Herr Präsident! Meine Damen und Herren! — Herr Kollege Wellhausen, ich kann Sie eigentlich nicht ganz verstehen; denn gerade
der Alkohol — insbesondere der Wein — hätte Anlaß zu mancherlei theologischen Betrachtungen geboten. Die Bibel ist voll von Aussprüchen über den Wein, die zwar gegensätzlich sind: Der Wein mache lose Leute und starke Getränke machen wild, aber auch, daß der Wein des Menschen Herz erfreue.
Ich spreche aber nicht zum Wein.
— Eben, ich spreche zum Branntwein. — Ich darf zunächst namens der sozialdemokratischen Fraktion erklären, daß wir dem Ausschußantrag in der vorliegenden Form zustimmen. Auf die Fragen, die an mich gestellt worden sind: Warum wollen Sie denn schon wieder etwas zur Monopolverwaltung und zum Branntwein sagen; ist denn das Objekt überhaupt bedeutend genug?, möchte ich sagen: das Objekt ist schon recht bedeutend, und wie bedeutend es ist, werden wir noch im Laufe der nächsten Monate erfahren.
Der Umsatz bei der Monopolverwaltung — ich spreche also jetzt nicht von den Steuern, sondern nur vom Umsatz der Monopolverwaltung — betrug im Jahre 1950/51 rund 156 Millionen DM. Dabei ist beachtenswert, daß nach den Ausführungen des Präsidenten der Bundesmonopolverwaltung in der 2. Sitzung des Gewerbeausschusses am 12. Dezember 1951 die reinen Verwaltungskosten rund 34,5 Millionen DM
— wohlgemerkt ohne Rückstellungen, ohne Gewinn und ohne Abschreibungen — betragen. Das sind immerhin über 21 %. Auch das ist also ein Objekt, mit dem sich das Parlament befassen sollte.
Die Ausführungen, die ich in der 192. Sitzung des Deutschen Bundestags gemacht habe, sind in der gesamten Wirtschaft, insbesondere natürlich in der Branntweinwirtschaft, sehr beachtet worden. Das zeigt, wie wichtig es war, dieses Problem anzuschneiden. Daß sich die Debatte, wie ich neulich sagte, seit 50 Jahren im Kreise dreht, geht auch aus dem Echo hervor, das meine Ausführungen gefunden haben. Obgleich ich glaube, mich deutlich genug ausgedrückt zu haben, sind meine Ausführungen doch teilweise mißverstanden worden, und teilweise sind sie von Interessenten mißgedeutet worden. Infolgedessen scheint es mir richtig, hier diese Mißverständnisse und Mißdeutungen klarzustellen.
. Die Frage ist nicht Monopol oder freie Wirtschaft, sie ist nicht Naturalkohol oder Synthesesprit, sie ist nicht landwirtschaftliche Brennereien oder gewerbliche Großbetriebe, sondern die Frage ist: Berücksichtigung volkswirtschaftliche und finanzpolitischer Belange bei Wahrung sozialpolitischer Gesichtspunkte bei der Führung der Monopolverwaltung, und hierbei — das war meine Forderung — muß das Parlament mitwirken, wie es sich aus den Befugnissen des Parlaments ergibt und wie es im Gesetz geschrieben steht. Hierbei muß auch die Wirtschaft mitwirken, wie es im Gesetz geschrieben stand und wie es durch „Führererlasse" im „Dritten Reich" geändert worden ist.
Die Wirtschaft muß also in Zukunft wieder mitwirken, und zwar muß diese Mitwirkung vollständiger und intensiver sein, als sie es vorher gewesen war. Ich strebe also — um einer weiteren Mißdeutung vorzubeugen — nicht eine Rationalisierung der Branntweinwirtschaft im Sinne der Reduzierung auf einige Hundert Großbetriebe an. Ich denke gar nicht daran, das Gewachsene und volks-
wirtschaftlich Vertretbare zerstören zu wollen. Ich glaube aber, daß man modernen gewerblichen Brennereien nicht den Schutz eines veralteten Monopolgesetzes gewähren sollte, um unwirtschaftliche Erzeugungsmethoden beizubehalten.
Die Förderung der Produktion von Synthesesprit soll nicht heißen, daß Synthesesprit zur Herstellung von Trinkbranntwein, von Pharmazeutika, von Kosmetika verwendet werden soll. Ich könnte mir denken, daß die Verwendung von Synthesesprit etwa für Pharmazeutika oder für Trinkbranntwein zu Erkrankungen führen würde, von . denen wir heute noch keine Vorstellung haben. Also auch hier soll das Natürliche nicht durch die Chemie verdrängt werden.
