Eine solche Abmachung, wie ich sie eben gekennzeichnet habe, liegt absolut in der Natur der Sache und ist durch auch in unserem Interesse liegende Notwendigkeiten begründet.
Denn ich habe Ihnen doch schon gestern gesagt: das Ganze ist ein großes Werk, das noch nicht fertig ist und das man erst beurteilen kann, wenn es'-Ihnen fertig vorgelegt wird.
Dann, glaube ich, ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem man zu dem, was vorläufig vereinbart ist, positiv oder negativ Stellung nehmen kann.
Aber wie das heute vom Herrn Abgeordneten Schmid beliebt worden ist, ist es ein völlig unmögliches und untragbares und in der parlamentarischen Geschichte niemals vorgekommenes Verfahren.
Es liegen Ihnen doch keine Verträge vor; es liegt
Ihnen doch nicht ein Antrag der Bundesregierung
vor, solchen Verträgen die Zustimmung zu geben.
Es handelt sich hier um ganz andere Dinge.
-- Ach, Herr Renner, gurgeln Sie doch nicht so!
Ehe ich dann zu den Punkten komme, in denen ich dem Herrn Abgeordneten Schmid antworten will, möchte ich auch noch folgendes feststellen. Die Angabe des belgischen Kriegsministers, daß keinem deutschen General ein Korpskommando anvertraut werden würde, würde, wenn sie so aufgestellt worden ist, ebenfalls falsch sein.
Aus dem Vertrag, soweit er bis jetzt vorliegt, ergibt sich genau das Gegenteil.
Nun möchte ich mich zu den Behauptungen und Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schmid wenden, die im ersten Teil seiner Rede enthalten waren und die man noch — mit einer gewissen Großzügigkeit — zum Gegenstand dieser Verhandlungen rechnen kann. Ich habe nicht gesagt, Herr Kollege Schmid, daß wir eine Freiwilligenarmee schaflen wollten, sondern ich habe — wenn Sie das Stenogramm, das unkorrigierte Stenogramm nachlesen wollen — gesagt, daß wir mit Freiwilligen anfangen würden, aber daß wir ohne ein Wehrgesetz nicht auskommen könnten.
Ich war neugierig darauf, wie sich der Herr Kollege Schmid nun aus dieser Sache, die er im Parlamentarischen Rat gesagt hat, herausziehen würde. Wenn ich ihn recht verstanden habe, hat er hier ausgeführt, ein System der kollektiven Sicherheit könne auch darin bestehen, daß man sein Territorium zur Verfügung stelle. Zunächst muß ich hier einschieben: ich möchte nicht einem System der kollektiven Sicherheit angehören, in dem unser Land als Territorium
den Mächten, die für die kollektive Sicherheit zu sorgen haben, zur Verfügung gestellt wird.
Dann bin ich doch lieber bei denen, die die Maßnahmen zum Schutze der kollektiven Sicherheit ausführen. Aber Deutschland einem System der kollektiven Sicherheit zur Verfügung stellen zu wollen
oder zur Abwehr gegen den Osten — zur beliebigen Verfügung! —: nein, das würde ich nicht mitmachen!
Man würde aber auch dem Herrn Abg. Schmid Unrecht tun, wenn man ihm unterstellte, daß er im Parlamentarischen Rat jemals an etwas Derartiges gedacht hätte.
Nehmen Sie doch das Stenogramm zur Hand! Die Stenographie ist ja überhaupt eine unheimliche Sache!
Ich darf es nochmals wiederholen: es ist zu schön, als daß ich mir das entgehen lassen dürfte!
Wenn ich hier nun einiges über die Eloquenz, über die Sprach- und Sprechmethode des Herrn Kollegen Schmid in diesem Falle sage, dann kann man daraus ja die entsprechenden Schlüsse auf die anderen Ausführungen, die er gemacht hat, ziehen.
