Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bericht ist deshalb als der erste bezeichnet, weil er sich leider auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beschränken muß, dagegen über das Wirtschaftsstrafgesetz erst später ein zweiter Bericht erstattet werden kann. An sich hätte es sich gerade in diesem Falle empfohlen, den Bericht schriftlich auszuarbeiten. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß wegen meiner vielfachen Verpflichtungen diese Möglichkeit für mich nicht bestand.
Die Bundesregierung hat seinerzeit in einer gemeinsamen Vorlage Entwürfe für ein Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und für ein Wirtschaftsstrafgesetz eingebracht. Angesichts des Umstandes, daß an diesen Vorlagen außer dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, mindestens soweit es sich urn das Wirtschaftsstrafgesetz handelt, auch der Ausschuß für Wirtschaftspolitik und der Ausschuß für Landwirtschaft auf das stärkste sachlich beteiligt sind, gelang es bisher nicht, die Vorlage über das Wirtschaftsstrafgesetz so eingehend zu beraten, daß eine Berichterstattung und eine Verabschiedung schon möglich wären. Infolgedessen haben die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP I und DP, worauf hinzuweisen ich auch ersucht worden bin, sich entschließen müssen, einen Initiativantrag einzubringen, der zu diesem Punkt der Tagesordnung auch behandelt werden wird. Es handelt sich dabei um die Drucksache Nr. 3149, berichtigt durch den Umdruck Nr. 459. Das Wirtschaftsstrafgesetz verliert ja. seine Geltung am 31. März dieses Jahres, falls es nicht durch ein Gesetz in seiner Geltungsdauer verlängert wird. Da eine abschließende Beratung bisher nicht möglich war, haben, wie gesagt, die Fraktionen sich entschlossen, durch ihr Initiativgesetz diese Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 31. Dezember dieses Jahres vorzunehmen, in der Hoffnung, daß bis dahin eine abschließende Beratung möglich ist.
Rein äußerlich sieht der Initiativgesetzentwurf etwas schwierig aus. Er bringt aber lediglich eine technische Anpassung an das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, über das ich noch zu berichten haben werde, und keine sachliche Veränderung des Wirtschaftsstrafrechts. Dem Gesetzentwurf ist auch eine Begründung beigefügt. Ich darf hervorheben, daß das Bundesjustizministerium sowohl das Initiativgesetz als auch die Begründung ausgearbeitet hat, so daß wir für diese Arbeit dem Bundesjustizministerium unseren Dank schulden.
Der erste Mündliche Bericht beschränkt sich also auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Vorweg habe ich einige Druckfehler zu berichtigen, die sich noch herausgestellt haben. In § 41 muß Abs. 2 in der rechten Spalte wie Abs. 2 der Regierungsvorlage lauten. In § 61 Abs. 1 rechte Spalte muß es im letzten Satz heißen: „... nicht mehr geändert oder aufgehoben werden". In § 66 muß es statt „Kasten des Gerichtskostengesetzes" heißen: „Vor-
schriften des Gerichtskostengesetzes". In § 67 Abs. 1 muß es statt „oberste Landesverwaltungsbehörde" heißen: „oberste Landesbehörde".
Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten hat so, wie es die Regierung eingebracht hat, im wesentlichen die Zustimmung der beteiligten Ausschüsse, insbesondere des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht gefunden. Grundlegende Änderungen haben wir an dem Gesetzentwurf nicht vorgenommen. Das Gesetz ist ein Rahmengesetz, bestimmt, das Gebiet des Verwaltungsunrechts für alle Bereiche der Verwaltung einheitlich zu regeln, künftig also nicht mehr nur für die Wirtschaftsverwaltung, sondern überhaupt für das gesamte Gebiet des Gewerbes, auch die Arbeitsverwaltung, die Verkehrsverwaltung, Energieverwaltung und was sonst in Betracht kommt. Diese Gebiete sollen entpönalisiert werden. Die Verwaltung soll eine eigene Befugnis bekommen, Verstöße, die nicht echtes Strafunrecht sind, in anderer Weise, nun, man kann nicht 'sagen: zu ahnden, sondern für diese Verstöße gewissermaßen eine Art Schadensersatz in Gestalt einer Gebühr zu fordern. Der Beteiligte soll Rechtsschutz genießen durch die Möglichkeit, Gerichte anzurufen, die in diesem Falle keine Strafgerichte sind, so daß auch die Staatsanwaltschaft dabei nicht mitwirkt.
