Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige und die gestrige Debatte haben eine komplette Parallele, einen kompletten Vorgänger bereits vor 15 Monaten gehabt. Ich möchte Ihnen allen, wenn Sie dem, was hier gesagt worden ist, noch einmal nachgehen wollen, um zu einer Analyse der Thesen und Gegenthesen zu kommen, empfehlen, jene Debatte vom S. November 1950 — es handelt sich um die 98. Sitzung dieses Hohen Hauses — nachzulesen. Dabei würden Sie — wenn
ich einmal das Thema Generalvertrag ausklammere — die erstaunliche Feststellung machen, daß sich im übrigen sowohl an der These der Regierung als auch an der der Opposition nichts geändert hat.
Allerdings muß ich — sehr zu meinem Bedauern — sagen, daß diese Thesen durch die letzten Erörterungen von seiten der Opposition um zwei Punkte bereichert worden sind, die ich beide als äußerst unerfreulich ansehe.
Wir haben, als wir kürzlich einen Auftakt zu dieser Debatte hatten, einen Vortrag des Herrn Kollegen - Schoettle gehört, der mit den Worten schloß:
Wir Sozialdemokraten werden uns in dieser Frage den Bedürfnissen der amerikanischen Innenpolitik nicht beugen.
Ich habe es damals sehr begrüßt, daß der Herr Kollege Euler diese Ausführungen und die danach mögliche Unterstellung auf das energischste zurückgewiesen hat. Ich möchte das, weil diese These inzwischen in der deutschen inneren Politik eine gewisse Bedeutung erlangt zu haben scheint, noch einmal nachdrücklichst tun.
Wir haben aber heute noch ein Zweites gehört; das ist aus dem Munde von Herrn Dr. Arndt gekommen, der die Ausführungen meines Freundes Strauß falsch zitierte bzw. dahin zu interpretieren versuchte, als ob wir geneigt wären, Menschen statt Wohnungen anzubieten.
Ich fordere Herrn Dr. Arndt hiermit auf, diese Ausführungen zurückzunehmen
und diesen Fehlschluß zu berichtigen,
sonst würde ich -das Urteil über eine derartige Auslegung der Ausführungen meines Kollegen Strauß getrost dem deutschen Volke überlassen.
Mein eigenes Urteil darüber brauche ich nicht mehr hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, wir kommen aus dem Lande in diese Debatte und wissen, daß unser Volk in Herz und Verstand von der Frage, die hier debattiert wird, hin- und- hergeschüttelt wird. Aus den Auseinandersetzungen im Lande wissen wir aber auch sehr genau, wie viele draußen und wie viele von uns einer Entscheidung durch den Rückzug hinter diese oder jene Kulisse ausweichen möchten.
Wir sind aber fest entschlossen und haben das, glaube ich, in dieser Debatte auch gezeigt, daß wir nichts beschönigen werden, sondern die erbarmungslose Wirklichkeit, in die unser Volk gestellt ist, analysieren und die zahlreichen Kulissen und Attrappen als Machwerke von Illusion in dem einen Fall und von Heuchelei in dem andern Fall entlarven.
Wir glauben, daß wir unserem Volke diesen Dienst schulden, und wir werden diesen Dienst unserem Volke leisten in dem Willen, das gemeinsame Schicksal gemeinsam zu tragen.
Wenn ich gesagt habe, daß die Debatte in der Zwischenzeit nicht um sonderlich neue Gesichtspunkte bereichert worden sei, so möchte ich hier doch Gelegenheit nehmen, anzuerkennen, daß sich eigentlich die ganze deutsche Presse in den vergangenen Monaten sehr große Mühe gegeben hat, die hier zur Erörterung stehenden Fragen von allen Gesichtspunkten aus sehr ausführlich zu beleuchten, und daß sie dabei nicht zuletzt auch gerade den oppositionellen Stimmen ein starkes Gehör gegeben hat. Wir begrüßen das durchaus, denn wir glauben, daß in einer Lebensfrage wie dieser überhaupt nicht genug diskutiert werden kann, wenn und solange nur ehrlich diskutiert wird. Aber über das geschriebene und gedruckte Wort hinaus ist auch manches in Zeichnung und Bildern gesagt worden, von denen ich glaube, daß sie zum Teil tatsächlich ein Durchdenken des Problems bis zum Ende erkennen lassen. Ich möchte hier aus einer großen deutschen Zeitung jene Karikatur erwähnen, in der zwei Uniformen mit den Worten zur Auswahl gestellt wurden: „Bedaure, es gibt momentan nur diese beiden Modelle." Für diejenigen unter Ihnen und für diejenigen draußen, denen das sehr hart klingen mag, kann man, glaube ich, diese Darstellung nur durch das unterstreichen, was Herr Kollege Ollenhauer gestern hier gesagt hat, daß nämlich hinter dem „Ohne mich" das totalitäre Konzentrationslager stehen würde. Diesen Satz möchte ich allerdings mit vollem Nachdruck unterstreichen. Ich glaube, er läßt erkennen, wieviel näher sich Regierung und Opposition im Grunde sind, als es nach manchen Ausführungen hier scheinen könnte.
