Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unseren Anträgen liegt folgendes zugrunde. Nach einem Bericht des deutschen Rinderzüchterverbandes hatten wir in der westdeutschen Viehzucht bis November vergangenen Jahres einen Schaden in Höhe von 120 Millionen DM. In dieser Summe sind nicht eingerechnet die Schäden, die sich aus den Nachkrankheiten und aus den späteren Auswirkungen ergeben haben. Es dürfte keineswegs übertrieben sein, wenn in eingeweihten Kreisen davon gesprochen wird, daß der Schaden zur Zeit mehr als 200 Millionen DM ausmacht. Allein in Rheinland-Pfalz waren Anfang Dezember mehr als 500 Gemeinden, über 2400 Gehöfte, 17 °/o aller Gemeinden von der Seuche erfaßt. Noch toller war der Zustand in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und in Südbaden. Insgesamt waren bis zum 1. Dezember mehr als 50 000 Gehöfte von der Seuche erfaßt. Von einem wesentlichen Rückgang dieser Seuche ist in Westdeutschland wenig zu verspüren. Mit Recht stellen unsere Bauern und alle Interessenten die Frage, wer die Verantwortung für das Ausmaß
— ich betone: das Ausmaß — der Seuche trägt. Diese Frage ist um so mehr berechtigt, als der augenblickliche Seuchengang in seinem Umfang den des Jahres 1937/38, als wir noch nicht über ausreichendes Serum verfügten, wesentlich überschreitet. Wir machen für dieses Ausmaß des Seuchenganges die Bundes- und Länderregierungen verantwortlich, denn weder Bund noch Länder haben genügend Mittel,
Impfstoffe zur Bekämpfung der Seuche zur Verfügung zu stellen.
— Warum regen Sie sich auf? Ich wünsche Ihnen j a nicht die Maul- und Klauenseuche.
Es ist nicht wahr, daß kein Geld da sei, wie man behauptet. Geld ist doch da; aber es wird nicht für diese Zwecke, für Friedenszwecke ausgegeben,
sondern für andere Zwecke, für Zwecke der Remilitarisierung,
für die Grenzschutzpolizei und jetzt für den Wehrvertrag.
Allerdings: wer die Politik Adenauers macht, die Politik der Remilitarisierung, hat für die Landwirtschaft kein Geld. Es ist auch nicht wahr, wenn man hier sagt, in Deutschland seien nicht genügend Impfstoffe vorhanden. Herr Kollege Horlacher, Deutschland hört nicht auf an der Elbe, sondern Riems gehört zu Deutschland. Wir können über diese Impfstoffe dort ganz gut verfügen.
Vor Monaten haben nämlich Landwirtschaftsstellen der Deutschen Demokratischen Republik deutschen Regierungsstellen im Westen Hilfsangebote gemacht. Diese Stellen der Deutschen Demokratischen Republik konnten das tun, weil das Forschungsinstitut auf der Insel Riems dank der Unterstützung der Regierung der DDR Impfstoffe gegen die Maul- und Klauenseuche wesentlich verbessert und auch in ausreichendem Maße hergestellt hat. Deutsche Bauerndelegationen haben sich jetzt überzeugt, daß diese Impfstoffe in ausreichendem Maße vorhanden sind. Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, daß diese Impfstoffe beim Vieh fünf bis sechs Jahre nachhaltig sind. Ich kann das nicht genau beurteilen, da ich nicht der Wissenschaftler dazu bin.
Was aber taten die angesprochenen Regierungsstellen Westdeutschlands? Sie lehnten dieses Angebot, das von Deutschen für Deutsche gemacht
wurde, ab, und zwar auf Geheiß des Petersbergs
Unseren Bauern fehlt für ein solch verantwortungsloses Verhalten jedes Verständnis. Mit Empörung sagen unsere Bauern — und ich habe in
den letzten Monaten mit tausenden gesprochen—:
Soll deshalb, weil auf Geheiß Herr Adenauer mit Herrn Grotewohl sich nicht an einen Tisch setzen soll, unser Vieh in den Ställen zugrunde gehen? — Das ist die Frage, die die Bauern mit Recht stellen. An einem solchen Verhalten der Bundesregierung kann höchstens die amerikanische Konservenindustrie interessiert sein, denn für sie heißt die Rechnung: je mehr Vieh in Westdeutschland fällt, um so mehr Konserven kommen hierher und um so höher ist der Profit. Das ist doch eine Tatsache, die Sie nicht bestreiten können. Denken Sie doch einmal ernsthaft darüber nach! Unsere Bauern haben dafür kein Verständnis, daß in den. Seuchengebieten in den Herbstmonaten große Manöver veranstaltet wurden und die Seuche von einem Dorf in das andere geschleppt wurde. Die Regierung aber hat dabei geschwiegen.
— Ob das Absicht war oder nicht, die Regierung
hat dazu geschwiegen, und die Folgen tragen heute
unsere Landwirte draußen. Dieses Verhalten der
Bundesregierung kommt unseren Bauern vor wie
das Verhalten jenes Mannes, der auf einem Ast
sitzt und sich selber den Ast absägt. Denn darüber
dürfte doch Klarheit bestehen: durch die Sabotage
des Interzonenhandels seitens des Petersbergs wird in erster Linie die westdeutsche Wirtschaft und die Mehrheit unserer Bevölkerung getroffen und sonst niemand. Denn die drei Eisheiligen auf dem Petersberg bzw. deren Länder machen ganz gute Geschäfte mit dem Osten auf Kosten der deutschen Wirtschaft.
Die lachenden Verdiener an diesem Verhalten sind die amerikanischen Konzerne, die lustig ihre Geschäfte mit dem Osten betreiben.
Deshalb rufen wir von dieser Stelle unser Volk und alle Bauern auf, sich mit aller Kraft in den Organisationen und Verbänden und allerwärts gegen diese wahnsinnige, gegen diese volksverderbliche Politik zu wenden. Der deutschen Landwirtschaft kann nur geholfen werden und sie kann nur leben, wenn man ihr großzügige Hilfe gibt durch Steuerermäßigungen, langfristige Kredite und Änderung der Industriepreise und indem man gegen diesen gewaltigen Seuchengang, der auch vom Herrn Kollegen Horlacher bestätigt wurde, etwas tut. Die deutsche Landwirtschaft kann nur leben, wenn der Sabotage des Interzonenhandels Einhalt geboten wird und wenn den volksfeindlichen Maßnahmen der Adenauer-Regierung ein Ende bereitet wird. Der Landwirtschaft kann nur geholfen werden durch solche Maßnahmen, wie sie die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik im Interesse der Landwirtschaft ergriffen hat.
— Bitte, ich fordere die Bauernvertreter auf, einmal dorthin zu fahren, wie es westdeutsche Bauern getan haben, und an Ort und Stelle ganz nüchtern zu studieren, was dort getan wird und was hier getan wird, und dann wollen wir uns noch einmal hier unterhalten.