Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung war schon vor der Verhandlung dieses Hohen Hauses am 20. und 21. Juni vorigen Jahres entschlossen, wegen der Vorgänge, die sich an den Namen Kemritz knüpfen, bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig zu werden. Sie hat dann den Beschluß dieses Hauses vom 21. Juni verwertet und in einer Note vor; 29. Juni dem amerikanischen Hohen Kommissar zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung die Rechtsauffassung des Rechtsamtes des amerikanischen Hohen Kommissars nicht anerkennen kann und sich daher veranlaßt sieht, gegen die Eingriffe in die deutsche Rechtspflege nachdrücklich Verwahrung einzulegen. Es ist im einzelnen hingewiesen worden auf die Einstellung eines Strafverfahrens gegen Kemritz, auf die Anordnung der Einstellung des anwaltschaftlichen ehrengerichtlichen Verfahrens gegen Kemritz und auf die Einwirkung auf Zivilprozesse der Hinterbliebenen der Opfer des Herrn Kemritz; sie sind von uns als unzulässige Maßnahmen bezeichnet worden. Die Bundesregierung hat ausdrücklich der Auffassung des Deutschen Bundestags in den Sitzungen vom 20. und 21. Juni beigepflichtet, daß politische Erwägungen die Verwirklichung des Rechts keinesfalls hindern dürfen. Sie hat dem Hohen Kommissar vorgeschlagen, daß der Fall Kemritz und die mit ihm zusammenhängenden Rechtsfragen von Sachverständigen der amerikanischen Hohen Kommission und der Bundesregierung mit dem Ziel erörtert werden sollen, die Angelegenheit zu bereinigen und für die Zukunft derartige Eingriffe in die deutsche Rechtspflege unmöglich zu machen.
Der amerikanische Hohe Kommissar hat auf diese Note mit einem Schreiben vom 31. Juli 1951 an den Herrn Bundeskanzler geantwortet. Er hat erklärt, daß er, wenn er dazu in der Lage sei, der Bitte der Bundesregierung entsprechen wolle, eine Konferenz zwischen amerikanischen und deutschen Sachverständigen abzuhalten. Er äußerte noch den Wunsch, in den Besitz zusätzlicher Tatsachen über Kemritz zu gelangen, die bei den amerikanischen Ermittlungen nicht aufgedeckt worden seien.
Zur Vorbereitung 'der in Aussicht gestellten Verhandlungen habe ich dann von mir aus weitere Ermittlungen anstellen lassen. Nachdem sich dann die Vorgänge ereignet hatten, von denen der Herr Abgeordnete Dr. Greve sprach, nachdem nämlich das Landgericht Berlin den Haftbefehl gegen die Sekretärin von Kemritz, Frau Hackelt, aus strafprozessualen Gründen aufgehoben hatte, nachdem auf Weisung der amerikanischen Besatzungsbehörden in Berlin Zivilprozesse von Frau von Hake, der Witwe eines Opfers des Kemritz, gegen ihn ausgesetzt und die Akten dem Hohen Kommissar vorgelegt worden waren, erklärte er sich zu der
Aufnahme der Besprechungen bereit. Sie sind dann erstmals am 5. September erfolgt. In dieser Verhandlung hat ein Austausch der Mitteilungen über die tatsächlichen Unterlagen und über die beiderseitigen Rechtsansichten stattgefunden. Es war notwendig, über diese Tatsachen und die aufgetretenen neuen rechtlichen Gesichtspunkte eine gesonderte Prüfung zu ermöglichen. Aus diesem Grunde ist die Verhandlung vertagt worden. Es ist ausdrücklich vereinbart worden, daß sie sofort nach beschleunigter Durchführung der notwendigen Ermittlungen wieder aufgenommen werden sollte.
Mit Schreiben vom 23. November vorigen Jahres wurde dann dem Vertreter des amerikanischen Hohen Kommissars eine nochmals überprüfte Übersicht über die Opfer des Kemritz, die insgesamt 23 Namen umfaßt, sowie ein Vermerk über die Persönlichkeit des Kemritz nach den von deutscher Seite vorgenommenen Ermittlungen übersandt. Gleichzeitig wurden die amerikanischen Vertreter gebeten, entsprechend ihrer Zusage vom 5. September das Ergebnis ihrer Informationssammlung, insbesondere ihre uns nicht bekannten Richtlinien über den „automatischen Arrest" vom Oktober 1946, in den die Opfer des Kemritz angeblich gekommen sind, uns zugänglich zu machen. Die Antwort hat sich verzögert. Ich habe Anfang Januar erneut gemahnt und habe angefragt, wann die Möglichkeit der neuerlichen Zusammenkunft besteht. Es ist dann ein Schreiben ,des Sekretärs der amerikanischen Vertreter vom 8. Februar eingegangen, dem ein Bericht der amerikanischen Mitglieder des zur Überprüfung des Falles Kemritz eingesetzten gemischten amerikanisch-deutschen Ausschusses sowie die in ihm angezogenen Bestimmungen über den automatischen Arrest beigefügt worden sind. — Meine Darden und Herren, ich kann nur soviel sagen: das, was uns hier an Material und an Stellungnahme übergeben worden ist, kann keinesfalls befriedigen.
Ich habe dann sofort gebeten, daß die in Aussicht gestellte Unterredung stattfinden soll. Sie ist dann
— ein reiner Zufall, das hat mit der heutigen Tagesordnung keinerlei Zusammenhang — auf heute nachmittag 15 Uhr — —
— Ich habe Ihnen ja genau dargelegt, wie der zeitliche Zusammenhang ist. Die Zusammenkunft ist auf heute nachmittag 15 Uhr angesetzt worden.
Wir werden alles tun, um die erforderlichen Unterlagen zu ,erhalten, die zur rechtlichen Klärung dieses Falles beitragen können. Wir werden dabei den Rechtsstandpunkt der Regierung und dieses Hohen Hauses, wie er am 21. Juni 1951 niedergelegt worden ist, durchzusetzen versuchen und werden, sobald ein greifbarer Abschluß vorliegt, dem Hohen Hause berichten.