In § 1 des Entwurfs haben wir geglaubt, die begriffliche Klarstellung stärker herausarbeiten zu sollen, herauszuarbeiten, daß eine Ordnungswidrigkeit als Verwaltungsunrecht wesensverschieden ist von einer Straftat und zur Straftat nicht im Verhältnis des bloß Minderen, sondern des Anderen steht. Vor allem kommt dies im § 1 Abs. 3 zum Ausdruck, der klarstellt: es kommt auf den Einzelfall an, ob eine Handlung ihren Umständen nach
I) eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat ist. Sie kann immer nur eines von beiden sein.
§ 3 bestimmt jetzt deutlicher den sachlichen Geltungsbereich: daß es sich bei diesem Rahmengesetz zunächst nur um Bundesrecht handelt. Wir hoffen aber, daß ähnlich wie sonst bei den Kodifikationen des Bundesrechts es sich die Länder angelegen sein lassen werden, dieses Bundesverwaltungsrecht auch für ihr Landesverwaltungsrecht anwendbar zu machen.
Die Änderung im § 4, der Bestimmung, die sich auf den Irrtum bezieht, erklärt sich daraus, daß wir stärker als bisher das Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten vom Wirtschaftsstrafgesetz getrennt haben. Infolgedessen konnte sich die Irrtumsbestimmung nicht mehr auch auf Straftaten beziehen, sondern sie mußte jetzt auf das Verwalwaltungsunrecht beschränkt werden. Daraus erklärt sich auch, daß die Irrtumsvorschrift nicht mehr unter den allgemeinen Bestimmungen vorne im § 4 steht, sondern an eine andere Stelle gerückt ist, und zwar unter den Abschnitt „Ordnungswidrigkeiten", § 12.
Die Unterscheidung zwischen Verwaltungsunrecht und Straftat wird besonders deutlich im § 7, eine der wenigen Bestimmungen, in denen wir eine sachliche Änderung vorgenommen haben. Die Regierungsvorlage sah bei § 7 vor, daß bei der Bemessung der Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen sind, eme Selbstverständlichkeit im Strafrecht, weil im Strafrecht der Täter bestraft wird, es infolgedessen auf seine Individualität und auf die subjektiven Umstände entscheidend ankommt. Wir haben uns jedoch überzeugt und sind zu der einhelligen Auffassung gelangt, daß der igleiche Grundsatz für das Verwaltungsunrecht keine Anwendung finden kann. Dort ist die Geldbuße lediglich nach objektiven Maßstäben für die Tat zu bemessen, aber nicht nach dem Täter. Ein Beispiel: Sehen Sie, ein Verwaltungsunrecht kann ein Parken an einer unerlaubten Stelle sein, und die durch diese Ordnungswidrigkeit verwirkte Geldbuße für das unrichtige Parken kann nicht 'in ihrer Höhe danach bestimmt werden, ob der Täter nun vermögend oder unvermögend oder ob er Bezieher eines hohen oder geringen Einkommens ist, sondern sie richtet sich ausschließlich nach dem sachlichen Umfang der Tat, zu der allerdings auch der Grad der Schuld gehört, nicht 'dagegen die anderen persönlichen und individuellen Umstände des Täters. An diesem § 7 wird der Wesensunterschied, das wesentliche Anderssein zwischen Verwaltungsuiarecht und kriminellem Unrecht besonders sinnfällig.
