Meine Damen und Herren! Die Lage ist so dargestellt worden, als sei der Mangel an Aufträgen beim Handwerk im wesentlichen auf die herrschende Schwarzarbeit zurückzuführen. Das ist doch zweifellos eine Verdrehung der tatsächlichen Lage. Das Handwerk selbst teilt in seinen Fachzeitschriften mit, daß die Auftragseingänge in den letzten Monaten zurückgegangen sind. Es wird z. B. berichtet, daß zahlreiche Betriebe der Herrenschneider ihre Werkstätten schließen mußten. Außerdem berichtet die Friseurinnung, daß in den Damenabteilungen zum Teil ein Leerlauf von 60 % und in den Herrenabteilungen ein Leerlauf bis zu 45 % zu verzeichnen ist. Der Rückgang der Aufträge beim Handwerk und die Schwie-
rigkeiten des Handwerks sind im wesentlichen auf die Steuer- und Wirtschaftspolitik, wie sie die Bundesregierung betreibt, zurückzuführen. Die Kaufkraft der Massen ist gewaltig zurückgegangen, der Reallohn ist durch Preistreiberei und Steuerdruck gesunken. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die Handwerksbetriebe aus.
— Ja, wenn Sie etwas über die Deutsche Demokratische Republik sagen, dann müssen Sie schon bei der Wahrheit bleiben. Dort steigt die Kaufkraft der Massen von Monat zu Monat,
dort werden die Steuern gesenkt, dort werden die Löhne erhöht, während Sie hier dauernd Preissteigerung und Erhöhung der Steuern erleben. Diese Tatsachen können Sie mit Ihren Zwischenrufen nicht aus der Welt schaffen; jeder klarsehende Mensch kann sich davon in der Deutschen Demokratischen Republik selbst überzeugen.
— Sie haben jederzeit Gelegenheit, hinüberzufahren und sich das anzusehen! Aber Sie dürfen ja gar
nicht fahren, well Sie keine Genehmigung von den
Hohen Kommissaren auf dem Petersberg erhalten!
Die Lage des Handwerks kann nur durch eine Änderung der Politik der Bundesregierung gebessert werden. Weshalb arbeiten denn die Arbeiter überhaupt schwarz? Sie arbeiten deshalb nebenbei, wie man so sagt, weil ihre Löhne nicht ausreichen. Würde man die Löhne in einer anständigen Weise erhöhen und würde man die Preise ) auf einen solchen Stand bringen, daß die Kaufkraft steigt, dann — glauben Sie mir — würde kein Arbeiter seine Freizeit verwenden, um nebenbei Schwarzarbeit zu leisten.
Glauben Sie doch nicht, daß Sie durch Zwangsund Strafgesetze diesen sozialpolitischen Zustand ändern könnten. Diesen Zustand kann man nur dadurch ändern, daß man die Wirtschafts-, die Sozialpolitik und die gesamte Politik hier in Westdeutschland
im Interesse des werktätigen Volkes und auch der Handwerker ändert. Anders geht es nicht.
Ich komme nun zu der Frage der Vergebung der Aufträge der öffentlichen Hand. Wir sind der Meinung, daß die VOB für alle Aufträge der öffentlichen Hand und auch für die Aufträge verbindlich gemacht werden sollte, die durch die öffentliche Hand gefördert bzw. finanziert werden. Gleichzeitig muß man aber die öffentliche Hand ermahnen, daß sie sich bei der Vergabe von Aufträgen an das Handwerk nicht immer von den billigsten Angeboten leiten lassen darf, sondern daß die gültigen Richtpreise der Handelskammern und der Handwerksorganisationen berücksichtigt werden sollten. Das ist auch die Forderung der Handwerksorganisationen selbst.
Damit in Verbindung steht die Frage der ungeheuren Außenstände des Handwerks. Auch diese Frage hängt mit den sozialpolitischen Verhältnissen zusammen. Fragen Sie die kleinen Kaufleute in den Arbeiterbezirken! Dann werden Sie erfahren, daß es dort sehr viele Menschen gibt, die bei den kleinen Kaufleuten schon große Summen anstehen haben. Man kann die Dinge nicht mit der Erklärung abtun, daß die Leute eben eine schlechte Zahlungsmoral hätten. Nein, die Notlage der Leute führt zu den Rückständen, die wir bei den kleinen Kaufleuten und bei den Handwerkern sehen.
Mit aller Energie muß man dem Zustand entgegentreten, daß auch Außenstände der öffentlichen Hand zu Lasten des Handwerks weiter und weiter hinausgezögert werden. Wir sind der Meinung, die öffentliche Hand muß, auch soweit sie auf die übrigen Arbeiten Einfluß hat, darauf drängen, daß den Handwerkern ihre Rechnungen termingerecht bezahlt werden. Wir sind weiter der Auffassung, daß man den Handwerksmeistern, sobald sie die Arbeit aufgenommen und schon einen Teil der Arbeit geleistet haben, zinsfreie Zwischenkredite geben sollte, damit sie die Arbeiten termingerecht weiterführen können. Wir meinen, daß damit dem Handwerk wesentlich gedient würde. Das muß man in einem Gesetz verankern, damit die Handwerker einen Rechtsanspruch auf zinsfreie Zwischenkredite und auf Vorauszahlungen auf das zur Durchführung der Aufträge notwendige Material haben. Es wurde mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß viele Handwerksbetriebe, vor allem die Alleinmeister und die Kleinbetriebe mit einigen Gesellen und Lehrlingen, gar nicht in der Lage sind, einen großen Vorrat von Baustählen, von Zement, von Steinen, von Dachziegeln, von Holz usw. zu halten. Das hängt auch mit den ungeheuer hohen Preisen zusammen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß z. B. die Bauschreiner durch die Freigabe der Holzpreise in eine ungeheuer schwierige Lage gekommen sind. Diese Freigabe wurde von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, von dieser Regierung verfügt, die von jener Partei getragen wird, die in diesem Hause gleichzeitig solche Anträge stellt. Ich überlasse es den Handwerkern selbst, wie sie eine solche Taktik und ein solches Vorgehen beurteilen.
In der Frage der Schwarzarbeit sollten wir dafür sorgen, daß jeder Mensch im Rahmen seiner Arbeitszeit genügend verdient, um sein Leben und das Leben seiner Familie fristen zu können. Wir sind weiter der Meinung, daß man umfangreiche Förderungsmaßnahmen und steuerliche Vergünstigungen durchführen muß, um dem Handwerk zu helfen.
Es gibt allerdings Leute, die eine Vogel-Strauß-Politik betreiben. Aber alle diese Fragen finden nur ihre gründliche Lösung, wenn man die Spaltung Deutschlands aufhebt, wenn man den innerdeutschen Handel vorantreibt und wenn man dem deutschen Volk die Möglichkeit gibt, ungehindert den Handel mit allen Völkern der Erde, insbesondere mit den natürlichen Abnahmeländern für deutsche Waren, nämlich mit den Völkern des Ostens zu betreiben. Dadurch würde dem Handwerk in entscheidendem Maße geholfen. Alle Maßnahmen, die heute hier beraten werden, werden nur Stückwerk bleiben; sie werden die Not des deutschen Handwerks nicht grundsätzlich lösen können. Wir wollen im Rahmen der jetzigen Gegebenheiten für die Belange des Handwerks eintreten. Aber darüber hinaus appellieren wir an das Handwerk, mit uns und mit allen friedliebenden Menschen in Deutschland für die Aufhebung des nationalen Notstandes unseres Volkes zu kämpfen, weil das Handwerk damit sich selbst und der Sicherung seiner Existenz dient.