Ich möchte aber auch noch ein Wort dazu sagen, daß wir auch in der ausländischen Presse manche Stimme des Verständnisses für die spezielle deutsche Lage gefunden haben. Als eine Stimme von vielen, von der ich glaube, daß sie geeignet ist, einen sehr guten und nachdenkenswerten Beitrag in diesem Augenblick zu leisten, möchte ich Walter Lippmann zitieren, der geschrieben hat:
Es ist nichts Verwerfliches in dem, was die Deutschen tun. Sie tun, was ein besiegtes Volk immer tun wird, wenn seine Regierung nicht in den Händen von Kollaborateuren, sondern von vaterlandsliebenden und klugen Männern liegt
Ich glaube, daß diese Ausführungen eines ausländischen Journalisten, wenn sie bei zahlreichen ausländischen Regierungen nachhaltig beachtet werden, dann durchaus dazu beitragen könnten, manche Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage leichter zu beheben.
Meine Damen und Herren, wenn wir nun noch einmal einen zusammenfassenden Blick auf die Thesen der Opposition werfen, so sind es fünf Punkte. Es ist als Punkt 1 die Forderung nach der Gleichheit der Chancen und der Gleichheit des Risikos, die sie als nicht gegeben ansieht. Sie sieht ferner keine deutsche Gleichberechtigung politisch und militärisch als gegeben an. Sie verlangt, keine Koppelung zwischen Generalvertrag und Verteidigungsvertrag vorzunehmen. Sie sieht das Wehrgesetz als nach der Verfassung unmöglich an und spricht diesem Bundestag die Legitimation ab. Das sind die fünf Thesen, die die Opposition landauf, landab — übrigens nicht erst in diesen Tagen, sondern seit jenem von mir erwähnten 8. November 1950 — in dieser Weise formulierte. Ich glaube, daß
I diese Debatte auf jede einzelne dieser Fragen für alle diejenigen, die zuhören wollten, eine schlüssige Antwort gegeben hat. Ich glaube darüber hinaus, daß die Auseinandersetzung über diese Thesen und Vorbehalte dadurch sehr erleichtert wird, daß auch Herr Kollege Ollenhauer hier noch einmal deutlich ausgesprochen hat, daß die grundsätzliche Verteidigungsbereitschaft wenigstens nicht zur Debatte steht.
Und nun erlauben Sie mir, in diesem Punkt das Argument aufzunehmen, was von jenem November 1950 ab als Forderung der SPD herüberragt, wie sie uns damals Herr Dr. Schumacher hier in diesem Hause vorgetragen hat. Es hieß damals, daß die Etablierung einer kriegverhindernden Macht das entscheidende Ziel sein müsse, und er hat dem hinzugefügt, daß die demokratischen Streitkräfte so stark sein müßten, bei einem Angriff aus dem Osten die Kriegsentscheidung im Gegenstoß außerhalb der deutschen Grenzen suchen zu können.
Ich lasse einmal den letzteren Teil weg, weil er mir etwas zu unterstellen oder zunächst schon in den Bereich des Möglichen zu ziehen scheint, was wir in diesem Augenblick nicht erörtern möchten. Aber der erste Teil dieser These, nämlich die Etablierung einer kriegverhindernden Macht, deckt sich voll -und ganz mit der Auffassung der Regierungsparteien.
Wenn wir uns in diesem Punkt einig sind, dann glaube ich, daß wir uns in dieser Beziehung über jede Unterstützung, die wir von der Opposition hierbei erfahren, nur freuen können. .
