Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung dieser Gesetzesvorlage hat einen etwas ungewöhnlichen Verlauf genommen. Sie wurde uns zunächst vorgelegt — das war der Hauptzweck —, um einen höheren Steuerertrag zu erzielen. Der Nebenzweck war, eine gewisse Verbesserung des gesamten Systems der Abgabe „Notopfer Berlin" zu erreichen. In den Beratungen des Ausschusses hat sich herausgestellt, daß aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht im einzelnen ausführen will, keine Neigung bestand, den gesamten Steuerertrag zu erhöhen. Ich kann Ihnen also die insofern erfreuliche Mitteilung machen, daß dieser Gesetzentwurf nun im Unterschied zur ursprünglichen
Vorlage keine Erhöhung des Steuerertrages mit sich bringt, sondern lediglich eine systematische Durcharbeitung und Verbesserung des bisherigen Rechts.
Wir haben in der vorigen Woche den Mündlichen Bericht im wesentlichen fertiggestellt. Einzelne Ergänzungen sind aber erst in der Sitzung des heutigen Vormittags beschlossen worden. Sie finden diese in Umdruck Nr. 438 als Nachtrag zu dem Zweiten Mündlichen Bericht des Ausschusses. Die Begründung zu den Änderungsanträgen, die in Umdruck Nr. 438 gestellt werden, werde ich im Laufe meines Berichtes vortragen.
Die Systemänderung des „Notopfer Berlin" liegt in vier Punkten. Zunächst ist die Stufensteuer abgeschafft, die bisher das „Notopfer Berlin" kennzeichnete. Statt dessen ist eine Prozentsteuer, eine Belastung nach dem Vomhundertsatz eingeführt worden. Bisher war es ja so, daß für jede angefangene Stufe der volle Steuerbetrag entrichtet werden mußte. Daraus entstand eine wesentliche Ungerechtigkeit. Diese ist dadurch beseitigt worden, daß nicht mehr für jede angefangene Stufe der volle Steuerbetrag dieser Stufe zu entrichten ist; man hat dafür einen laufenden Prozentsatz eingeführt.
Ein weiterer grundsätzlicher Unterschied zur bisherigen Fassung liegt darin, daß statt der zwei Steuerklassen jetzt die gewohnten Steuerklassen des Einkommensteuerrechts zugrunde gelegt worden sind.
Ein dritter wesentlicher Unterschied ist darin zu sehen, daß durch den neuen Tarif die Familienbelastung abgebaut worden ist. Eine Verschärfung der Belastung der Ledigen in einzelnen Punkten war das Korrelat dieser Entlastung der Familien.
Als vierter und letzter systematischer Unterschied gegenüber der bisherigen Fassung ist die Ausdehnung der Progression hervorzuheben. Die Progression endete bisher bei 12 000 DM, während sie nach der Neufassung mit 24 000 DM endet. Ich will Ihnen aus einer umfangreichen Ausarbeitung des Bundesfinanzministeriums nur einige Beispiele aus dem Tarif vortragen. Sie können dann die Auswirkungen im Prinzip schon erkennen. Beim Jahresbruttolohn von 2580 DM beträgt das Notopfer Berlin für Ledige in Zukunft 20,70 DM, während es bisher 18 DM betrug, für Verheiratete mit einem Kind in Zukunft 12,60 DM, während es bisher 14,40 DM betrug, und bei einem verheirateten Steuerpflichtigen mit fünf Kindern bisher und auch in Zukunft Abgabefreiheit. Bei einem Jahresbruttolohn von 6180 DM beträgt das Notopfer Berlin für den Ledigen in Zukunft 70,20 DM, während es bisher 51 DM betrug, für Verheiratete mit einem Kind in Zukunft 45,90 DM, bisher 51 DM, und bei Verheirateten mit fünf Kindern in Zukunft 15,30 DM, bisher 51 DM. Sie sehen aus diesen Zahlenreihen die Entlastung bei den Verheirateten und die recht niedrige Belastung bei den Ledigen. Hier handelt es sich aber — das sei noch einmal hervorgehoben — insgesamt gesehen nicht urn eine Erhöhung des Steuerertrages und — das ist ebenso wichtig — insgesamt gesehen auch nicht um eine Erhöhung der Belastung bei den Ledigen. Denn infolge der Einführung des prozentualen Tarifs fallen ja für die Ledigen die bei den Anfangsbeträgen jeder Stufe eintretenden Überbelastungen auch weg. Man muß also, um den Vergleich des Tarifes bis zu Ende durchzuführen, auch daran denken, daß die Einführung einer Progression dazu führt, daß im Durchschnitt gesehen eine kleine Mehrbelastung eintritt.
