Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich mich auf das außenpolitische Gebiet begeben und Ihnen ebenfalls ein solches Bukett von Forderungen überreichen werde, wie es der Kollege Paul für richtig gehalten hat.
Wenn das richtig wäre, wenn die Verhältnisse der Handwerker in der Ostzone so wären, wie sie der Herr Kollege Paul hier dargestellt hat, wie kommt es dann, so frage ich mich, daß auch Handwerker aus der Ostzone in die Westzonen kommen, um hier eine Existenz zu suchen und zu finden?
Wenn Herr Kollege Paul glaubt, daß er mit diesen Bemerkungen irgendeinen Handwerker aus den Westzonen nach der Ostzone locken kann, dann ist er, glaube ich, auf dem Irrweg.
— Er geht ja selbst nicht!
Doch nun zum Thema. Gestatten Sie mir, zur Drucksache Nr. 3140 einige Bemerkungen zu machen. Die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks ist heute nachmittag hier schon in den verschiedensten Reden und Ausführungen zum Ausdruck gekommen. Es ist richtig, daß das Handwerk mehr als drei Millionen Beschäftigte zählt, daß es an dem Umsatz der gesamten Wirtschaft mit einem Sechstel beteiligt ist und daß diese volkswirtschaftlich große Organisation, dieser große Zweig der deutschen Volkswirtschaft auch in bezug auf die Kredite einer besonderen Fürsorge bedarf. Aber erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einmal ein paar Zahlen nenne, die, glaube ich, im Widerspruch zu den Zahlen stehen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier bekanntgegeben hat. Ich weiß nicht, ob Sie in den 600 und soviel Millionen, die ich Ihnen gleich nennen werde, enthalten sind, aber bei oberflächlicher Berechnung hat der Herr Wirtschaftsminister doch etwas mehr angedeutet.
Die Bank deutscher Länder bringt in ihren Monatsberichten u. a. laufend eine Gliederung der Kredite nach Wirtschaftszweigen und Kreditnehmergruppen. Aus dieser Statistik ergibt sich, daß der Anteil der mittelfristigen Kredite für Handwerksbetriebe gemessen an der Gesamtzahl der gewährten Kredite seit der Währungsreform nur 2,1 % beträgt. Effektiv hat das Handwerk von insgesamt 10,626 Milliarden an mittel- und langfristigen Krediten nach dem Stand vom 31. Dezember 1951 ganze 236 Millionen erhalten. Bei den kurzfristigen Krediten ergibt sich ungefähr das gleiche Verhältnis: 2,7 %. Demgegenüber betrug aber der Anteil der Industrie an dem Gesamtbetrag der mittel- und langfristigen Kredite rund 35 %, und bei den kurzfristigen Krediten kommt die Industrie sogar auf mehr als 50 %. Der Handel überflügelt das Handwerk bei den mittel- und langfristigen Krediten um rund 50 %. Bei den kurzfristigen Krediten weist die Statistik der Bank deutscher Länder nach, daß der Handel das Zwölffache der Kredite des Handwerks erhalten hat. Ich werde mir erlauben, gleich noch auf die Ursachen zurückzukommen, die vielleicht mit dafür verantwortlich gemacht werden können, daß das Handwerk nicht in dem Maße wie Industrie und Handel, deren Kapitaldecke ganz anders als die des Handwerks ist, an den Krediten profitieren kann.
Welches sind nach unserer Meinung die Möglichkeiten, die Kreditschwierigkeiten des Handwerks zu beheben? Meiner Auffassung nach hat die Entwicklung im Nachkriegsdeutschland ergeben, daß eine Kreditlenkung im Sinne zentral gesteuerter Mittel nicht mehr zu umgehen ist. Die Vielzahl der Handwerksbetriebe erfordert auf Bundesebene die
Bereitstellung von Globalbeträgen, die über die örtlichen Kreditinstitute nach gewissen Richtlinien an die Handwerksbetriebe abfließen müssen. Die Kreditversorgung der Handwerksbetriebe bedarf mit Rücksicht auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Handwerks einer besonderen Unterstützung durch die Bankinstitute, zumal es sich bei den Krediten an Handwerker in vielen Fällen nur um kleinere und nicht um größere Beträge handelt.