Im übrigen haben wir geglaubt, in einer Reihe von Bestimmungen rechtsstaatlichen Erfordernissen noch eine 'stärkere Beachtung verschaffen zu sollen, als es bereits weitgehend in der Regierungsvorlage geschehen war. Durch § 9 a haben wir die bekannte gebührenpflichtige Verwarnung für Ordnungswidrigkeiten wieder eingeführt, aber mit der Maßgabe, daß der Betroffene zu belehren ist und zur sofortigen 'Zahlung bereit und mit der Gebühr auch einverstanden sein muß.
Im § 12 a finden 'Sie dann die Irrtumsbestimmungen, nun auf die bloße Ordnungswidrigkeit beschränkt.
Im Dritten Abschnitt ist in § 14 a und den folgenden die Einziehung behandelt. Hierbei zeigt sich der Charakter des Gesetzes als eines Rahmengesetzes. Keineswegs bei allen Ordnungswidrigkeiten wird eine Einziehung in Betracht kommen. Ein Kraftwagen, der ordnungswidrig in eine Einbahnstraße einbiegt, braucht deshalb noch nicht eingezogen zu werden. Infolgedessen wird die Einziehung nur dann zulässig sein, wenn sie im Spezialgesetz, wie etwa im Wirtschaftsstrafgesetz, nochmals ausdrücklich angeordnet ist. Die Zulässigkeit der Einziehung konnte deshalb auch wieder nach der klassischen Formel auf solche Gegenstände beschränkt werden, die, wie es im § 15 heißt, durch eine Zuwiderhandlung gewonnen oder erlangt worden sind, während die Regierungsvorlage nach dem Muster des Wirtschaftsstrafgesetzes noch die sehr viel weitere Möglichkeit einer Einziehung vorsah.
In § 20 haben wir die Rechte Dritter an Gegenständen, die eingezogen werden können, verstärkt.
Bei § 26 haben wir es für erforderlich gehalten, daß bei der Bestellung von Beamten zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft auch stets die zuständigen Landesjustizminister mitwirken, weil die Staatsanwaltschaft den Landesjustizministern untersteht.
Im § 33 haben wir das Recht der Verwaltungsbehörde 'auf Akteneinsicht eingeschränkt. Nach der Regierungsvorlage 'bestand es in jeder Lage des Verfahrens. Wir haben einen Rechtsanspruch der Verwaltungsbehörde nur nach Schluß der Voruntersuchung oder nach Einreichung der Anklageschrift gewährt, während es im übrigen vor diesem Zeitpunkt in dem Ermessen der Gerichtsbehörden steht, ob diese Akteneinsicht ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes gewährt werden kann. Auch das Einsichtsrecht der Verwaltungsbehörden im § 35 haben wir aus rechtsstaatlichen Gründen entsprechend eingeschränkt.
Ebenfalls haben wir in § 37 aus rechtsstaatlichen Gründen den Abs. 2 der Regierungsvorlage gestrichen, wonach die Verpflichtung zur Einsichtgewährung nicht durch ein Zeugnisverweigerungsrecht aufgehoben werden sollte. Wir haben in vollem Umfange die bewährten Grundsätze der Strafprozeßordnung für anwendbar erklärt.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Regierungsvorlage besteht in § 40 und in unserem § 40 a. Nach der Regierungsvorlage hatten die Verwaltungsbehörden das Recht der Beschlagnahme, soweit Gegenstände als Beweismittel in Betracht kommen oder der Einziehung unterliegen können. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, daß die Anordnung von Beschlagnahmen, wie jetzt in
40 a bestimmt wird, grundsätzlich dem Richter, nicht aber der Verwaltungsbehörde zukommt. Nur bei Gefahr im Verzug soll auch die Verwaltungsbehörde zu Beschlagnahmen befugt sein. Der Begriff Gefahr im Verzug wird hierbei eng auszulegen sein. Wir beobachten im Gebiet des allgemeinen Strafrechts einen ständigen Mißbrauch der Polizeibehörden, für die sozusagen immer Gefahr im Verzug besteht. Gefahr im Verzug kann nur in Betracht kommen, wenn ein Richter nicht rechtzeitig erreichbar ist, insbesondere also zur Nachtzeit oder an einem Ort, an dem sich kein Gericht befindet. Soweit aber ein Richter erreichbar ist, wird die Verwaltungsbehörde ihrerseits von Beschlagnahmen abzusehen haben und es dem Richter überlassen müssen, ob er die Beschlagnahme anordnet oder nicht.