Die einzelnen Gesamterträgnisse des Notopfers Berlin für das Rechnungsjahr 1951 im ersten bis dritten Vierteljahr sind vom Bundesfinanzministerium wie folgt berechnet worden: die gesamte Abgabe der Arbeitnehmer auf 234,3 Millionen, die Abgabe der Veranlagten auf 103,8 Millionen und die Abgabe der Körperschaften auf 88,3 Millionen. Das Verhältnis der Lohnsteuer zur veranlagten Einkommensteuer einerseits und das Verhältnis der Abgabe der Arbeitnehmer für das Notopfer Berlin zur Abgabe der Veranlagten für das Notopfer Berlin andererseits waren schon in den früheren Debatten über das Notopfer Berlin ein ganz entscheidender Punkt. Gerade bezüglich dieses Punktes hat sich aber durch den neuen Vorschlag eine wesentliche Verbesserung ergeben. Diese ist darauf zurückzuführen, daß die Progression von 12 000 auf 24 000 DM gestiegen ist, und darauf, daß sich durch die prozentuale Belastung sämtlicher Einkommen das Verhältnis insgesamt verschoben hat. Während dieses Verhältnis zwischen diesen drei Steuerarten — Lohnsteuer einerseits, Einkommen-und Körperschaftsteuer andererseits — im Jahre 1950 1 zu 0,66 betrug, wird es 1952 1 zu 1,3 betragen und damit dem Verhältnis des Steueraufkommens an den zugrunde liegenden Steuern — dieses beträgt 1 zu 1,8 — und damit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit wesentlich näher kommen, als das bisher der Fall gewesen ist,
Ich komme nun zu den Einzelheiten des Gesetzentwurfs. Ziffer 1 a ist bisher schon geltendes Recht, wenn in § 4 Abs. 4 die Worte „52 Deutsche Mark" durch die Worte „65 Deutsche Mark" ersetzt werden sollen. Diese Änderung ist bereits im Zuge der Erhöhung der Pauschbeträge für Sonderausgaben und Werbungskosten im Verordnungswege durchgeführt worden und findet jetzt im Gesetz den Niederschlag.
Die Ziffer 1 b bedeutet eine Vergünstigung für den Fall der Lohnzahlung nach Wochen. Bisher wurde bei der Lohnzahlung n ch Wochen das Notopfer Berlin erhoben, wenn bei dieser Lohnzahlung eine Lohnsteuerpflicht eintraf. In Zukunft wird das geändert, und zwar wird in jedem Fall der Monatsfreibetrag zugrunde gelegt werden. Die Fälle schwankenden Arbeitsverdienstes für größere Zeiträume, für mehrere Monate oder Jahre -- also der umgekehrte Fall — wurden jedoch nicht berücksichtigt, da das Gesetz nur eine beschränkte Geltungsdauer haben soll.
Die Ziffer 2 sieht eine Angleichung der veranlagten Einkommensteuerpflichtigen an die Lohnsteuerpflichtigen vor. Gleichzeitig hat eine positive Neufassung stattgefunden, um eine leichtere Verständlichkeit herbeizuführen. Das hat nichts mit einer materiellen Gesetzesänderung zu tun.
Die Ziffer 3 bedeutet eine Ergänzung wegen der Begünstigung von Vereinen und Stiftungen, die als nichtkapitalistische Körperschaften begünstigt werden sollen und deshalb bereits in § 11 Abs. 1 erwähnt werden mußten.
Ziffer 5 habe ich in meinen einleitenden Ausführungen zu der Neugestaltung des Tarifs bereits behandelt.
Die Ziffer 6, Streichung der §§ 22 und 23, bedeutet die Streichung überholter Vorschriften aus der Zeit der Einführung des Gesetzes.
Die Ziffer 7 bedeutet gegenüber der Vorlage der Regierung, die eine lange Liste von Ermächtigungen haben wollte, eine ganz erhobliche Einschränkung. Praktisch bleibt nur eine einzige Ermächtigung, nämlich die Aufstellung von Tabellen übrig. Dies geschieht im Zuge der allgemeinen Richtlinien und Wünsche, die dieses Haus wiederholt geäußert hat.
Die in den Überleitungsvorschriften vorgesehenen Ermächtigungen sind in das Gesetz selbst hineingearbeitet worden, insbesondere den § 26.
Der § 25 ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Einmal ist hier der Gesetzestext, der früher hieß: „Dieses Gesetz erstreckt sich" usw. dahin geändert worden, daß er jetzt lautet: ,.Dieses Gesetz gilt bis zum 31. März 1953". Wir haben also die passive Satzbildung in die aktive umgewandelt, und zwar deshalb, weil wir ein besseres Deutsch haben wollten. Wir sagten uns, auch wenn jemand mit der Lupe suchen würde, könnte er darin keine materielle Gesetzesänderung finden, und bemühten uns, auch hier zu einem besseren Deutsch als dem üblichen oder häufig anzutreffenden Finanzamtsdeutsch zu gelangen.
