Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kommt wen'ger darauf an, wie Herr Kollege Ewers gewünscht hat, daß die Denkschrift einmal in die Geschichte eingehen soll, sondern es kommt vielmehr darauf an, zu erkennen, was das Volk zu dem in Westdeutschland herrschenden Besatzungsluxus zu sagen hat. Wir sind der Auffassung, daß sich die Denkschrift, die ja durch einen Antrag der CDU/CSU veranlaßt worden ist, in ihrem sachlichen und politischen Inhalt eigentlich gegen die Bundesregierung selbst richtet und erst in zweiter Linie gegen die Besatzungsmächte, weil die Hohe Kommission bereits am 16. März 1951 der Bundesregierung mitteilte, die Besatzungskosten würden weiterhin um 1 132 000 000 DM heraufgeschraubt werden, und dieses Heraufschrauben der Besatzungskosten entspricht letzten Endes dem Wunsch der Bundesregierung nach Sicherheit. Man soll den damals mitgegebenen Begleitbrief der Hohen Kommission dem deutschen Volk immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, weil damit praktisch die Verantwortlichkeit der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses herausgestellt wird, die doch weit mehr Besatzungstruppen in Westdeutschland stationieren will, als gegenwärtig vorhanden sind.
Man sollte aber, glaube ich, noch eine andere Frage stellen: Wer hat die „drei Weisen" der Bundesregierung beauftragt, mit den „drei Weisen" der alliierten Mächte darüber zu verhandeln und zu erklären, Westdeutschland sei bereit, 10,5 Milliarden DM Besatzungskosten oder „Sicherheitsbeiträge" zu bezahlen? Wer hat sie beauftragt? Weder der Bundestag noch das Volk! Ich glaube, wenn die Denkschrift einen geschichtlichen Wert haben soll, wäre es sachlich richtig, wenn diese Dinge in der Denkschrift ebenfalls erwähnt würden.
Ein kurzes Wort zu einer Eingabe — Herr Kollege Bausch war so liebenswürdig, die Frage zu stellen— der Ortsgruppe Kempten der Besatzungsgeschädigten. Gemäß der im Bundestag wiederholt in Gang gesetzten Parole: „Sie sollen es gut bei uns haben!" zeigt sich dort folgende Tatsache, die auch nicht in der Denkschrift vorhanden ist. Von '71 dort beschlagnahmten Häusern stehen über 50 seit mehr als sieben Monaten leer. Die beschlagnahmten Mehrfamilienhäuser sind praktisch unterbelegt, aber der westdeutsche Steuerzahler darf dafür selbstverständlich seine Steuern zahlen; er darf die Miete zahlen.
Ich möchte noch auf ein anderes hinweisen. Am 31. Oktober 1951 hat in Heidelberg eine Demonstration von 1500 Besatzungsverdrängten stattgefunden. Sie haben prächt ge Parolen mitgeführt, die die Meinung der Bevölkerung zum Ausdruck brachten, beispielsweise: „Gebt unseren Kindern ihr Vaterhaus wieder!" — „Gebt uns Menschenrechte, nicht Gesetze der Prärie!" In einer kleinen Abwandlung des bekannten englischen Sprichworts sagten sie: „Mein Heim ist eure Burg!" usw. Das ist der Wille und die Meinung der Bevölkerung draußen, die allerdings in der Denkschrift nicht zum Ausdruck kommen.
Gestatten Sie mir dann noch ein Wort zu einer Eingabe, die in den letzten Tagen allen Fraktionen des Bundestages, glaube ich, zugegangen ist — man soll die Dinge hier aussprechen —, der Requisitionsgeschädigten von Traben-Trarbach. In einem Ort, der 5- bis 6 000 Einwohner hat, sind 100 französische Familien mit Urahne, Großmutter, Mutter und sehr viel Kindern einquartiert worden. Hundert Wohnungen wurden beschlagnahmt. Die Besatzungsverdrängten leben in Kellern und Speichern. Die dort einquartierte Truppe ist noch nicht einmal eine militärische, sondern zählt zur französischen Mobilgarde, die also bei Streiks und Unruhen in Frankreich selbst eingesetzt wird.
Noch eine kurze Notiz aus einer westdeutschen Industriezeitung. Dort kommt zum Ausdruck, daß allein im ersten Quartal 1951 die amerikanische Besatzungsmacht der westdeutschen Textilindustrie einen Auftrag von 300 000 qm Sackleinwand, 58 000 m Inlett, 28 000 Hosen und 21 000 Teppichen übermittelt hat. Nun, es ist wirklich ein trauriger Witz, daß auf 4 Hosen 3 Teppiche entfallen. Alles selbstverständlich für unsere „Sicherheit" und damit die Besatzungstruppen es gut haben sollen bei uns! Wir sind der Auffassung, daß es viel besser wäre, diese Denkschrift in einer Millionenauflage der gesamten westdeutschen Bevölkerung zuzustellen, als mit ihr in sehr untertäniger Form an die Hohen Kommissare zu appellieren; dann wäre sie auch in der pol tischen Wirkung mehr wert als die Millionen Traktätchen von Jakob Kaiser.