Wir haben aber gestern noch einmal in anderer Formulierung gehört, was man sich denn unter der sozialen Sicherung unseres Friedens vorstellt. Herr Kollege Ollenhauer hat dafür drei Punkte angegeben: den Lastenausgleich, das Arbeitsbeschaffungsprogramm und schließlich die Mitbestimmung. — Wenn das in der Tat sozusagen der ganze sozi ale Vorbehalt ist, dann glaube ich, daß wir auch ihn sehr gut und sehr schnell und unter Ihrer aller Mitwirkung werden verabschieden können.
Nach den getroffenen Veranstaltungen dürfte der Lastenausgleich in diesem Hause bald zur zweiten und dritten Lesung und hoffentlich zur Verabschiedung kommen. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm ist überhaupt von Anfang an und ständig der Gegenstand unserer ganzen Politik, deren Erfolge Sie i a gerade auf diesem Gebiet unmöglich werden leugnen können.
Was schließlich das Thema der Mitbestimmung angeht, so ist zu sagen. daß auch diese Frage — wenn wir auf diesem Gebiet nicht einen Zwischenfall vor etwa einem Jahr gehabt hätten — heute bereits längst ad acta gelegt wäre.
Sie sind freundlich aufgefordert, bei der demnächst statfindenden zweiten und dritten Beratung des Mithestimmungsgesetzes Ihre vollinhaltliche Unterstützung zu geben.
Ich darf mich nun der Frage Generalvertrag und Verteidigungsvertrag zuwenden. Ich glaube, daß wir auch hier mit der Opposition zunächst einmal ein Einigsein dahin feststellen können, daß der Weg, den Deutschland aus der tiefsten und schrecklichsten Niederlage seiner Geschichte zurückzulegen hat, nur außerordentlich mühselig, schwierig und allmählich vollzogen werden kann. Wir sind allerdings uneinig in der Beurteilung der Fortschritte, die wir auf diesem Gebiet gemacht haben. Wenn Sie sich den Stand der Debatte vor fünfzehn Monaten auch daraufhin noch einmal ansehen, so werden Sie finden, daß damals der einzige Punkt in dieser außenpolitischen Beziehung eine schlechte Prognose für den Europarat gewesen ist. Inzwischen sind wir, wie Sie ja selbst miterlebt haben, in einigen Punkten längst über ein solches Stadium hinaus, indem wir einen funktionellen Anfang gemacht haben. Ich glaube, Sie werden nicht bestreiten können, daß die Linie, die über das Petersberg-Abkommen vom Demontagestop zur Remontage geführt und die von der Ruhrbehörde über den Schumanplan zur Hohen Behörde geführt hat, konsequent und erfolgreich gewesen ist, und das entgegen der Versklavungsparole, die uns die. Opposition dafür auf den Weg gegeben hatte.
Ich glaube darüber hinaus, daß sich die von uns allen in diesem Augenblick sehr bedauerte deutschfranzösische Spannung gerade auf dem Boden des bisher geschaffenen europäischen Plafonds wird lösen lassen, und — wenn Sie mir das als persönliche Anmerkung dazu erlauben — als geborener Saarbrücker zweifle ich keinen Augenblick daran, daß das Saargebiet einen vollen Bewährungsbeitrag zu dieser Lösung bieten wird.
Ich möchte nun zu einigen Einzelheiten des Generalvertrags und seiner Annexe kommen, soweit sie in der Diskussion berührt worden sind und soweit sie in unseren Anträgen festgehalten werden. Ich bedaure, daß Herr Kollege Schmid, als er hier sprach, offenbar die Texte der Anträge, die wir gleich stellen werden, noch nicht vor sich hatte; denn dann wäre er der Peinlichkeit enthoben gewesen, eine Reihe von Dingen anzuschneiden, über die es überhaupt keine Uneinigkeit in diesem Hause geben kann und bei denen man deswegen auch nicht so tun sollte, als ob es eine Uneinigkeit gäbe.
Ich möchte ganz kurz zusammenfassen, was wir als eine notwendige Voraussetzung für den Abschluß des Generalvertrags und seiner Übergangsbestimmungen ansehen. Dazu gehört nach unserer Auffassung erstens ein klares Ende des Besatzungsregimes, und dazu gehört nach unserer Meinung, daß der Truppenvertrag einem üblichen internationalen Standard entsprechen muß. einem Standard, für den es Beispiele in dem NATO-Statut, in dem europäischen Truppenstatut und schließlich auch in den Vergleichen mit Regelungen aus dem zweiten Weltkrieg gibt.
