Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 3139, der sich mit der Verdingungsordnung beschäftigt, hat soeben durch den Herrn Kollegen Wirths seine technische Erläuterung erfahren. Wie lange schon streitet das Handwerk um die richtige Vergebung, um den richtig kalkulierten Preis! Immer wieder wird Unzufriedenheit da sein, weil beim Handwerk selbst eine Schuld zu suchen ist. Aber auch die vergebenden Behörden und die Auftraggeber tragen Schuld. Es ist selbstverständlich, daß jeder Auftragnehmer seinem Angebot den richtig kalkulierten Preis zugrunde zu legen hat. Das geschieht leider sehr oft nicht. Es ist mehr eine Spekulation als eine richtige Kalkulation. Ein Handwerker, der sich um einen Auftrag bemüht, muß ja die Kosten errechnen. Dazu hat er im allgemeinen eine Prüfung als Geselle und als Meister gemacht. Diese Kosten setzen sich zusammen aus Material, aus Löhnen, aus den sozialen Unkosten, aus allgemeinen Betriebsunkosten und aus einem angemessenen Gewinn. Die Angebote aber, die abgegeben werden, entsprechen vielfach diesen Grundsätzen nicht.
Was ist die Ursache? Eine falsche Kalkulation? Wird überhaupt kalkuliert? Sehr oft wird nur geschätzt; und es ist Aufgabe der vergebenden Behörde, zu prüfen, ob der Preis angemessen ist, denn Leistung muß gegen Leistung gesetzt werden. Deshalb ist mit Recht gefordert worden, für alle öffentliche Aufträge - und dazu gehört auch der soziale Wohnungsbau — den angemessenen Preis zugrunde zu legen. Das Wohnungsbauprogramm im sozialen Wohnungsbau umfaßt eine Jahresauftragssumme von annähernd 4 Milliarden Mark. Wir erleben hier Preisunterschiede, die nicht zu verantworten sind. Es ist Pflicht der vergebenden Stellen, zu prüfen, ob Preis und Leistung miteinander vereinbar sind.
Wir sind der Auffassung, daß Vergaben an Generalunternehmer, die mit dem Gewerbe nichts zu tun haben, aufhören müssen — das gilt auch für die Besatzungsmächte —, Vergaben von Kasernenbauten an Kellner oder andere Leute, die als Manager auftreten. Wir sind dafür, daß die Arbeitsgemeinschaften des Handwerks stärker als bisher beachtet werden, daß Großaufträge an Arbeitsgemeinschaften vergeben werden und daß nicht nur Großfirmen zum Zuge kommen, die entsprechende Beziehungen nachweisen können. Das soll aber nicht heißen, daß die Baupreise in die Höhe getrieben werden dürfen oder daß eine Monopolstellung der einen oder anderen Gruppe gewährleistet werden müsse: Wir wollen keine Monopole, wir wollen den gerechten Preis zugestehen.
Die Abstellung von Mißständen ist bei den Behörden, insbesondere aber auch bei Privatarchitekten nur dann möglich, wenn der gute Wille dazu da ist. Man darf nicht die VOB zugrunde legen, wie es Herr Kollege Wirths eben dargestellt hat, und außerdem so viele Nebenbestimmungen in die Vertragsunterlagen hineinnehmen, daß dadurch die VOB unwirksam wird. Das muß in der künftigen Gesetzgebung unter allen Umständen beachtet werden.
Die sozialdemokratische Fraktion stimmt den Anträgen im wesentlichen zu und ist bereit, im Ausschuß positiv mitzuarbeiten. Für die Errechnung des richtigen Preises müssen Sachverständige aus den verschiedensten Gruppen zusammenkommen, um Angebote, deren Preise außerhalb des normalen Angebotspreises liegen, darauf zu überprüfen, ob sie überhaupt zum Zuge kommen können. Eine vergebende Behörde muß selbstverständlich ein Interesse daran haben, daß der Auftragnehmer seine Verpflichtungen den Lieferanten gegenüber, aber auch seinen Arbeitern gegenüber zu erfüllen vermag und daß er nicht hier ein Loch zumacht, dort ein neues aufmacht und so weiter wurschtelt, bis dann eines Tages der Bankrott da ist. Es ist festgestellt worden, daß von den Insolvenzen im Jahre 1951 26 % die Bauindustrie und 38 % das Handwerk betreffen — das sollte uns zu denken geben — und daß die Bauindustrie selber in ihren Bilanzen fast keine Gewinne ausweist, während andere Industriegruppen entsprechende Gewinne nachzuweisen vermögen.
