Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen gab 'es in der Presse zu lesen, daß der Hohe amerikanische Kommissar McCloy neben allerhand Lobsprüchen
auf das, von uns Erreichte uns anheim gab, dafür zu sorgen, daß aufbauwillige und staatsfreundliche Parteien sich den Agitationsstoff der Links- und Rechtsradikalen nicht allzusehr zu eigen machen sollten. Das sei gefährlich.
Ich möchte betonen, daß sämtliche Parteien dieses Hauses, die der Staatsform, die wir hier 'ausbilden wollen, anhängen, eine ganz schwere Unterlassungssünde begehen würden, wenn sie etwa Staatszertrümmerern das Kapitel, das um Herrn Kemritz spielt, als Agitationsstoff allein überlassen wollten. Es ist für uns nicht nur ein Agitationsstoff; es gehört zu den schweren, schweren Bedenken, die wir immer noch trotz aller vorbereitenden gesamteuropäischen oder gesamtabendländischen Maßnahmen in unserem Herzen und in den täglichen Erlebnissen spüren. Diese Sorgen rühren daher, daß man nun einmal den heute ja allgemein als ganz besonders schwer erkannten Fehler begangen hat, Deutschland zur totalen Kapitulation zu zwingen. Es gab also 'zunächst keine Hoheitsträger mehr in Deutschland, als der Krieg zu Ende war, sondern die Herren Besatzungskommissare oder die Herren Befehlshaber haben nach ihrem Gutdünken unsere Geschicke in die Hand genommen, und — das gebe ich Herrn Renner zu —dazu brauchten sie unter anderem auch Agenten. Soweit die Agenten Amerikaner, Engländer, Franzosen oder auch Russen waren, mögen sie allein mit ihnen fertig werden; leider haben aber die Besatzungsmächte bei uns einen Kometenschweif von ehemaligen Deutschen eingeführt, die sie in gewisse hochverantwortliche Stellungen einsetzten.
Teilweise scheinen sie auch welche hier bei uns vorgefunden zu haben.
Und nun ist das Unsympathische, Herr Renner, daß ein Agent, der gegen sein eigenes Vaterland auftritt, nach allgemeinem Landesgebrauch Landesverräter heißt
und daß wir mit Landesverrätern nichts zu tun haben wollen. Herr Kemritz mag auch noch ein Mörder sein oder sonst etwas — ich weiß es nicht —, jedenfalls hat er sich gegenüber seinen deutschen Landsleuten als Landesverräter betätigt, indem er sie in den Mord abführen ließ. Es gibt noch mehr solche Erscheinungen, z. B. den Herrn Kempner, der ebenfalls hier eine Rolle gespielt hat, die wir von Deutschen nicht gespielt wissen wollen.
Über eines aber möchte ich keinen Zweifel lassen: wenn etwa nach dem Generalvertrag unsere Souveränität nicht so weit hergestellt sein sollte, daß wir zum höheren Ansehen von früheren Besatzungsmächten deutsche Staatsbürger nicht in unsere eigene Justiz nehmen können, wenn sie sich gegen das Deutschtum vergangen haben, dann ist an Gemeinsamkeit überhaupt nicht zu denken.
Das ist 'der Ausgangspunkt unserer Betrachtungen.
Ich betone ausdrücklich: diese Dinge sind über den einzelnen Fall hinaus von ganz entscheidender Bedeutung. Darüber mögen sich die Besatzungsmächte, wenn sie uns nicht zu Vasallen, sondern zu Freunden 'gewinnen wollen, von Anfang an im klaren sein.
Darf ich zum Schluß, weil ich hier auch als deutscher Anwalt stehe — Mitglied des Vorstandes des Deutschen Anwaltsvereins —, noch namens der deutschen Anwaltschaft erklären, daß wir Kollegen wie Herrn Kemritz oder Herrn Dr. Kempner uns nicht aufdrängen lassen wollen,
daß wir es als Stand in der Gesamtheit ablehnen, mit solchen Herrschaften irgend etwas zu teilen.