Es handelt sich auch nicht um einen Kampf gegen die landwirtschaftlichen Brennereien, sondern nur um einen Abbau von unwirtschaftlichen Erzeugungsmethoden. Es muß doch möglich sein, die einzelnen Spritsorten ohne Verlust zu verwerten, abgesehen von solchen, bei denen agrarpolitische und sozialpolitische Gesichtspunkte — ich sage das zu Ihnen, lieber Herr Kollege Morgenthaler — berücksichtigt werden müssen. Daher wird in Punkt 3 des Antrags der SPD-Fraktion gefordert, daß der Geschäftsbericht durch genaue Sorten- und Mengenangaben sowie Preise ergänzt wird. Dagegen ist bisher immer eingewendet worden, daß man eine solche Differenzierung nicht durchführen könne. Ich stelle aber fest — und ich will es an dieser Stelle feststellen —, daß die Bundesmonopolverwaltung in ihrem Rundschreiben R 25 vom 26. Februar 1952 eine sehr befriedigende und sehr genaue Aufstellung der Sorten und eine Differenzierung nach Herkunft und Verwendungszwecken
gegeben hat. Im Nachweisungsverkehr sollen allerdings diese „internen Sortenbezeichnungen" nicht in Erscheinung treten — auch im Verkehr mit der Kundschaft soll das nicht der Fall sein —, sondern diese Weisungen sollen rein innerbetrieblichen Charakter für die Abteilungen der Bundesmonopolverwaltung haben. In diesem Rundschreiben, welches als „vertraulich" bezeichnet wird, aber in unzähligen Exemplaren in die Welt gegangen ist und ohne weiteres auf den Schreibtisch jedes interessierten Menschen kommt, werden also am 26. Februar derartige Anweisungen an die Monopolverwaltung gegeben, nachdem unsere Forderungen nach Bekanntgabe der Sorten und Mengen längst im Bundestag erhoben worden sind.
Danach also hat es die Bundesmonopolverwaltung noch für richtig befunden, interne Anweisungen zu geben, die die Kontrolle der Bundesmonopolverwaltung unmöglich machen.
Gerade auf die Kontrolle der Bundesmonopolverwaltung aber kommt es uns an. Diese Kontrolle ist das, was das Parlament und was die Wirtschaft fordern müssen.
Noch einige weitere Punkte. Es muß gefordert werden, daß Sprit aus einheimischen Rohstoffen gebrannt wird. Ich habe das vorige Mal gesagt, daß der Rohstoff Melasse, der ein einheimischer Rohstoff ist, eine sehr große Rolle spielt und daß dieser Rohstoff in größeren Mengen ausgeführt worden ist. Wir müssen diesen Rohstoff an Stelle von ausländischen Rohstoffen, die wir mit teuren Devisen bezahlen, wie Milokorn, Mais, Weizen, Datteln, Feigen und Johannisbrot, verwenden. Bei der gegebenen wirtschaftlichen Struktur der Bundesrepublik dürften Kartoffeln und Getreide nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sein, wie sehr deutlich aus einem Aufsatz des Herrn Staatssekretärs des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nr. 19 des Informationsdienstes der Bundesregierung hervorgeht. Daß die Melassebrenner voll einsatzfähigen Sprit herstellen, ist mir natürlich bekannt. Ich habe nie etwas anderes behauptet. Meine Kritik hat sich gegen diejenigen Melasseverarbeiter gewendet, welche infolge unwirtschaftlicher Methoden Sprit zu solchen Preisen herstellen, daß er unter den Gestehungskosten verwertet werden muß. Diese meine Auffassung findet durch eine Erklärung des Herrn Stelling in der 1. Sitzung des Gewerbeausschusses vom 22. Oktober 1951 — im Protokoll auf Seite 18 — eine klare und keiner Ergänzung bedürftige Begründung.
Die Festsetzung überhöhter Verbrauchspreise durch den Präsidenten der Bundesmonopolverwaltung ohne Mitwirkung anderer Stellen beeinträchtigt die Steuerfestsetzungsbefugnis des Gesetzgebers und das Steuerbewilligungsrecht des Parlaments. Damit bedeutet dies eine diktatorische Geschäftsführung.
Ich bedauere, dieses Wort „diktatorische Geschäftsführung" nicht zurücknehmen zu können.
— Doch, es wird verlangt. Aber die ganze Fachpresse ist im übrigen auch voll von diesen Vorwürfen.