Im Redaktionsausschuß des Parlamentarischen
Rates ist beantragt worden, bei dem Verbot des
Krieges das Wort „Krieg" durch „Angriffskrieg"
zu ersetzen. Der Herr Kollege von Brentano hat
das begründet. Dann hat sich das Mitglied des Parlamentarischen Rates Herr Dr. Schmid mit folgen
der Begründung gegen diesen Antrag gewendet:
Wir sollten auch hier ein Stück weitergehen,
als man bisher üblicherweise gegangen ist,
und sollten in unserem Lande schlechthin
untersagen, die Führung von Kriegen vorzubereiten. Wir sollten damit unsere Meinung
zum Ausdruck bringen, daß in einem geordneten Zusammenleben der Völker das, was
man früher als die ultima ratio regum, als das
Souveränitätsrecht der Souveränitätsrechte ansah, schlechthin keine Stätte mehr haben soll,
daß, wenn schon Gewalt ausgeübt werden
muß, diese Gewalt nicht als nationaler Souveränitätsakt ausgeübt werden soll, sondern als
Akt des kollektiven Selbstschutzes aller Nationen, die dafür sorgen, daß auf der ganzen
Weit der Friede erhalten bleibt und daß es
Angreifern unmöglich gemacht wird, den
Frieden zu stören.
Meine Damen und Herren, ich habe dem aber auch gar nichts hinzuzufügen!
— Na ja, dann können Sie Ihre Klage zurückziehen!
— Nun, was die Saarfrage angeht! Vielleicht haben Sie, meine Damen und Herren, gelesen, was das Foreign Office gestern nachmittag in seinem Diplomatischen Dienst über meine Ausführungenam Vormittag veröffentlicht hat. Es hat erklärt, daß meine Auffassung über die Saarfrage und über die NATO-Frage mit den Ansichten der britischen Regierung übereinstimme.
Herr Kollege Schmid hat einen Satz gesprochen, der von einem Teil des Hauses mit lebhaftestem Beifall unterstrichen worden ist; und ich gebe zu: er klang, namentlich bei der Redegewandtheit des Kollegen Schmid, sehr schön, obgleich ich ihn sehr unvollständig finde. Er hat, als von Verteidigungstruppen die Rede war, gesagt: Es entscheidet nicht die Bezeichnung, die Benennung, sondern die Rechtsstellung. Nein, meine Damen und Herren, für mich ist entscheidend die Aufgabe dieser Truppe und nicht die Rechtsstellung; die kommt in zweiter Linie.
Aber die Aufgabe dieser Truppe, das ist für mich das Entscheidende.
Nun komme ich zu einem Passus der Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid, über den ich in Wahrheit doch erschüttert bin.
Er hat gesagt: Das Provisorium, in dem wir leben, erlaubt keine Statusverträge. Er hat das Wort gesprochen, das von einem Teil des Hauses, weil es ein so schön klingender Satz ist, ebenfalls mit großem Beifall unterstrichen worden ist: Soll der Teil denn das Ganze verpflichten? Ich möchte Herrn Kollegen Schmid doch zunächst mal daran erinnern, was unter seiner tatkräftigen Hilfe in das Grundgesetz geschrieben ist: daß wir auch für die Deutschen handeln, denen mitzuarbeiten nicht gestattet ist.
Stellen Sie sich doch bitte einen Augenblick die Konsequenz eines solchen Standpunktes vor, daß wir, weil wir in einem Provisorium lebten, nicht handeln dürften, keinen Status herbeiführen dürften!
Das würde bedeuten, meine Damen und Herren, daß wir ganz Deutschland preisgeben;
das würde bedeuten,
daß wir so dasitzen mit gefesselten Händen
und abwarten müßten, was der Osten und der Westen mit uns machen.
Dies Wort, diese Einstellung, diese erschütternde Einstellung eines führenden Mitglieds des Bundestags erinnert mich an ein anderes Wort des Abgeordneten Schmid, da er gesagt hat: Wir dürfen die Sieger nicht zu schnell von der Last des totalen Sieges befreien. Das sind Auffassungen, mit denen man in einer Zeit der größten Not Deutschlands keine Politik machen kann.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir, um uns des Druckes vom Osten zu erwehren, handeln müssen
und nicht die Hände in den Schoß legen dürfen, daß wir den Völkern, die ihrer ganzen Gesinnungsart nach, weil auch sie freie Völker sind, mit uns zusammengehen wollen, nicht etwa sagen: „Bedaure sehr, wir können jetzt nichts machen", son- dern daß wir mit ihnen zusammen, Hand in Hand handeln, um uns und den Osten zu retten.
Das, was der Herr Kollege Schmid vorgeschlagen oder vorgetragen hat, ist doch nichts anderes als eine völlige Versteinerung des gegenwärtigen Zustands Deutschlands.
