Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Bausch hat in seinen Ausführungen die Stadt Herford genannt und hat daran Bemerkungen geknüpft, die ich einmal in aller Öffentlichkeit noch näher erklären möchte. Ich habe das Vergnügen — wenn ich das so nennen darf —, Oberbürgermeister dieser Stadt zu sein. Im Jahre 1945 wurden mit einem Schlage innerhalb von 24 Stunden 6 000 Menschen auf die Straße gesetzt; und ich habe leider das zweifelhafte Vergnügen, mich seit Beendigung des Krieges bis zum heutigen Tag mit diesem fruchtbaren Besatzungsproblem zu beschäftigen.
Alle Bemühungen, eine Erleichterung herbeizuführen, schienen ergebnislos, bis ich im Herbst des Jahres 1950 eine Unterredung mit dem englischen Hohen Kommissar über diese Frage hatte und ihm den Plan nahelegte, einmal zu überdenken, ob es nicht möglich sei, daß Deutsche und Engländer gemeinsam in einem Hause wohnen könnten. Die Pläne, die wir vorgelegt haben, sahen vor, daß in den Zweifamilienhäusern die englischen Offiziersfamilien oder sonstige Personen mit ihren Familien wohnen könnten und daß der Hauseigentümer das Haus wieder in Besitz und in Pflege nehmen könne. Der englische Hohe Kommissar sagte, daß er diesem Plan wohlwollend gegenüberstehe und ihn den zuständigen Stellen zur Begutachtung und eventuell zur Durchführung zuleiten möchte. Bis der Plan also überhaupt einmal in seinem Anfangsstadium verwirklicht werden konnte, hat es weit über ein Jahr gedauert.
Wir stellen heute zu unserer großen Enttäuschung fest, daß an eine vollständige Verwirklichung dieses Planes nicht gedacht werden kann, weil dem eine Verfügung des englischen Kriegsministeriums aus dem Jahre 1938 entgegensteht, in der den Offizieren ein bestimmter Wohnraum garantiert wird, wenn sie sich außerhalb ihres Landes befinden.
— Ein koloniales System, das heute in bezug auf diese Frage auf Deutschland übertragen wird.
In dieser Verfügung steht z. B., daß ein englischer Major mit Frau und einem Kind einen Wohnraum von acht Zimmern mit dem dazu nötigen Komfort benutzen und beanspruchen darf.
Alle Vorstellungen, die wir in dieser Beziehung gemacht haben, haben bisher nicht dazu geführt, daß das englische Kriegsministerium diese Verfügung einer Revision unterzogen hat. Der Herforder Plan scheitert aber — ich bin offen genug, anzuerkennen, daß es auch wenige Offiziere der höheren Dienststellen gibt, die sich bemühen, diesen Plan in bezug auf das Zusammenwohnen zur Durchführung zu bringen — an dem Widerstand der unteren Stellen insbesondere.
Zwar haben wir in einer Reihe von Fällen erreicht, daß Deutsche mit Engländern zusammenwohnen — mit sehr guten Ergebnissen —, aber diese Fälle sind in bezug auf die große Zahl der beschlagnahmten Häuser so gering, daß nicht davon gesprochen werden kann, daß diese Aktion des guten Willens, wie wir sie genannt haben, auch nur einigermaßen durchgeführt wird. Ich möchte von dieser Stelle aus an die Regierung die Bitte richten, einmal mit der englischen Regierung darüber zu reden, ob es nicht möglich wäre, diesen seit 1938 bestehenden Anspruch in ein anderes Gewand zu kleiden, damit nicht die Berechtigung der Sergeanten und sonstigen Leute so ist, daß sie diesen Wohnraum auf Grund der genannten Verfügung beanspruchen können.
Das wird eine der ersten Aufgaben sein, die in Angriff zu nehmen sind, wenn überhaupt etwas Ähnliches gemacht werden soll.
Meine Damen und Herren, noch heute sind in Deutschland fast 60 000 Wohnungen beschlagnahmt. Dreieinhalb Millionen Menschen leiden noch unter dieser Beschlagnahme, und der Kampf der Notgemeinschaften gilt ja der Freigabe. Die Grundlagen dazu bieten — und das sollten auch die Besatzungsmächte anerkennen — das Grundgesetz in seinen Artikeln 13 und 14, das Besatzungsstatut in dem Art. 2 f, die Charta der Menschenrechte und die Haager Konvention.
Meine Redezeit ist j a gleich vorbei, ich werde mir aber noch erlauben, nur einen Absatz aus einem Brief zu verlesen, der deutlich die Stimmung widerspiegelt, die im deutschen Volk gegenüber den Besatzungsmächten in dieser Frage herrscht. In einem Brief wird mir mitgeteilt:
Tausende von deutschen Häusern und Wohnungen sind heute von Frauen, Kindern,
Müttern und Großmüttern fremder Besatzungssoldaten bewohnt. Das letzte Bett, der letzte
Stuhl, die letzte Beere im Garten sind sicher,
allerdings sicher vor uns, nicht sicher für uns. So sieht die Sicherheit der deutschen Heimat aus! Man redet in salbungsvollen Tönen von der Verteidigung der westlichen Kultur, und im gleichen Augenblick zerstört man deutsche Heime, obwohl das Heim j a die Urzelle jeder menschlichen Kultur überhaupt ist. Deutsche Möbel, Erbstücke, Produkte früherer europäischer Kulturepochen werden weiter verschleppt, zerstört oder in unglaublichem Zustand in Möbelauffanglager — der Volksmund bei uns sagt dazu Möbelfriedhöfe — verschleppt und, wenn sie dorthin verschleppt sind, in total zerschlagenem Zustand ihren Eigentümern wieder zurückgegeben. Wenn die Besatzungsmächte der Auffassung sind, — —
— Das ist jetzt passiert.
— In Herford. Ich lade Sie ein, einmal dahin zu kommen, dann werden Sie sehen, daß es geradezu grauenhaft ist, in welchem Zustand sich die Möbel, gute deutsche Wertarbeit, auf diesen Möbelfriedhöfen befinden. Wenn die Besatzungsmächte der Auffassung sind, nach diesen Prinzipien die deutsche Gleichberechtigung herbeiführen und mit uns zu einer Verständigung kommen zu wollen, dann sehe ich in bezug auf die Gleichberechtigung und die Verständigung sehr schwarz.