Ich möchte noch etwas zu § 177 sagen. Der Ermessensmißbrauch liegt nicht darin, daß der Paragraph überhaupt angewendet wird, denn dazu ist er da, sondern der Mißbrauch liegt darin, daß er einmal angewendet wird, um volkswirtschaftlich nicht vertretbare Brennereien zu errichten, auszuweiten oder am Leben zu halten, ein anderes Mal nicht angewendet wird, um volkswirtschaftlich wünschenswerte Betriebe zu erhalten. Nicht jede Anwendug des § 177 stellt also einen Ermessensmißbrauch dar, sondern nur die ungleiche Anwendung dieses Paragraphen.
Herr Kollege Morgenthaler, den ich noch einmal zitieren darf, hat meine Ausführungen in der 192. Sitzung als einen Generalangriff auf die Monopolverwaltung bezeichnet. Ich möchte deshalb noch einmal klar sagen: das ist ein Mißverständnis, und ich glaube, wir haben das im persönlichen Gespräch schon weitgehend geklärt. Es war nur ein Generalangriff auf die unwirtschaftliche Geschäftsgebarung der Monopolverwaltung und auf Entscheidungen, wie sie im Bundesfinanzministerium gefällt worden sind, welche zusammengenommen, unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, auf eine Vergeudung allgemeiner Steuermittel hinauslaufen.
Die Obstbrenner müssen wir in diesem Zusammenhang ganz besonders betrachten. Ich sagte schon einmal, daß ihre Erzeugung mengenmäßig gar keine Rolle spielt. Falls die gegenwärtige Regelung nicht ausreicht, wird man nach neuen Regelungen suchen müssen, um das, was dort in gewissen Landschaften historisch gewachsen ist und was abseits vom Verkehr sich so entfaltet hat, nicht zu stören und vor allen Dingen nicht zu zerstören. Das hat nicht in meiner Absicht gelegen.
Auch die Gretchenfrage, die mir jetzt so oft gestellt wird: Sind Sie ein grundsätzlicher Gegner
des Monopols?, möchte ich kurz dahin beantworten: ich habe überhaupt nur ganz wenige Grundsätze, die Fragen der allgemeinen Lebenshaltung,
also nur Fragen der Grundhaltung zum Leben betreffen. Alles andere sind Zweckmäßigkeitsfragen. Die Monopolverwaltung kann, wenn sie nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt wird, wie es das Gesetz vorschreibt, und wenn das Monopolgesetz den Bedürfnissen der Gegenwart angepaßt wird, durchaus erhalten bleiben. Ich habe darüber noch keine endgültige Meinung.
Die Stellung des Bundesfinanzministers in bezug auf die Monopolverwaltung sieht der Herr Bundesfinanzminister allerdings meiner Ansicht nach falsch. Er sagte, die Branntweinmonopolverwaltung stehe zum Bundesfinanzminister — wie er sich ausdrückte —, „um einen groben Vergleich zu gebrauchen", ungefähr wie der Vorstand einer Gesellschaft zum Aufsichtsrat dieser Gesellschaft. Bei dieser Auffassung könnten sich meines Erachtens einmal Schwierigkeiten für den Herrn Bundesfinanzminister ergeben. Er führt nach dem Branntweinmonopolgesetz die Dienstaufsicht über die ihm nachgeordnete Behörde, die Bundesmonopolverwaltung, die sich wiederum gliedert in das Bundesmonopolamt — auch eine Behörde — und die Verwertungsstelle, die, wie es ausdrücklich im Gesetz heißt, nach kaufmännischen Gesichtspunkten geleitet werden soll. Die Anordnungsbefugnis des Herrn Bundesfinanzministers geht nach dem Gesetz wesentlich weiter, als den Ausführungen des Herrn Ministers zu entnehmen ist.
Der Herr Bundesfinanzminister bat um die Freundlichkeit, doch „rechtzeitig in aller Offenheit, Freundschaft und Freundlichkeit" ihn darauf aufmerksam zu machen, wenn eine Diktatur drohe. Diese Bemerkung hat im Hause den Eindruck erweckt, als ob ich ihn plötzlich mit einer Kritik überfallen hätte, die ihm bis dahin unbekannt geblieben wäre. Leider ist der Herr Bundesfinanzminister nicht im Hause; aber Herr Staatssekretär Hartmann weiß auch, in wievielen Besprechungen mit dem Herrn Minister, mit dem Herrn Staatssekretär und den ihm nachgeordneten Beamten ich auf diesen und jenen Mißstand hingewiesen habe. Ich glaube, auch Herr Staatssekretär Hartmann kann nicht bestreiten, daß ich Herrn Minister Schäffer stets in aller Offenheit, Freundschaft und Freundlichkeit entgegengetreten bin. Daran soll es auch in Zukunft, wenn wir uns gemeinsam an die Neuordnung dieser Dinge machen, nicht fehlen.