Dann noch eines der wichtigsten Momente, die ich hier anführen möchte: die Gewährung von Krediten an das Handwerk darf nicht nach den Rentabilitätsgesichtspunkten der Großbanken vorgenommen werden, denn die Zinssätze, die dort genommen werden, sind für das Handwerk einfach unerschwinglich und unerträglich. Vielleicht ist das auch mit der Grund, daß die Inanspruchnahme der Kredite so gering ist, weil eben die Höhe der Zinslast nicht, insbesondere nicht von den kleineren Handwerksbetrieben getragen werden kann. Bei der Gewährung eines Kredits spielt vom bankmäßigen Standpunkt aus auch die Frage der Absicherung oft eine entscheidende Rolle. Bekanntlich gibt es Tausende, Zehntausende von Handwerks- betrieben, die in gemieteten Räumen arbeiten, wo eben keine Absicherung hypothekarisch, sicherheitsmäßig stattfinden kann. Diese Kreditsuchenden gehen natürlich leer aus, weil die Banken ja immer nur nach diesen Gesichtspunkten Kredite geben. Es müßte also auch da versucht werden, die Kreditsuchenden mit hypothekarischen Absicherungsmöglichkeiten nicht so zu belästigen, oder es wäre zu fordern, daß irgendwelche Bürgschaften von den Ländern oder vom Bund übernommen werden, die eine solche hypothekarische Absicherung nicht notwendig machen würden. Nach meiner Auffassung müßten auch Maßnahmen für einen erweiterten Personalkredit getroffen werden. Gegebenenfalls muß vielleicht auch zur Durchführung dieser Maßnahmen ein besonderer Bürgschaftsfonds errichtet werden.
In den verschiedensten Bemerkungen ist die Frage angeklungen, wie es zu verstehen sei, daß im Augenblick die Lage des deutschen Handwerks so prekär sei. Ich bin der Auffassung, daß das zum Teil auch an der ganzen Preispolitik und an der Wirtschaftspolitik liegt. Das Handwerk, das nach der Währungsreform einen Teil seiner Substanz mit herübergerettet hat, steht heute zum Teil ohne jede Substanz da, denn die überstürzten Preiserhöhungen haben es weiten Kreisen des Handwerks nicht gestattet, die Substanz in einem Maße zu erhalten, das zur Führung eines gesunden Privatbetriebs notwendig ist.
Ich darf dafür einige Beispiele anführen. Da ist ein Tischlereibetrieb, der heute oder vor einem Jahr den Kubikmeter Holz für 160, 170 Mark eingekauft hat. Er macht seine Angebote, hat das Holz verarbeitet. In seinen Angeboten sind die 170 Mark zuzüglich der Zuschläge enthalten. Kauft er zwei Monate später Holz, dann hat dieses Holz 240 oder 250 Mark gekostet, und ein erheblicher Teil der Betriebssubstanz und seines Kapitals ist damit endgültig verloren. Wenn man also dem Handwerk helfen will, muß man auch auf diesem Gebiet für eine Stetigkeit der Preise sorgen, damit der Handwerker tatsächlich genau und richtig und auch mit einem Gewinn kalkulieren kann und damit ihm seine Substanz nicht durch eine fortgesetzte Preiserhöhung noch weiter, als das heute der Fall ist, vernichtet wird. Dann müßte auch eine andere Kredit- und Finanzpolitik betrieben werden.
Ich habe eben schon gesagt — und ich habe damit meine Erfahrungen als Vorsitzender einer Sparkasse —: dem Handwerk kann nicht zugemutet werden, die hohen Zinslasten zu tragen, weil die Erträgnisse nicht so sind, daß die Verdienstspanne um diese Zinslast erweitert werden kann. Ich habe kürzlich einen Vortrag eines bedeutenden Finanzpolitikers, eines Experten auf diesem Gebiet, gehört, der erklärte, die Kapitallage in der Bundesrepublik wäre bedeutend besser, wenn man versuchte, eine Erhöhung der Haben-Zinsen und eine Senkung der Soll-Zinsen herbeizuführen. Ich kann im Augenblick nicht untersuchen, ob das richtig ist, aber zumindest erscheinen mir unter den gegenwärtigen Verhältnissen, insbesondere für das Handwerk, die Soll-Zinsen zu hoch, weil sie unerträglich sind und in keinem Verhältnis zu den Erträgnissen stehen, die das Handwerk heute hat.
Dazu kommt noch, daß eine Verschiebung in der sozialen Struktur auch im Mittelstand stattgefunden hat. Es ist heute so, daß Tausende von Handwerksmeistern auf den Lebensstandard eines Arbeiters herabgesunken sind und daß in der Industrie und sonstigen gut bezahlten Berufen Menschen sind, die das Doppelte und Dreifache dessen verdienen, was Zehntausende von Handwerkern, besonders von Kleinhandwerkern einnehmen. Wir können also nicht von einer Mittelstandspolitik oder von einer Gesundung des Mittelstandes schlechthin reden, sondern wir müssen versuchen, dem Handwerkerstand die Möglichkeiten zu geben, daß er wirklich als Mittelstandsfaktor bezeichnet werden kann, um damit im Rahmen der Volkswirtschaft seine volkswirtschaftlichen Aufgaben im Interesse seines Standes und auch im Interesse unseres Volkes erfüllen zu können.