In § 40 a Abs. 2 und 3 ist dann ein verstärkter Rechtsschutz im Falle von Beschlagnahmen gegeben.
In § 43 haben wir stärker herausgestellt, daß die Verteidigung grundsätzlich nur Aufgabe der Personen ist, die als Verteidiger auch nach dem Strafprozeßrecht in Betracht kommen und daß andere Personen nur im Bereiche ihres Sachgebiets als Verteidiger tätig werden dürfen. Der Bücherrevisor, der als Verteidiger bei einer Ordnungswidrigkeit des Wirtschaftsverwaltungsrechts in Betracht kommt, soll also nicht etwa als Verteidiger auftreten bei Verletzungen der Straßenverkehrsordnung.
In § 50 haben wir die Gerichtsorganisation verändert und den Amtsrichter als Einzelrichter grundsätzlich zuständig gemacht. Wir haben auch hier den Rechtsschutz verstärkt. Während nach § 50 Abs. 2 der Regierungsvorlage die Anordnung einer mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts lag, ist jetzt durch unseren § 50 Abs. 3 bestimmt, daß auf Antrag des Betroffenen oder wenn der Amtsrichter es für erforderlich hält, die mündliche Verhandlung stattfinden m u ß ; denn mündlich zu verhandeln ist einer der elementarsten Grundsätze des deutschen Verfahrensrechtes. Wir haben auch hier dem Gericht die Verpflichtung auferlegt, von Amts wegen alles zur Erforschung der Wahrheit Erforderliche zu tun. Damit ist im Beweisrecht insbesondere die Vorwegwürdigung von Beweismitteln ausgeschlossen.
In § 55 haben wir die Rechtsmittel verbessert. Es sollte eine Rechtsbeschwerde nach der Regierungsvorlage nur dann gegeben sein, wenn es sich um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelte, während wir die Rechtsbeschwerde schlechthin gegeben haben.
Ebenso haben wir in § 56 klargestellt, daß die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, Anklage zu erheben, wenn ein Gericht die strafgerichtliche Verfolgung beschließt; denn die Entscheidung nach den §§ 53 ff. ist eine Kompetenzentscheidung, die sowohl für die Strafgerichtsbarkeit als auch für die Verwaltung bindend sein muß.
In § 62 haben wir gleichfalls aus rechtsstaatlichen Gründen die Möglichkeit der Unterwerfung eingeschränkt. Die vielen Eingaben, die uns erreicht haben, konnten uns nicht davon überzeugen, daß wir dem Unfug der Unterwerfungsverhandlung, wie wir ihn in früheren Zeiten erlebt haben, wieder Raum geben sollten. Zur Leitung einer Unterwerfungsverhandlung ist nur der Behördenchef berufen oder sein allgemein bestellter Vertreter oder ein mit der Durchführung von Unterwerfungsverhandlungen allgemein beauftragter Verwaltungsangehöriger, der die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzt.
Schließlich — das ist das letzte, was ich auszuführen habe — ist in § 64 bei der Erzwingungshaft klargestellt, daß sie nur angeordnet werden darf, wenn ein begründeter Anlaß zu der Annahme besteht,. daß der Betroffene sich der Zahlung der Geldbuße zu entziehen sucht. Auf bloßen Verdacht hin ist das nicht möglich. Es wird vielmehr gefordert werden müssen. daß dem Beweise zugängliche Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich diese Annahme herleiten läßt.
Wir sind. uns über alle diese Einzelheiten im Ausschuß einig geworden. Ich habe die Ehre, Sie im Namen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu bitten, dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung Ihre Zustimmung zu erteilen.