Ein zweiter Punkt ist von größerer Bedeutung, und zwar handelt es sich da um die Frage der Geltungsdauer. Ursprünglich war vorgesehen, daß dieses Gesetz bis zum 31. Dezember 1952 gelten sollte. Jetzt ist die Geltungsdauer bis zum 31. März 1953 ausgedehnt worden. Das hat ein großes Bedenken, und zwar deshalb, weil jetzt der Erhebungszeitraum nicht gleich dein Kalenderjahr ist. Da die veranlagten Steuerpflichtigen und die Körperschaftsteuerpflichtigen aber ihr Einkommen wesentlich nach dem Kalenderjahr ermitteln, ergeben sich hier schwerwiegende Überschneidungen, die dann durch die in § 26 Abs. 5 eingebauten gesetzlichen Fiktionen gelöst werden mußten. Gerade dieser Punkt, auf den ich gleich noch einmal eingehen werde, hat im Ausschuß eine eingehende Debatte hervorgerufen.
Zu § 26 Ziffer 9 Abs. 1 des Mündlichen Berichts ist nichts zu erinnern. Zu Abs. 2 ist darauf hinzuweisen, daß die Begünstigung der veranlagten Körperschaften nach dieser Ziffer noch auf das Jahr 1950 zurückgerechnet wird, und zwar deshalb, weil die Veranlagungen für 1950 zwar im Gange sind, trotzdem aber diese Vergünstigung nach der Meinungsäußerung der Länderfinanzverwaltungen noch durchgeführt werden kann.
Ziffer 3 besagt, daß die Vergünstigungen für den Arbeitslohn, die in diesem Gesetz enthalten sind, erst dann in Kraft treten können, wenn das Gesetz verkündet ist und wenn die entsprechenden Tabellen in der Hand der Lohnsteuerstellen sind. Aus diesem Grunde kann von den entsprechenden Bestimmungen erst ab April 1952 Gebrauch gemacht werden.
Ziffer 4 bedeutet, daß ein Viertel des Einkommens des Jahres 1952 noch zum alten Tarif und drei Viertel zum neuen Tarif herangezogen werden sollen, wobei man davon ausgeht, daß das Einkommen gleichmäßig in allen vier Vierteljahren erzielt worden ist.
Ziffer 5 bringt die Anpassung der Steuergrundlagen an den ungewöhnlichen Erhebungszeitraum. Wir haben j a einen Erhebungszeitraum erstes Quartal 1953. Der Weg, der gesucht und gefunden worden ist, bedeutet: man fingiert, daß ein Viertel des Einkommens im Kalenderjahr 1953 gleich dem Einkommen im ersten Quartal 1953 sei. Hierbei ergab sich die Frage, ob es eine Ermäßigungsmöglichkeit bei geringerem effektivem Einkommen geben müsse oder eine Ermäßigung und einen Fortfall der Besteuerung, wenn ein Steuerpflichtiger im ersten Quartal 1953 überhaupt kein Einkommen hat bzw. ob eine Erhöhungsmöglichkeit gegeben sein müsse, wenn ein Steuerpflichtiger im ersten Quartal 1953 ein höheres Einkommen hat und später vielleicht die subjektive Steuerpflicht sogar in Fortfall kommen soll. Dabei wurde vorgeschlagen, die Vorauszahlungen als Pauschalabgeltung der Steuerpflichtigen des ersten Quartals 1953 gelten zu lassen. Das wurde vom Ausschuß abgelehnt. Der Alternativvorschlag, die Laufzeit des Gesetzes auf den 31. Dezember 1952 zu beschränken, wurde vom Ausschuß ebenfalls abgelehnt. Der Grund für diese Ablehnung war, daß wir es uns nicht gestatten könnten, das Aufkommen für Berlin durch eventuell notwendig werdende steuerliche Beschlüsse im ersten Quartal 1953 irgendwie in Gefahr zu bringen.
Art. II enthält die Bestimmung für Berlin. § 12 Abs. 1 des Überleitungsgesetzes bestimmt, daß die Abgabengesetze auch im Land Berlin gelten. Das war im Falle dieses Gesetzes nicht möglich, weil in Berlin bereits eine Steuer, die ähnlich dem Notopfer Berlin wirkt, besteht, und zwar die Währungsnotabgabe. Es war aber auch verfassungsrechtlich möglicherweise bedenklich — entsprechende Bedenken wurden jedenfalls geäußert —, weil die Bundeskompetenz nicht durch einfaches Gesetz auf ein Land übertragen werden könne. Demgegenüber wurde aber zu Recht eingewandt: da das Land Berlin kein Land in staatsrechtlichem Sinne sei, so daß der Bund unmittelbare Gesetzgebungskompetenz im Land Berlin habe, könne durch diese Bestimmung auch keine Gesetzgebungskompetenz verletzt oder übertragen werden. Aus diesen Gründen hat sich der Ausschuß dahin entschieden, die Fassung des Art. II entsprechend dem Umdruck zu wählen. Danach gilt dieses Gesetz entgegen § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes — Drittes Überleitungsgesetz — vom 4. Januar 1952 nicht im Land Berlin. Sollte aber in Berlin die mögliche Aufhebung der Währungsnotabgabe erfolgen, tritt in Berlin an die Stelle dieser Notabgabe die Möglichkeit, daß auch Berlin eine entsprechende eigene Belastung seiner Steuerpflichtigen vornimmt.