Rede von
Dr.
Ludwig
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bin deutscher Rechtsanwalt, unid ich möchte mich dem anschließen, was mein Kollege Ewers soeben 'abschließend ausgeführt hat. Darüber hinaus möchte ich aber — ohne auf die Einzelheiten des Falles Kemritz in der Weise eingehen zu wollen, wie das der Herr Berliner Sprecher getan hat; ich kann das auch gar nicht, weil mir diese Einzelheiten in diesem Umfang gar nicht bekannt 'sind — doch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Ich habe das schon einmal, und zwar gelegentlich der damaligen Debatte getan. Ich habe damals gesagt — und das möchte ich heute wiederholen —: die Alliierten waren und sind schlecht beraten, wenn sie glauben, in dem alten Siegergeiste fortgesetzt Maßnahmen ergreifen zu sollen oder zu müssen, wie das hier wieder speziell im Falle Kemritz geschehen ist.
Es ist meines Erachtens unmöglich, daß in der Zukunft eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen uns und den Westalliierten auf den Gebieten stattfinden kann, auf denen man es von uns erwartet und auf denen wir auch, wie wir das schon vielfach erklärt haben, zusammenarbeiten wollen. Eine solche gedeihliche Zusammenarbeit ist überhaupt nur möglich, wenn ein entscheidender geistiger Wandel auf der andern Seite eintritt. Es ist nach der Auffassung meiner politischen Freunde und meiner eigenen Auffassung gänzlich unmöglich und untragbar, daß man auf der einen Seite glaubt — um die Probleme nur anzureißen —, ein Evokationsrecht weiter ausüben können, ja darüber hinaus, wie es in dem Gesetz Nr. 62 der Alliierten festgelegt ist, sogar deutsche Gesetze suspendieren zu können, die wir zu unserem eigenen Schutz erlassen zu müssen glaubten, und dann auf der andern Seite glaubt, den Geist zu schaffen, der notwendig ist, wenn das Werk gelingen soll, das wir alle miteinander anstreben.
Ich möchte von diesem Platze aus nicht allzu scharf sprechen, weil wir vom Herrn Bundesjustizminister gehört haben, daß gerade heute nachmittag über den Spezialfall Kemritz und die Probleme, die mit ihm zusammenhängen, verhandelt werden soll. Ich möchte nicht dazu beitragen, derartige Verhandlungen von dieser Stelle aus zu stören. Aber das eine muß ich doch sagen: für mich und meine politischen Freunde werden unsere zukünftigen welttragenden politischen Entscheidungen davon abhängig werden, und zwar entscheidend davon abhängig werden, wie speziell ein Fall Kemritz und die Probleme, die um ihn kreisen — Evokationsrecht, Suspendierungsrecht —, gelöst werden. Derartige Dinge sind für uns untragbar; denn wir sind der Meinung: wenn wir schon eine Verteidigungsgemeinschaft in Europa schaffen und darüber hinaus eine atlantische Verteidigungsgemeinschaft errichten wollen, kann es innerhalb dieser Gemeinschaften nicht so sein. daß der eine Partner, nämlich wir, als einziger nur die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte hat. Für uns ist das Ganze nur tragbar, wenn beide gleich behandelt werden, nämlich 'gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben. Das wollte ich hier grundsätzlich ausgeführt haben.