Rede von
Dr.
R. Martin
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorhergehende Aussprache in der zweiten Lesung und einige Bemerkungen des Herrn Ministers veranlassen mich, noch einmal nicht nur kurz, sondern etwas ausführlicher über das Gesetz zu sprechen. Dazu bewegen mich drei Gründe. Wir haben in der ersten Lesung keine Debatte gehabt, und ich bin der Meinung, daß die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, zu wissen, worum es letzten Endes in diesem Landpachtgesetz geht. Zum zweiten: wir sollten als Mitglieder des Ernährungsausschusses nicht immer unser Licht unter den Scheffel stellen. Ich bin der Meinung, mit der Vorlage der Drucksache Nr. 3188 haben wir den Beweis angetreten, daß wir uns als Bundestag nicht im Schlepptau der Verwaltung befinden, sondern daß wir ein ganz erhebliches Stück Arbeit geleistet haben, mit dem wir uns auch in der Öffentlichkeit durchaus sehen lassen können.
Es gibt noch einen dritten Grund, weshalb ich das Wort jetzt ergreife. Schon in der Einleitung der schriftlichen Begründung finden Sie, daß über eine Million Betriebe von zwei Millionen insgesamt von diesem Gesetz betroffen werden. Ich meine, wir sind es den Menschen, um die es hier geht, schuldig, auch darüber etwas zu sagen. Ich will bemüht bleiben, so sachlich wie möglich zu sprechen, ohne in die Polemik einzusteigen.
Die Frage ist, wie gesagt, von enormer Bedeutung, und es ist durchaus verständlich, daß seit der Vorlage des Gesetzes anderthalb Jahre verstrichen sind.
Es wäre durchaus interessant, wenn man etwas über die soziale Problematik des Landes in diesem Zusammenhang sagen könnte, und darüber hinaus wäre es noch interessanter, auf die Geschichte des Pachtwesens einzugehen. Aber ich glaube, das führt zu weit; ich will mich daher nur mit dem Gesetz befassen.
Nach dem ersten Weltkrieg haben wir in sechs oder sieben Reichsgesetzen und auch in Ländergesetzen die Pachtfragen geregelt. Auch heute noch gilt die Reichspachtschutzordnung vom Jahre 1940, die nach der Ablösung der Kriegsverordnung von 1944 bis zum heutigen Tage in Kraft ist. Ich bin durchaus der Meinung, daß es recht war und recht ist, diese Reichspachtschutzordnung abzulösen und den gegebenen Verhältnissen anzupassen.
Was die Ziele anlangt, die sich die Regierung mit dieser Vorlage gestellt hat, so kann man dem Punkt 1 durchaus zustimmen, wonach die Regierung mit der Vorlage die Rechtseinheit wiederherzustellen wünscht.
Das zweite Hauptziel finden Sie in der Begründung dargestellt. Dort heißt es wörtlich:
Es handelt sich darum, den aus agrarpolitischen und sozialpolitischen Gründen notwendigen Pachtschutz mit dem Grundsatz der Vertragstreue und der Notwendigkeit einer Belebung des Pachtmarktes in Einklang zu bringen.
Auch dieses zweite Ziel ist schön und gut; aber es kommt auf die Auslegung an, ob man nämlich das Schwergewicht auf die erste oder auf die zweite Hälfte des Satzes legt. Die Mehrheit des Ausschusses und, ich glaube, auch die Mehrheit des Bundesrats war allerdings dabei anderer Meinung als die Bundesregierung. Die Begründung der Bundesregierung geht davon aus, daß durch den bisherigen Pachtschutz eine Erstarrung auf dem Pachtmarkt eingetreten sei, daß dadurch weniger Pachtland angefallen sei und daß man also diesen Pachtschutz soweit wie möglich lockern solle. Nun, von einer Erstarrung des Pachtmarktes durch die ehemalige Reichspachtschutzordnung kann meines Erachtens nicht die Rede sein; denn nach der Aufhebung der Kriegsverordnung von 1944 war der Weg für eine Auflockerung des Pachtmarktes frei, und jeder, der ehemals Verpächter war, aber dann selbst wirtschaften wollte, konnte nach Ablauf der Verträge dazu übergehen.
Wenn Sie das bestreiten, dann darf ich es an einem persönlichen Beispiel darstellen. Meine Familie war 150 Jahre lang Pächter eines Gutes. Diese Pacht lief im Jahre 1947 ab. Trotz aller Bemühungen bei den Gerichten gelang es nur, die Pachtzeit um zwei Jahre zu verlängern,
damit wir Gelegenheit hatten, uns etwas anderes zu suchen. Sie ersehen daraus, daß die Gerichte keineswegs so schändlich für die Herren Verpächter gehandelt haben, wie es immer dargestellt wird.
