Rede von
Dr.
Wilhelm
Niklas
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor Sie in die dritte Lesung des Gesetzes eintreten, daß ich noch einige grundsätzliche Ausführungen zu der Vorlage mache, über die Sie jetzt abschließend zu entscheiden haben.
*) Schriftlicher Bericht siehe Anlage Seite 8739.
Der Beschluß des Hohen Hauses, mit dem die Bundesregierung ersucht worden ist, den Entwurf eines Gesetzes über das landwirtschaftliche Pachtwesen vorzulegen, datiert bereits vom März des Jahres 1950. In der seitdem verflossenen Zeit sind die mit der Pacht zusammenhängenden Fragen zunächst in aller Gründlichkeit mit den berufsständischen Vertretungen der Landwirtschaft, mit Pächtern und Verpächtern beraten worden; denn wenn das neue Gesetz das gesteckte Ziel erreichen soll, den Beginn einer neuen aktiven Pachtpolitik zu bilden, dann können die Dinge nicht etwa gegen, sondern nur mit der Landwirtschaft gestaltet werden. Der Entwurf ist dann weiter im Bundeskabinett, im Bundesrat und dann in den Ausschüssen des Bundestags eingehend und mit Bedacht behandelt worden und hat die Ihnen jetzt vorliegende Fassung erhalten.
Ich will mich nicht mehr in Einzelheiten des Entwurfs verlieren; denn hierzu hat der Herr Berichterstatter bereits in dem Ihnen vorgelegten schriftlichen Bericht das gesagt, was zu sagen ist. Er hat vor allem auf die agrarpolitische und agrarwirtschaftliche Bedeutung, die dem Pachtwesen zukommt, hingewiesen. Ich möchte aber nicht verfehlen, an dieser Stelle besonders zu betonen, daß der Pächterstand mit die aktivsten und fortschrittlichsten Landwirte in seinen Reihen sah und sieht. Wenn ich ferner feststelle, daß die Zupacht vielen Betrieben erst die Grundlage für eine gesunde Wirtschaft bietet, und wenn ich dazu noch auf die unbestrittene Bedeutung der Pacht für die Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolks in die westdeutsche Landwirtschaft hinweise — bis jetzt sind ohne die sonstigen Verpachtungen allein auf Grund des Flüchtlingssiedlungsesetzes rund 9 200 Heimatvertriebene als Pächter angesetzt worden —, dann dürfte damit dargetan sein, welches Gewicht der Pacht im Rahmen der westdeutschen Landwirtschaft zukommt.
Deshalb werden Sie, meine Damen und Herren, verstehen, weshalb die Bundesregierung und nicht zuletzt ich als Landwirtschaftsminister uns ausdrücklich zur Pacht bekennen und dieses Instrument mit allen Kräften aktivieren wollen. Bei allem Verständnis für die Forderung, daß Eigentum am landwirtschaftlichen Grund und Boden und Bewirtschaftung möglichst in einer Hand liegen, darf ich doch sagen, daß ein gut bewirtschafteter Pachtbetrieb volkswirtschaftlich wettvoller ist als ein Betrieb, der von seinem Eigentümer mehr schlecht als recht bewirtschaftet wird.
Überspitzter Pachtschutz, Preisstopp und nicht zuletzt eine weitgehende Diskriminierung der Pacht haben sich nachteilig auf das Pachtwesen ausgewirkt, haben zu einer regelrechten Erstarrung des Pachtmarktes geführt.
Pachtschutz ist sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus sozialen Gründen notwendig. Aber das darf nicht dazu führen, daß die Grundlage eines Pachtverhältnisses, der Vertrag, völlig mißachtet wird. Vielfach sind durch den zu weitgehenden Pachtschutz schlechte Pachtverhältnisse konserviert worden, und der Zugang zur Pacht war Bewerbern, die bestens qualifiziert waren, verschlossen. Deshalb will der Entwurf in vertretbarem Umfange den Pachtschutz lockern und den Grundsatz der Vertragstreue mit der Forderung nach Pachtschutz in Einklang bringen. Außerdem bedeutet Pachtschutz keine einseitige Begünstigung des Pächters, sondern auch der Verpächter soll ihn genießen, so z. B. dadurch, daß er bei wesentlicher
Änderung der Verhältnisse eine Änderung eines langfristigen Pachtvertrages bei Gericht beantragen kann.