Dann entrüstet er sich darüber, daß die Besatzungsmächte bezüglich dès einen oder anderen Punktes — das alles wird Ihnen zur gegebenen Zeit vorgelegt werden — eine Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes bis zu einer gewissen Zeit verlangen, wenn er uns zumutet, daß- wir jetzt überhaupt nichts tun sollen!
Lieber Herr Schmid, nehmen Sie sich mal ihre Rede vor — —
— Die steht Ihnen zur freien Verfügung, völlig unkorrigiert, können Sie gern haben!
Sie können alle meine Reden unkorrigiert haben. Gestern hat der Herr Kollege Löbe auch eine unkorrigierte Niederschrift meiner gestrigen Rede verlangt. Ich habe gesagt, man soll sie ihm ruhig geben.
Ich muß noch einen Satz des Herrn Kollegen Schmid hier nachdrücklichst wiederholen und etwas dazu sagen, weil er eben die Gabe, die wertvolle Gabe hat, mit einer Überzeugungskraft gar nicht zutreffende Dinge so vorzutragen, daß der größte Teil dem glaubt.
Er hat folgenden sehr wichtigen Satz gesagt, den ich mitgeschrieben habe: Wir wollen den Eintritt in die Atlantikgemeinschaft nicht, weil die Streitkräfte der Atlantikgemeinschaft der UNO unterstehen, der wir nicht angehören. Meine Damen und Herren, wie kann man so etwas sagen, von diesem Pulte aus? Seit wann unterstehen denn die Streitkräfte der Atlantikgemeinschaft der UNO?
— Sie unterstehen nicht der UNO.
Von meinem Standpunkt und dem der Bundesregierung und, ich darf wohl sagen, auch dem der Regierungskoalition aus möchte ich gegenüber den schaurigen Bildern, die Herr Kollege Schmid glaubte, hier vor der deutschen Öffentlichkeit malen zu müssen,
ein Wort sagen. Was wir erstreben
— wir haben es immer wieder gesagt —, das ist doch: Wir wollen den Krieg vermeiden und den Frieden retten.
Das ist unsere ganze Aufgabe, das ist das Ziel,
das ist der Zweck unserer ganzen Arbeit.
Dieses Ziel ist von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in der feierlichsten Weise verkündet
worden.
Nun ein weiterer Satz, über den ich mehr als erstaunt bin. Er hat gesagt: Dadurch, daß der Westen seine Kraft zusammennimmt und sich bewaffnet, gefährden wir den Kalten Krieg. — Wörtlich, meine Damen und Herren!
Wörtlich und von mir wörtlich mitgeschrieben! — Ich bin der Auffassung: wir immunisieren unsere Menschen gegen die Furcht dadurch, daß wir ihnen zeigen: Es sind starke Kräfte da, die bereit sind, wenn Rußland angreifen sollte, diesem Angriff zu wehren.
Wie kann man sagen, daß man dadurch den Kalten Krieg gefährdet, die Widerstandskraft unserer Leute lähmt, wenn wir die Kräfte des Westens zusammenfassen!
In einem andern Zusammenhang hat er genau das Gegenteil ausgeführt. Da hat er gesagt: Erst dann könnten wir mitmachen, wenn die angelsächsischen Streitkräfte so stark wären, daß sie der Gefahr wehren könnten. — Dann müßte er doch genau so konsequent sagen: Weg mit den angelsächsischen Streitkräften,
denn dadurch wird der Kalte Krieg gefährdet.
Ich muß in allem Ernst und mit ganzem Nachdruck sagen: Diese Rede war nicht gut.
Sie war außerordentlich bedauerlich.
Sie hat in keiner Weise irgendwie dazu beigetragen, die Fragen, um' die es sich heute hier handelt, zu klären.
Sie hat auch in keiner Weise dazu beigetragen, draußen gut zu wirken und die Frage zu klären, um die es sich hier handelt.
Sie hat auch nicht dazu beigetragen, im Auslande, auf das wir angewiesen sind, so zu wirken, wie es im deutschen Interesse gut wäre.
Und endlich, meine Damen und Herren — das
möchte ich auch noch einmal jetzt mit allem Nach-
Deutscher Bundestag — 191. Sitzurig. Bonn, Freitag, den 8. Februar 1952 8201
druck sagen —: sie hat nicht dazu beigetragen, die Widerstandskraft der 18 Millionen Deutscher hinter dem Eisernen Vorhang zu stärken.