Ich bin der Meinung, daß der Wille, nicht mehr zu verpachten, nicht im alten Pachtrecht zu suchen ist, sondern die Gründe dafür liegen vor allen Dingen auf allgemeinwirtschaftlichem Gebiet, insbesondere darin, daß die Lage der Landwirtschaft vor allen Dingen in den Jahren von 1945 bis, sagen wir, 1950 wesentlich besser gewesen ist und eine höhere Sicherheit gewährte. Was uns mißtrauisch gemacht hat, waren insbesondere dig dauernden Hinweise der Herren Verpächter auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Hinter diesem Grundsatz verbargen sich meines Erachtens materielle Interessen und nichts anderes.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, können Sie doch nicht die Tatsache abstreiten, daß der Boden als Grundlage der Volksernährung keine beliebig vermehrbare Ware ist und wenigen Angeboten von Pachtobjekten eine riesige Nachfrage gegenübersteht. Diese Nachfrage wird insbesondere durch den Flüchtlingsdruck und neuerdings auch noch durch die Inanspruchnahme von Land für Industrie und Verteidigung verursacht. Wenn man diesen Druck dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage aussetzen wollte, dann würde die Folge nicht nur sein, daß die Produktion für den Augenblick sinkt, sondern soziale Wunden größten Ausmaßes auf dem Lande aufgerissen würden und letzten Endes eine weitere Verteuerung der Produktion einträte. Und daran könnte keiner interessiert sein.
Wir Sozialdemokraten sind insbesondere mit der Auffassung an die Arbeit herangegangen, daß wir demjenigen einen angemessenen Schutz zubilligen, der sich der Landarbeit widmet. Diesem muß man das Streben nach Wirtschaftlichkeit aussichtsvoll machen.
Dabei sind wir der Meinung, daß natürlich dieser angemessene Schutz die Wanderung des Bodens zum besten Wirt nicht verhindern darf und soll. Unter diesem Gesichtswinkel sind wir an die Arbeit gegangen und waren darüber hinaus von dem Willen beseelt, hier zu einer dauerhaften, für beide Teile tragbaren Lösung zu kommen.
Ich will nicht auf die Bedeutung der einzelnen Paragraphen eingehen, aber doch bemerken, daß § 2, in dem die Langfristigkeit festgelegt wird, für uns sehr bedeutungsvoll ist. Ich habe schon vorhin ausgeführt, daß wir in der Langfristigkeit ein Kernstück des Gesetzes sehen. Wenn die Langfristigkeit nicht verankert gewesen wäre, hätten wir dem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben können.
Bedeutungsvoll sind weiter die §§ 3 bis 5, in denen an Stelle der Genehmigungspflicht die Anzeigepflicht vorgesehen ist. Wir sind der Meinung, daß man dem durchaus folgen kann. Es ist die Auffassung des Ausschusses, daß man dem Produktions- und Sozialgrundsatz hier Rechnung trägt und ihn in das richtige Verhältnis rückt. Darüber hinaus sind wir darüber erfreut, daß es uns gelungen ist, eine Aufteilung der vorhandenen Betriebe aus spekulativen Gründen zu verhindern. Wir haben dabei an das Schicksal der wüsten Höfe gedacht. Man muß auch an dieser Stelle daran erinnern, daß die sogenannten wüsten Höfe kaum
wieder zum Leben zu erwecken sind und daß dies zum mindesten außerordentlich schwer und mit ungeheuren Kosten für das Land und für den einzelnen verbunden ist.
Was die Pachtpreisregelung anlangt, so wünschen auch wir eine recht elastische Handhabung. Auch wir wollen keine Preisbindung und haben daher den entsprechenden Paragraphen zugestimmt. Aber wir wollen doch Preise verhindern, die selbst bei guter Bewirtschaftung unmöglich zu erbringen sind. Ich glaube, daß uns das Beispiel, das der Herr Minister Lübke aus dem Lande Belgien angeführt hat, eine Warnung war und daß Holland uns eben ein Beispiel war.
In § 14, auf den ich noch hinweisen darf, soll versucht werden, daß alle auf unbestimmte Zeit und mündlich abgeschlossenen Verträge durch schriftliche Verträge ersetzt werden. Das ist durchaus im Sinne unserer Auffassung.
Wie schon vorhin bei der Beratung des § 18 dargetan worden ist, haben die Beratungen über das Heuerlingswesen eine ganz besondere Rolle gespielt. Ich würde nicht nochmals darauf eingehen, wenn die ausführliche Darstellung in der schriftlichen Begründung zur Vorlage Drucksache Nr. 3188 nicht auffallend wäre. Ich glaube, hier werden Tendenzen aufgezeigt, die einfach nicht gegeben sind.
Zum Schluß darf ich sagen, daß wir in dem Gesetz unsere Wünsche nicht voll verwirklicht gesehen haben. Wir hätten gewünscht, daß der Gedanke eines sozialen Schutzes der gutwirtschaftenden Pächter stärker verankert worden wäre. Wir sind aber der Auffassung, daß eine für lange Zeit tragbare Lösung gesucht werden muß und daß es im Interesse der Hunderttausende von Existenzen notwendig ist, eine breite Mehrheit für ein solches Gesetz zu finden. Trotz der Ablehnung aller unserer Anträge und trotz der Wiederherstellung der Regierungsvorlage in § 18 werden wir dem Gesetz zustimmen, weil wir glauben, daß in den übrigen Paragraphen des Gesetzes gegenüber der Regierungsvorlage viele und gute Verbesserungen eingeführt worden sind. Diese veranlassen uns, dem Gesetz zuzustimmen.