibungsmöglichkeiten für Sachwerte zu schaffen, die bereits völlig oder teilweise abgeschrieben waren, und dadurch den Aktionären eine Chance, einen Ertragswert zuzuführen, den die Aktionäre sonst nicht haben würden. Ich weise auf die Möglichkeiten der 7erReihe des Einkommensteuergesetzes hin; ich weise auf die außerordentliche Anreicherung im Vorratsvermögen der gewerblichen Wirtschaft hin; ich weise darauf hin, daß durch die allgemeine Warenknappheit nach 1948 gerade der Wiederaufbau der industriellen Anlagen über die Preise in einem Maße ermöglicht worden ist, wie es anderen Kreisen unseres Volkes doch nicht möglich war. Alle diese Chancen sind dem Aktienbesitz zugeflossen. Gerade diese Begünstigung darf man nicht vergessen.
Zusammenfassend möchte ich also sagen, daß es bei formaljuristischer Betrachtungsweise unmöglich ist, Doppelbesteuerung zu behaupten, da formaljuristisch zwischen dem Einzeleigentümer mit seinem Aktienbesitz und dem Gesellschaftsvermögen im Besitz der Aktiengesellschaften keinerlei Identität besteht. Das ist formaljuristisch unbestreitbar. Wirtschaftlich gesehen liegt aber eine Doppelbesteuerung deshalb nicht vor, weil tatsächlich die Aktie ein Plus- ist gegenüber dem bloßen Substanzwert, der in der Gesellschaft vorhanden ist. Endlich ist es ein Fehler der Währungsgesetzgebung, die die Fülle der Kapitalmarktansprüche vernichtet oder im Verhältnis 100 zu 6,5 zusammengestrichen hat. Dieser Fehler der Währungsgesetzgebung verlangt von uns, daß hier, wenn schon, dann alle Kapitalmarkttitel gleichmäßig behandelt und gleichmäßig zu den Lasten des Lastenausgleichsgesetzes herangezogen werden.
Ich bitte Sie deshalb, unseren Vorschlag zu akzeptieren, der sich mit dem Vorschlage des Bundesrates deckt, damit die Aufwertung der Guthaben der Altsparer möglich wird, die wir in dem Gesetzentwurf unserer Fraktion besonders beantragt haben und die von allen hier im Hause als notwendig bezeichnet worden ist.