Wir sind zweitens der Auffassung, daß irgendeine Souveränitätsbeeinträchtigung nur insoweit noch möglich sein kann, um eine Viermächtelösung der Wiedervereinigung Deutschlands nicht provokatorisch zu inhibieren und den Berliner Status nicht zu gefährden.
Wir sind auf dieser Basis drittens der Auffassung, daß man alle besatzungsrechtlichen Versteinerungen beiseite lassen sollte, die durch den Grundgedanken des Generalvertrags nicht gedeckt sind. Um die praktische Aktualität — oder ich möchte sagen: Nicht-Aktualität — dieses Beispiels zu
zeigen, möchte ich sagen: wir werden es keinem jungen Deutschen zumuten, einen Panzer zu besteigen, solange die Alliierten sich etwa noch eine Kontrolle der deutschen Gewerbefreiheit vorbehalten sollten.
Als vierten Punkt darf ich herausstellen, daß wir alle einseitigen Erzeugungs- und Forschungsverbote ablehnen müssen, weil sie auf der Basis einer Gemeinschaftsaufgabe unerträglich sein würden als der Ausdruck einer minderen Rechtsstellung. Nach unserer Meinung muß das Ende des Besatzungsregimes und das Ende der Besatzungskontrollen zusammenfallen. Auch auf dem an sich sehr schwierigen und in diesem Hause häufiger behandelten Gebiet der Entflechtungen dürften sich entsprechende Lösungen finden lassen.
Fünftens. kann man nicht gleichzeitig ein deutsches europäisches Kontingent und daneben die bisherigen Dienstgruppen haben, wobei wir bereit sind, anzuerkennen, daß die Beseitigung dieser Dienstgruppen stufenweise und parallel zum Aufbau des deutschen Kontingents vollzogen werden sollte.
Sechstens ist zum finanziellen Verteidigungsbeitrag anzumerken, daß er einseitige Besatzungskosten ausschließt, daß keine getrennten Zahlungen für eine europäische Armee und amerikanisch-britische Truppen in Frage kommen werden und daß bei der Festlegung unseres finanziellen Verteidigungsbeitrags berücksichtigt werden muß, mit welchem Übermaß von sozialen Lasten die Bundesrepublik durch das Problem der Vertriebenen und die besondere Fürsorge für Berlin belastet ist.
Wir müssen siebentens paritätisch besetzte Schiedseerichte und gemischte Gerichte, soweit sie vorgesehen sind, anstreben.
Achtens brauchen wir eine Anpassung des Berliner Besatzungsstatus an die neue Lage in der Bundesrepublik und eine Festigung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Berlin, die bisher noch durch besatzungsrechtliche Kontrollen erschwert war.
Meine Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung, daß wir in allen diesen acht Punkten positive Ergebnisse in den Verhandlungen werden erzielen können, weil ich glaube, daß diese Verhandlungen in einem allgemeinen europäischen Interesse positiv verlaufen müssen.
Aber erlauben Sie mir in diesem Zusammenhange eine Bitte an die westliche Welt: zu verstehen, daß viele gute Absichten und Reformideen bei uns nur Eingang finden können, wenn sie nicht von vornherein mit dem Makel des Siegerrechts belastet werden.
Ich denke dabei gerade an das sehr schwierige Problem des Kartellgesetzes und ähnlicher Bestimmungen, von denen man hier und draußen weiß. daß große Teile der deutschen Öffentlichkeit diesen Dingen durchaus positiv gegenüberstehen. Man sollte diese Kreise nicht dadurch in eine schwierige Lage bringen, daß man von draußen etwas verlangt, was sich besser erst aus einer innerdeutschen Auseinandersetzung ergeben kann, wenn es fest und dauerhaft sein soll.
Aber ich glaube, daß auch eine zweite Bitte gerechtfertigt ist, nämlich die an das deutsche Volk, seinerseits zu verstehen, daß nicht nur in Deutschland seelische Barrieren für einen Fortschritt der internationalen Beziehungen aufgerichtet sind, sondern daß solche seelischen Barrieren auch draußen bestehen, daß sie offenbar und natürlicherweise-schwerer abzutragen sind als Zollschranken und daß der überall erforderliche seelische Erneuerungsprozeß behutsam gepflegt und gefördert werden muß.
Meine Damen und Herren, ich möchte der Opposition nun doch einmal vorhalten, daß es ein gefährliches Spiel wäre, wollte sie die Verteidigungsfrage parteipolitisch mißbrauchen.
