Rede von
Heinrich
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Drucksache Nr. 3104 beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Unterstützung der Beherbergungs-, Gaststätten- und Kurbetriebe. Der Zusammenhang dieser Erwerbsbetriebe mit einer gesunden Entwicklung unseres Fremdenverkehrs liegt auf der Hand. Ebenso sind wir uns wohl alle über die Bedeutung des Fremdenverkehrs im Rahmen unserer Gesamtwirtschaft überhaupt einig. Diese Bedeutung ist vielfacher Art: sie hat materielle Seiten, sie hat starke ideelle Seiten. Darüber ist in diesem Hause schon manches gesprochen worden; ich will im einzelnen darauf heute nicht eingehen. Allerdings verlangt diese vielfache. Bedeutung des Fremdenverkehrs eine ernsthafte Überprüfung all jener Mißstände, die einer gesunden Weiterentwicklung dieses Zweiges unserer Gesamtwirtschaft heute noch hindernd im Wege stehen.
Diese Mißstände sind 1. die Beschlagnahme eines großen Prozentsatzes gerade unserer besten Hotelbetriebe und Kurstätten durch die Besatzungsmacht;
2. die Belegung eines weiteren Teiles unserer Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe durch Flüchtlinge und Evakuierte, insbesondere auf dem flachen Lande und 3. das Fehlen erheblicher Investitionsmittel zur Renovierung jener Betriebe, die durch die langjährige Beschlagnahme usw. gelitten haben.
Zu dieser Situation einige Zahlen:
Zu 1: Am 1. April 1951 waren in den elf Ländern der Bundesrepublik noch durchschnittlich 7,8% der verfügbaren Betten allein von den Besatzungsmächten beschlagnahmt, wobei die Zahlen in den einzelnen Ländern zwischen 2% in Schleswig-Holstein und rund 13% in Hessen und Nordrhein-Westfalen schwanken.
Zu 2: Die Zweckentfremdung der Betriebe durch Belegung mit Evakuierten und Flüchtlingen macht im Durchschnitt rund 11% der Gesamtbettenzahl aus. Hier schwanken die Zahlen in den einzelnen Ländern von 0,8% in Hamburg bis 18,6% in Bayern und 20,6% in Schleswig-Holstein. Rechnet man dazu noch die durch andere Arten von Beschlagnahmen bewirkte weitere Zweckentfremdung von durchschnittlich 4,6%, so haben wir insgesamt ein Fehl von rund 25% der verfügbaren Bettenzahl durch die geschilderten verschiedenartigen Beschlagnahmen. Dabei ist die Tatsache noch nicht berücksichtigt, daß die vorhandene Bettenzahl von insgesamt 433 000 noch lange nicht den Stand von 1937 erreicht hat. Die Schädigung dieser Betriebe liegt nicht nur in dem Verdienstausfall ihrer Besitzer, sondern weiterhin, wie schon richtig gesagt wurde, in der Verwirtschaftung der Gesamteinrichtungen, in dem Verlust all jener geschäftlichen Beziehungen und persönlichen Bindungen an den Kreis ihrer Gäste, die für solche Betriebe nun einmal die wichtigste Grundlage ihrer Dauerexistenz bedeuten.
Zu 3: Was die Frage des Aufbringens der notwendigen Investionsmittel angeht, so wurden seinerzeit aus ERP-Mitteln der ersten Tranche zirka 1,1 Millionen bereitgestellt und für den Wiederaufbau von Oberammergau verwendet, aus der zweiten Tranche zirka 25 Millionen, mit welchen Mitteln allerdings lediglich der Wiederaufbau gerade der bedeutendsten Hotels in Deutschland in Angriff genommen wurde. Bei der Beratung der Zurverfügungstellung weiterer Mittel aus der dritten Tranche des Marshallplans wurde im Juni 1951 von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister erklärt, daß die Gegenwertmittel nur noch für die Grundstoffindustrie verwendet werden dürften, daß aber die Bundesregierung zur Förderung des Fremdenverkehrs und zur Beseitigung von Kriegsschäden an Hotels, Gaststätten und Kurheimen bereit sei, aus STEG-Geldern sowie aus den Zinsen für ERP-Gegenwertkredite Mittel zur Verfügung zu stellen. Es würde uns interessieren, zu erfahren, was aus diesem Versprechen des Herrn Bundeswirtschaftsministers geworden ist.
Wir sehen also, daß trotz der beachtlichen Initiative der Fremdenverkehrsverbände und der Fremdenverkehrswirtschaft, die sich in einer starken Zunahme unseres inländischen und des internationalen Fremdenverkehrs ausgewirkt hat, noch sehr viel zu tun ist, damit Deutschland als Reiseland wieder seinen Platz zurückgewinnt.
Die Antragsteller sehen nun als nächste vordringliche Maßnahmen nach Drucksache Nr. 3104
vor die beschleunigte Aufhebung der Beschlagnahmen und eine Freigabe vor allem der Betriebe,
die überhaupt nicht oder nur in einem geringfügigen Maße benutzt werden, weiter die Zulassung
gemischter Betriebe, in denen
und Einrichtung gemischter Betriebe, in denen
neben den Angehörigen der Besatzungsmächte auch deutsche Gäste beherbergt oder bewirtet werden können. Sie empfehlen der Regierung unter Ziffer der Vorlage entsprechende Verhandlungen mit der Hohen Kommission und unter Ziffer II eine Überprüfung der Frage, wie den Eigentümern jener Betriebe durch die Bereitstellung von Krediten zu Investitionszwecken geholfen werden kann. Wir unterstützen diese Empfehlung, möchten aber darauf dringen, daß die Regierung über den Erfolg dieser Bemühungen und ihre geplanten Maßnahmen wegen der Bereitstellung von Krediten zu einem baldigen Termin dem Parlament berichtet.
Darüber hinaus halten wir eine Sonderaktion für die Freimachung der Beherbergungsbetriebe von Flüchtlingen und Evakuierten besonders auf dem flachen Lande für notwendig. Eine solche Sonderaktion sehen wir in der zusätzlichen Bereitstellung von jährlich weiteren etwa 25 Millionen zweckgebundener Mittel im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, um den notwendigen Wohnraum gerade für jenen Personenkreis zu schaffen, der heute noch rund 11 % der Betten in den Beherbergungsbetrieben und Gaststätten belegt. Wenn solch ein Betrag für diesen besonderen Zweck zusätzlich bereitgestellt wird, vielleicht mit der Bindung und Auflage, daß die Länder gezwungen werden, ebenfalls den gleichen Betrag zur Verfügung zu stellen, kann jährlich zusätzlich für etwa 50 Millionen DM weiterer Wohnraum beschafft und können die schlimmsten Mißstände für das von der Beschlagnahme betroffene Beherbergungs- und Gaststättengewerbe beseitigt werden.
In diesem Sinne werden wir nach der Überweisung des Antrags an den Ausschuß positiv an
der Lösung des Problems mitarbeiten und hoffen, daß es dann nicht bei einer platonischen Erklärung bleibt, sondern daß die Beratung des Antrags Drucksache Nr. 3104 tatsächlich Ergebnisse im Sinne einer Förderung der Beherbergungs-, Gaststätten- und Kurbetriebe und damit des deutschen Fremdenverkehrs überhaupt bringt.