Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Goetzendorff, ich empfehle Ihnen, Ihre kurze Redezeit für sachliche Ausführungen zu benutzen, wenn Sie sie zu machen wünschen.
Goetzendorff
: Herr Präsident, ich wurde dauernd gestört und unterbrochen!
Ich bin überzeugt, daß sich das viele junge Menschen überlegen werden, insbesondere wenn sie in der Presse lesen, daß Vertreter der Bundesregierung der Ansicht seien, es könnten nur etwa 9 bis 10 Milliarden jährlich für den Verteidigungsbeitrag aufgewandt werden, und wenn sie dabei bedenken, daß man ihnen seit Jahren den Lastenausgleich vorenthält, der ein Geringeres erfordert hätte als das. was man jetzt pro Jahr aufzuwenden gedenkt. Es kann keine Frage sein, daß, bevor eine Entscheidung über den Verteidigungsbeitrag fällt, das soziale Gefälle in diesem Lande planiert werden muß.
Die andere unverzichtbare Bedingung ist die Forderung nach voller Gleichberechtigung des deutschen Volkes,
nicht nur in der europäischen Gemeinschaft, sondern auch im Atlantikpakt. Wenn von uns gefordert wird, daß wir im Ernstfall gemeinsam mit den Soldaten der anderen freien Völker sterben sollen, dann setzt dies die Ausmerzung jeder Diskriminierung voraus.
— Das will ich Ihnen beantworten. Ich war vier Jahre in Rußland und bin schwerkriegsbeschädigt, Herr Kollege!
Es gibt Kreise, die glauben, aus der Sehnsucht der Vertriebenen nach ihrer Heimat ein politisches Geschäft machen zu können. Denen sei gesagt, daß die Ostdeutschen hellhörig geworden sind. Sie wissen, daß die Rückkehr in die gestohlene Heimat nicht durch einen Krieg mit ungewissem Ausgang erstrebt werden kann. Sie wollen nicht an einem Kreuzzug gegen den Bolschewismus teilnehmen, um an der Heimat vorbei in die sibirischen Gefangenenlager zu marschieren. Sie haben nicht vergessen, daß Amerikaner und Engländer bei dem verbrecherischen Akt von Potsdam Pate gestanden haben, und sie fordern: bevor der Verteidigungsbeitrag ernsthaft diskutiert wird, müssen sich die freien Völker von Yalta und Potsdam nicht nur rhetorisch, sondern durch vertragliche Zusicherung distanzieren. Nicht der Herr Bundeskanzler wird in einem künftigen Krieg als Kanonenfutter in den Schützengraben gehen
sondern jene Deutschen, die heute befürchten, daß über ihren Kopf hinweg entschieden wird.
Herr Kollege Strauß hat mit den Worten geschlossen: Es lebe Europa! Bevor Europa aber lebt und leben kann, muß Deutschland leben.
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Man frage nicht nur das Parlament; man frage die Männer, die als Krüppel aus dem letzten Krieg zurückgekommen sind; man frage die Mütter, die aufs neue um das Leben ihrer Söhne bangen; und man lege sich die Gewissensfrage vor, wie jene entscheiden würden, die heute in zwei Erdteilen die fremde Erde bedeckt.