Wenn Sie Ihre Forderung auf Neuwahlen konsequent zu Ende denken, liefe es doch darauf hinaus, ob Sie das an sich wollen oder nicht. Aber vielleicht darf ich ,Ihnen für Ihre eigenen Überlegungen zu dieser Frage ein persönliches Erlebnis beitragen.
Ich hatte am vergangenen Sonntag Gelegenheit, einer Einladung folgend in einer Betriebsräte- und DGB-Funktionärversammlung zu sprechen, in der ein Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes das Hauptreferat hielt. Es ist die erste Versammlung, an der ich in meinem Leben teilgenommen habe, die nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt werden konnte, und zwar deshalb nicht, weil dort von einer offensichtlich radikalen und ferngesteuerten Gruppe
die schärfsten Anträge gestellt wurden, die in diesem Augenblick überhaupt nur denkbar waren: Rücktritt des Bundesvorstandes, und schließlich wurde die Ausrufung des Generalstreiks für den Fall gefordert, daß ein Wehrgesetz verabschiedet
werden sollte. Über diese Dinge mit der äußersten Linken dieses Hauses zu sprechen ist selbstverständlich von vornherein hoffnungslos.
Aber den Kollegen, die neben dieser äußersten Linken sitzen, möchte ich dazu sagen, daß links und rechts von mir in dieser Versammlung Männer aus ihren Reihen saßen, die entsetzt in den Ruf ausbrachen: Unsere Leute gehen ja mit! — Meine Damen und Herren, das sollte Sie sehr, sehr nachdenklich stimmen.
und dem Volke zeigen, wieweit der Prozeß der Unterlaufung offensichtlich schon gediehen ist, wenn man ihm nicht einen radikalen Einhalt gebietet.
Ich möchte in diesem Zusammenhange offen anerkennen und aussprechen, daß ich große Achtung vor dem Mut des Bundesvorstandes und des Bundesausschusses der deutschen Gewerkschaften habe, die in dieser Lage ein klares Wort demokratischer Verantwortung als Führer einer großen demokratischen Organisation gesprochen haben.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns Ihr prinzipielles Ja ansehen — mit den Vorbehalten, die ich erörtert habe — und dann die Forderung auf Neuwahlen höre, dann darf ich mich und das
deutsche Volk fragen: Neuwahlen, um dann das gleiche zu tun?
Neuwahlen ohne konstruktive Alternative? Denn Sie werden doch nicht glauben, meine Damen und Herren, daß Sie gestern oder heute hier in diesem Hause eine konstruktive Alternative aufgezeigt hätten!
Zu dieser Forderung auf Neuwahlen sagen wir ein unmißverständliches Nein.
Ein Nein nicht nur aus verfassungsrechtlichen
Gründen und — hören Sie genau hin, dann können
Sie das Maß unserer „Angst" vielleicht erkennen!
— ein Nein, weil wir erstens unser Mandat auch im dunkelsten und engsten Tal — unserem Gewissen verpflichtet — wahrnehmen werden,
weil wir das zweitens nicht anonym, sondern weil wir das namentlich und öffentlich tun wollen;
und drittens, weil wir uns dann wiederum — und
Sie brauchen nicht länger als 15 Monate zu warten
— dem deutschen Volke für sein Urteil stellen werden.
Aber ich glaube, daß die Situation doch so ist, daß wir eine Bitte an die Opposition hier im Hause und draußen im Lande richten sollten, nämlich die Aufforderung, uns zusammenstehen zu lassen, um die bestmöglichen politischen und militärischen Voraussetzungen unserer gemeinsamen Sicherheit gemeinsam mit Ihnen zu erkämpfen.
Machen Sie sich die Antwort in dieser Schicksalsstunde unseres Volkes nicht leicht! Sie wissen genau so gut wie wir, daß gegenwärtige Gefahren getragen werden müssen, um künftige noch größere zu vermeiden!
Wie immer aber auch Ihre Entscheidung in dieser Frage ausfallen mag: das deutsche Volk soll wissen, daß sich niemand dieser einzigen und dieser einzig legitimen Notgemeinschaft für den Frieden entziehen darf.
Wir aber versichern diesem Hohen Hause und dem weiten Lande diesseits und jenseits des eisernen Vorhanges, daß wir entschlossen sind, unsere Pflicht zu tun.