Darf ich Herrn Abgeordneten Dr. Wahl fragen, ob er krank oder hier ist?
— Nein, da sitzt er!
— Meine Damen und Herren, Prophetie gehört sonst nicht zu den Aufgaben der Abgeordneten; aber es ist hier gelegentlich anders.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß heute um 18 Uhr die Mitgliederversammlung der deutschen parlamentarischen Sektion der europäischen Bewegung im Bundesratssaal stattfindet, und darf Sie um Ihre freundliche Unterstützung dabei bitten, daß die Tagesordnung nach Möglichkeit bis zu diesem Zeitpunkt abgewickelt werden kann.
Zur Tagesordnung der für diese Woche vorgesehenen Sitzungen darf ich darauf hinweisen, daß nach einer Vereinbarung unter den Parteien wegen der Trauerfeierlichkeiten für Herrn Bundesminister für Wohnungsbau die 199. Sitzung nicht morgen stattfindet, sondern daß sie am Mittwoch, dem 19. März 1951, um 13 Uhr 30 mit der für morgen vorgesehenen Tagesordnung abgehalten wird. Darum wird die Fragestunde, die für den 19. März vorgesehen war, auf die Sitzung am 20. März 1952, 13 Uhr 30, verlegt.
Zur heutigen Tagesordnung darf ich darauf hinweisen, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung bei Punkt 2 a und b so verfahren wird, daß nach der Begründung der Großen Anfrage und ihrer Beantwortung die Besprechung nicht begonnen werden soll, sondern zusammen mit der ersten Beratung des Gesetzes über Zollbegünstigungen und der jetzt dem Bundesrat vorliegenden Zollvorlage gemeinsam erledigt werden soll. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Februar 1952 beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung,
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ,
Gesetz über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag,
Gesetz über das Deutsche Arzneibuch,
Gesetz über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaues,
Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes,
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges ,
Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung,
Gesetz über die Aufhebung von Vorschriften
auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes,
Gesetz über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener.
Zu dem
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen
und dem
Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde hat er die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes verlangt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. Februar 1952 die Kleine Anfrage Nr. 228 der Fraktion der CDU/CSU betreffend Besatzungsgeschädigte — Drucksache Nr. 2807 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3173 vervielfältigt.
Er hat weiter am 4. März 1952 die Kleine Anfrage Nr. 236 der Fraktion der SPD betreffend Funktion der American Expreß Company im Bundesgebiet — Drucksache Nr. 2899 — beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 3175.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 26. Februar 1952 die Kleine Anfrage Nr. 242 der Fraktion der SPD betreffend Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz — Drucksache Nr. 3094 — und die Kleine Anfrage Nr. 243 der Fraktion der SPD betreffend Altersversorgung für das deutsche Handwerk — Drucksache Nr. 3095 — beantwortet. Seine Schreiben werden als Drucksache Nr. 3164 und 3165 vervielfältigt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat am 27. Februar 1952 die Kleine Anfrage Nr. 244 der Fraktion der Föderalistischen Union betreffend Schutz deutscher Interessen im Ausland — Drucksache Nr. 3103 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3174 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 7. März 1952 die Kleine Anfrage Nr. 247 der Fraktion der Föderalistischen Union betreffend Neuregelung des Reichsleistungsgesetzes —
Drucksache Nr. 3146 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3178 vervielfältigt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat am 5. März 1952 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 175. Sitzung über die Rückgabe von Kunstgegenständen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3177 verteilt.
Er hat ferner am 1. März 1952 auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 185. Sitzung betreffend Vorlage eines Berichtes über die Ausführung des Haushaltsplanes des Auswärtigen Amtes für 1950 Bericht erstattet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3184 verteilt. Dann rufe ich auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht Nr. 50 über Anträge
von Ausschüssen des Deutschen Bundestages
über Petitionen .
Ich darf darauf hinweisen, daß wir, um die Bedeutung der Petitionen auch vor der deutschen Öffentlichkeit klarzustellen, diesen Punkt einmal an den Anfang der Tagesordnung genommen haben und daß wir vorhaben und der Petitionsausschuß in Aussicht genommen hat, in der nächsten Woche zu Beginn der Donnerstag-Sitzung eine Darstelllung der Arbeit des Petitionsausschusses und eine Begründung des dann zu stellenden Antrags dieses Ausschusses zu geben.
Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen des Petitionsausschusses, die Sie in der Übersicht Nr. 50, Umdruck Nr. 460, finden, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Soweit ich sehe, ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Damit können wir zu Punkt 2 der Tagesordnung übergehen:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dannemann, Eichner, Tobaben und Genossen betreffend Gleichgewicht im Zollsystem .
Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Horlacher , Anfragender: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was ich heute an einigen grundsätzlichen Bemerkungen ausführe, ist der Auftakt zu Debatten, die uns wahrscheinlich im Bundestag noch öfter beschäftigen werden. Ich erinnere mich da an die Zeiten — ich habe ja schon manches im parlamentarischen Leben mitgemacht —, in denen ich unter verschiedenen Koalitionen und Regierungen immer das Vergnügen hatte, besonders die zoll- und handelspolitischen Fragen vertreten zu müssen. Es sieht meistens nur so aus, daß manches oft besser geht, als man es annimmt, je nachdem die Regierungskoalition zusammengesetzt ist. Das ist die jeweilige Frage, und deswegen ist die Zollfrage auch keine grundsätzliche Frage einer jeweiligen Regierung, sondern sie ist eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung für die Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens, und davon muß man ausgehen.
Deswegen habe ich auch zusammen mit einer Reihe von Freunden die Große Anfrage gestellt. Wir sind jetzt in der internationalen Zollpolitik in ein vollständig neues Fahrwasser hineingeraten. Was früher einmal war, ist nicht mehr. Bis zum zweiten Weltkrieg waren die Zolltarife zwischen den Handelsverträge abschließenden Ländern grundsätzlich zweiseitig ausgehandelt worden, also
sogenannte bilaterale Handelsverträge. Auf Grund der Charta von Havanna war von der Mehrzahl der am Welthandel beteiligten Staaten ein internationales Abkommen über Zölle und Handel geschlossen worden. Deswegen heißt man auch die Staaten, die hier beteiligt gewesen sind, entsprechend der ausländischen Übersetzung die sogenannten GATT-Staaten. Das sind die Vertragsstaaten, die die internationalen Abkommen von Torquay vorbereitet haben. Auf diesen GATT-Konferenzen wurden die Zolltarife nun nicht mehr nur bilateral, d. h. zweiseitig, ausgehandelt, sondern dann wurden die Zolltarife auch zu Bestandteilen multilateraler, d. h. mehrseitiger Verträge gemacht. Nach dem Recht der Meistbegünstigung kommt dazu der Abschluß dieser Verträge allen Staaten, die hier an dem Zollsystem beteiligt sind, zugute, nicht nur die Zollabreden, sondern darüber hinaus auch sonstige Vergünstigungen. Mit anderen Worten: wir sind von den zweiseitigen Handelsverträgen zu einem mehrseitigen System, zu einem großen einheitlichen Vertragswerk all der Staaten, die hier an den Verhältnissen beteiligt sind, übergegangen.
Nach dem Kriege gab es. zunächst zwei derartige Zolltarifkonferenzen, die eine in Genf, also in der Schweiz, die andere in Annecy, in Frankreich, die ohne Teilnahme Deutschlands stattfanden. Bei der dritten derartigen Konferenz in Torquay, in England, waren Deutsche eingeladen und als Beteiligte eingeschaltet. Die Bundesrepublik hat damals einen Zolltarifentwurf vorgelegt. Dieser Zolltarifentwurf war zunächst mehr von der Regierungsseite vorbereitet, und unsere Unterhändler, Sachverständigen und Generalsachverständigen hatten damals einen sehr schweren Stand, weil der Zolltarifentwurf vom Bundestag noch nicht genehmigt war. Das wurde erst Ende des Jahres 1951 nachgeholt.
Wir müssen daher zwischen den autonomen Tarifen der einzelnen Staaten und dem Verhandlungstarif, der letztlich erst herausgekommen ist, unterscheiden. Wir müssen weiter zwischen den verschiedenen Zollhöhen der einzelnen Länder unterscheiden. Hier gibt es die niedertarifarischen Länder wie die Benelux-Staaten und die hochtarifarischen Länder wie Frankreich und Italien. Dazu gehört auch infolge seiner gesteuerten Einfuhrpolitik Großbritannien. Und so zwischendurch kommt das deutsche Zollsystem mit einer mäßigen mittleren Linie auf zollpolitischem Gebiet. So ist die Lage. Das muß man auch im Auge behalten, um hier die Verhältnisse gerecht gegeneinander abwägen zu können.