Wir möchten vorschlagen, dem Beispiel Hollands zu folgen. In Rotterdam hat man ein Bauzentrum geschaffen, in dem alles zur Verfügung steht, was dem Bauhandwerk, den Architekten und den Baubehörden nutzt. Dort stehen 5 000 qm Bodenfläche und 3 000 qm Wandfläche zur Verfügung, auf denen Sie alles finden, was man für Materialnachweis, für Kalkulationsunterlagen in den Dingen, die alle angehen, zu erfahren wünscht. Der Herr Bundesminister Wildermuth hat, als er das Rotterdamer Bauzentrum sah, erklärt, er sehe es als seine Aufgabe an, ein solches Bauzentrum auch in Deutschland zu schaffen. Dort kann der richtig kalkulierte Preis nachgeprüft werden, weil alle sozialen Daten über Baustoffe und über Löhne vorhanden sind und alle technischen Unterlagen zur Verfügung stehen. Hieraus könnte dem Handwerk ein wirklicher Nutzen entstehen.
Zu den Kalkulationsunterlagen möchten wir aber noch folgendes bemerken, und zwar ist das an die Adresse des Herrn Bundeswirtschaftsministers gerichtet: Man kann nur richtig kalkulieren, wenn man über die Preise der Rohstoffe Bescheid weiß. Sie werden zugeben, daß im Augenblick die Versorgung des Handwerks mit Eisen, Blechen und anderen Materialien völlig unzureichend ist und daß Schwarzmarktpreise gezahlt werden müssen,
die für eine Tonne Stahl bzw. Muniereisen zwischen 800 und 1 200 Mark liegen, und daß man nebenher noch Beträge bezahlen muß, ohne daß diese über die Bücher gehen dürfen. Unter solchen Umständen ist es für einen Handwerker unmöglich, zu kalkulieren. Beim Neubau einer Schule in Süddeutschland mußten bei solchen Preisen 150 000 DM mehr aufgewandt werden, weil das Eisen für den Eisenbeton nicht anders als über die Schwarzhändler in Düsseldorf beschafft werden konnte. Ich erinnere Sie an die Entschließung des Deutschen Handwerkerrats vom Februar dieses Jahres, die an die Bundesregierung gerichtet wurde:
Nach übereinstimmenden Berichten aus den fachlichen Organisationen des eisenverarbeitenden Handwerks und der Handwerkskammern hat sich die unzureichende Versorgung der Handwerksbetriebe mit Eisenmaterialien trotz des Inkrafttretens der Eisenlenkungsverordnung nicht gebessert. In vielen Bezirken, besonders in den süddeutschen Ländern des Bundesgebiets, ist die Belieferung der handwerklichen Werkstätten sogar noch schlechter geworden. Während viele Betriebe Aufträge wegen Materialmangel ablehnen müssen, wird auf der anderen Seite auf dem Schwarzmarkt Eisen zu Überpreisen angeboten. Auf Grund dieser Entwicklung macht sich in den Kreisen des eisenverarbeitenden Handwerks eine ständig wachsende Erregung bemerkbar.
Das, was für Eisen zutrifft, ist auf dem Holzmarkt nicht anders. Holzpreise von 280 bis 350 DM für einen Kubikmeter sind fast normal. Wohl haben sich die süddeutschen Länder durch ihre Forstdirektionen der Sägeindustrie gegenüber verpflichtet, für den sozialen Wohnungsbau 50 % der Holzzuweisungen zum Preise von 180 % der Forsttaxe abzugeben; aber das wird eben doch nicht eingehalten, und es werden Überpreise bezahlt. Das ergibt die großen Unterschiede in den Angeboten. Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen, daß die Eisenlenkungsvorschriften eingehalten werden und daß die Preisüberwachungsstellen den Schwarzhändlern das Handwerk legen.
Ich fasse zusammen. Die Sozialdemokratische Partei ist bereit, die Mittel einzusetzen, die nötig sind, um dem Handwerk den Auftragsbestand zu sichern und den gerechten Preis zu geben. Wir wollen auch das Handwerk bitten und mahnen, technische Verbesserungen durchzuführen und den Ertrag für die Rationalisierung im Betrieb und die
Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einzusetzen. Dann nützen wir allen, dem
Handwerk und den im Handwerk Beschäftigten.