Preisstopp, ja und nein. Ja, wenn ich ihn ansehe als eine Möglichkeit, die Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung auf den Pachtpreis zu steuern und zu überwachen. Nein, wenn er starres Festhalten an den Stoppreisen nach dem Stande von 1936 bedeutet. Das starre Festhalten am Preisstopp führt im Extrem zu dem Ergebnis, das z. B. der Eigentümer eines verpachteten Hofes mit einem Einheitswert von 150 000 DM Armenunterstützung bezieht. Die Höhe des Pachtpreises wirkt sich sowohl auf die Bewirtschaftung eines verpachteten Grundstücks — also altrar- und ernährungspolitisch — als auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Pächters — also sozialpolitisch — aus. Bei dem Mangel an Land und der zum Teil sehr starken Nachfrage besteht die Gefahr, daß die Pachtpreise eine Richtung einschlagen, die in beiderlei Hinsicht schädliche Auswirkungen haben kann. Der Pachtpreis muß im richtigen Verhältnis zum nachhaltigen Ertrage stehen. Dieses richtige Verhältnis sollen die Vertragsparteien an Hand von Pachtpreisrichtlinien, die in Zusammenarbeit mit dem Berufsstand ausgearbeitet werden, finden. Wo sie es nicht finden, kann der Staat eingreifen, indem er einen derartigen Vertrag beanstandet und gegebenenfalls zur Auflösung bringt. Wir lehnen den Preisstopp ab, aber wir bejahen ausdrücklich die Notwendigkeit einer ausreichenden und wirksamen Kontrolle der Pachtpreise.
Die Diskriminierung der Pacht nannte ich als dritte Ursache für den Niedergang der Pacht. Sie drückt sich z. B. darin aus, daß nach den Bodenreformgesetzen verpachtetes Land in erster Linie in Anspruch genommen werden soll, während auf der anderen Seite durch eine erleichterte Möglichkeit, Pachtverhältnisse aufzulösen, der Pächter, der den der Bodenreform unterliegenden Grund und Boden oft generationenlang vorbildlich bewirtschaftet hat, als erster der Leidtragende dieser Reform war. Mit diesen Fragen befaßt sich der Entwurf zwar nicht. Aber wenn wir eine aktive Pachtpolitik betreiben wollen, muß in der kommenden Gesetzgebung, besonders auch auf dem Gebiete der Enteignung, alles vermieden werden, was dieses Ziel beeinträchtigen könnte.
Noch ein Wort zur Frage: staatliche Kontrolle des Pachtwesens und Anzeige- oder Genehmigungsverfahren. Der Staat kann bei der gegebenen Sachlage nicht auf eine Einflußnahme auf das Pachtwesen verzichten. Bisher vollzog sich diese Einflußnahme — oder besser, sie hätte sich vollziehen sollen — nach den Vorschriften über den Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken, derzeit noch ' geregelt im Kontrollratsgesetz Nr. 45. Tatsache ist aber, daß der größte Teil der Parzellenpachtverträge und ein erheblicher Teil der Hofespachtverträge nicht der Genehmigungsbehörde vorgelegt worden sind und daß damit diese Verträge schwebend unwirksam sind. Jedenfalls kann man aus den Erfahrungen der letzten Jahre den Schluß ziehen, daß sich das Genehmigungsverfahren für Pachtverträge nicht durchgesetzt und nicht bewährt hat. Hinzu kommt, daß im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte im Grundstücksverkehr so viel Genehmigungen eingeführt worden sind, daß man schon von einem Genehmigungsunwesen sprechen kann, das man möglichst abbauen sollte.
Auch bin ich der Auffassung, daß die Dinge des privaten Rechtsverkehrs nicht unbedingt besser werden, wenn sich die Behörden zu sehr darum kümmern. Deshalb sind wir hier bewußt vom Genehmigungsverfahren abgegangen und haben das Anzeigeverfahren eingeführt, das die von mir als notwendig bezeichnete staatliche Kontrolle in genügendem Umfange gewährleistet. Vor allem — und das ist entscheidend — kann eingegriffen werden, wenn sich Mißstände ergeben sollten.
Manches Mitglied des Hohen Hauses wird es überrascht haben, daß eine Vorschrift des Gesetzes sich auch mit dem Heuerlingswesen befaßt, das man in seiner eigentlichen Form im wesentlichen nur in Teilen Nordwestdeutschlands kennt. Ich bin der Auffassung, daß gerade das Heuerlingswesen, diese . Verbindung zwischen Pacht und Arbeit, sich als eine besonders bewährte Einrichtung zur Sicherung von Dauerarbeitskräften für die Landwirtschaft, nicht zuletzt als ein Instrument des sozialen Aufstiegs in der Landwirtschaft erwiesen hat. Infolgedessen müssen wir Bestrebungen ablehnen, die darauf hinauslaufen, Pacht- und Arbeitsverhältnis zwangsweise zu trennen und damit eine Entwicklung einzuleiten, die gerade für die bäuerlichen Wirtschaften Nordwestdeutschlands nur verhängnisvoll 'sein könnte. Die im Entwurf vorgeschlagene Regelung soll die Möglichkeit geben, Mißstände, die sich, was nicht bestritten werden soll, auch im Heuerlingswesen ergeben haben, für die Zukunft möglichst zu vermeiden.
Soviel zum Grundsätzlichen des Landpachtgesetzes. Mit diesem Gesetz hat die Bundesregierung das erste Gesetz vorgelegt, das einen wesentlichen Teil der Agrarverfassung neu ordnet. Weitere Gesetze, wie das Flurbereinigungsgesetz und das Grundstücksverkehrsgesetz, werden folgen.
Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Landpachtgesetz wie die bereits von Ihnen verabschiedeten Marktordnungsgesetze mit die Grundlage für eine gesunde und leistungsfähige deutsche Landwirtschaft bilden wird.