Meine Damen und Herren, anstatt sich hier so angelegentlich zu unterhalten, während grundsätzliche Fragen erörtert werden, sollten Sie einmal das Vertragssystem von Torquay studieren,
denn das gehört zum internationalen Rüstzeug. Das muß man studiert haben, und das ist des Studiums wert. Es ist allerdings ein sehr mühsames Studium, denn hier ist ein Juristendeutsch wie nur selten vereinigt. Um das, was in dem Vertragswerk niedergelegt ist, genügend erläutern zu können, reichen die Sachverständigen des Bundestags, unsere Juristen allein gar nicht aus.
— Ja, sie reichen nicht aus, ich gebe das zu!
Es kommt aber noch folgendes in Betracht, was in der Präambel angeführt ist. Ich führe die einzelnen Staaten, die angeschlossen sind, gar nicht an. Das würde zu weit führen. Es sind meist europäische Staaten, aber auch überseeische Staaten wie Neuseeland, Pakistan, Südrnodesien, Syrien, die Südafrikanische Union, und auch die Vereinigten Staaten sind dabei. Die haben hier dieses GATT-System miteinander vereinbart in der Erkenntnis — jetzt kommt die Präambel —, was für uns sehr wichtig ist, daß ihre Beziehungen auf dem Gebiete des Handels und der Wirtschaft auf eine Erhöhung des Lebensstandards, auf die Verwirklichung der Vollbeschäftigung und ein hohes und ständig zunehmendes Volumen des Realeinkommens und eine wirkliche Nachfrage, auf die volle Verwertung der Hilfsquellen der Welt und eine Steigerung der Produktion und des Warenaustausches gerichtet sein sollen. Damit ist der Wunsch verbunden, zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen durch den Abschluß von Abkommen beizutragen, die auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und der gegenseitigen Vorteile auf eine wesentliche Herabsetzung der Zolltarife und anderer Handelsschranken und auf eine Beseitigung der Diskriminierungen auf dem Gebiete des internationalen Handels abzielen. Daraus sehen Sie das große Ziel dieses Abkommens
von Torquay, und daraus sehen Sie, daß dieses
Ziel eigentlich ein großer Handelsvertrag ist, der hier alle Staaten, die in der Welt im- und exportieren, zusammenfaßt und zu gemeinsamem Handeln zusammenführt.
In dem System ist man dabei folgendermaßen vorgegangen. Das, was ich hier vortrage, ist auch die Auffassung der Generalsachverständigen, die damals mitgearbeitet haben; ich habe mich darüber ausdrücklich vergewissert. Die Verhältnisse sind so gewesen, daß jeder Staat immer die einzelnen Zollpositionen' genannt hat, auf die es ihm in den Verhandlungen ankam. Da wurde gewissermaßen durch zweiseitige Verhandlungen mit den jeweiligen Staaten die Zollhöhe festgesetzt, und letzten Endes kam dann auf diese Weise das ganze Vertragswerk zustande, so daß dem Vertragswerk von Torquay große Anlagen angefügt sind, darunter auch eine Liste der deutschen Zollzugeständnisse und eine Liste der ausländischen Zollzugeständnisse. Sie ersehen daraus: ein wirkliches Handelsvertragswerk, das von den anderen autonomen Zöllen der jeweiligen Länder abweicht und zu ausgehandelten Vertragszöllen gekommen ist. Deswegen darf man das Ganze jetzt nicht mehr auseinanderreißen.
Man muß sich auch vor Augen halten, daß das Vertragswerk eine Reihe von Bestimmungen enthält, aus denen hervorgeht, daß man nicht ohne weiteres an dem Vertragswerk etwas ändern soll. Es enthält auch die Ausnahmebestimmungen, die Katastrophenklausel, die Währungsklausel und die wirtschaftliche Veränderungsklausel der einzelnen Länder, so daß hier durch autonomes Recht der einzelnen Länder zeitweilig von den Vereinbarungen abgesehen werden kann. Die Fragen sind alle im Vertragswerk geregelt, so daß darüber hinaus eigentlich nur durch die jeweilige Gesetzgebung der einzelnen Staaten zeitweilig eine Änderung der Verhältnisse eintreten kann.