Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedaure mit Herrn Ritzel die schlechte Besetzung des Hauses. Ich bin der Ansicht, daß man, wenn auch nur kurz, so doch sehr deutlich zu der Sachlage Stellung nehmen muß und daß Herr Ritzel und die anderen Vorredner Wesentliches gesagt haben. Ich möchte nur einige kurze maßgebliche Gesichtspunkte hinzufügen.
Wir hoffen alle, daß die Zeit des Besatzungsrechts vorbei ist und daß in der Zukunft infolge der Ablösung des Besatzungsrechts durch vertragliche Bindungen Angelegenheiten wie die vorliegende uns nicht mehr zu beschäftigen brauchen. Aber selbst wenn diese Hoffnung berechtigt sein sollte, geht es nicht an, über den Inhalt dieser Memoranden und Denkschriften zur Tagesordnung überzugehen. Wir als Deutsche müssen hier einmal folgendes feststellen: Diese Materialien werden in die Geschichte eingehen und werden nach 50 oder 100 Jahren von der Geschichtswissenschaft beurteilt werden. Unsere Enkel und Urenkel werden
dann schon, was die Wissenschaft dazu sagt. Sie
werden sehen, daß dieses hier Besatzungsmächte waren, die uns angeblich die Menschlichkeit bringen wollten und die in dieser Weise verfahren sind. Ich empfehle jedem Abgeordneten, diese Denkschriften sorgfältig aufzubewahren. Sie sind wichtigstes und entscheidendes Material.
Ich komme nun zu einer mich besonders als Juristen interessierenden Angelegenheit. Neben der weiträumigen Gleichgültigkeit, mit der man bei der Installierung seines Wohllebens in Deutschland offenbar deutsche Interessen angesehen hat, fällt mir auf, daß Einzelnes doch überhaupt nur Sinn und Verstand hat, wenn ich annehme, daß es zugunsten von kollaborierenden Deutschen geschehen ist. Wie soll ich es verstehen, daß nach dem Bericht für Sachleistungen teilweise Firmen ausgesucht werden, denen jegliche Eignung fehlt, daß man für 60 000 DM Röntgenfilme in einem kleinen Ladengeschäft kauft, das nie im Leben Großhandel betrieben hat, daß man Chemikalien bei einer Baufirma kauft und damit den Preis pro Gallone von 7 auf 10 DM in die Höhe schnellen läßt? Wie soll ich es verstehen, daß man Makler und sonstige Vermittler heranzieht, die gar keine Handelsfunktion dabei entfalten, sondern nur Provision einstreichen, oder daß man durch Generalunternehmer die Beziegelung eines Daches vornehmen läßt, die dem Unterunternehmer 60 DM und dem Hauptunternehmer 460 DM einbringt? Ich sage ganz offen: was die Mitarbeit oder das Mit-
verdienen deutscher Stellen anlangt, so schreien diese Dinge nach dem Staatsanwalt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß hier nicht nur finanzpolitische Gesichtspunkte, nicht nur verschwenderische Siegerlüste eine Rolle spielen. Was die Mitarbeit und das Mitverdienen von Deutschen anlangt, so handelt es sich vielmehr um Dinge, die einmal einem Generalstaatsanwalt übertragen werden müßten, der nachprüfen müßte, ob das alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Ich sage auch ganz offen: es befremdet mich aufs äußerste, daß bei Lagerhortungen d.e Firmen für die Besatzungsmacht gewisse Güter, die heute Mangelware sind, für den Seeverkehr verpackt absenden, worauf sie dann z. B. in Hamburg-Glinde oder in anderen in Küstennähe liegenden Lägern untergebracht werden, um bei Gelegenheit ohne deutsche Zollmöglchkeiten auf dem Weltmarkt zu verschwinden. Das alles sieht — gestatten Sie mir das gute deutsche Wort — verdammt nach Schiebung aus. Ich meine, man müßte da hineinleuchten. Denn das ist nicht bloß etwas, was dem einzelnen Besatzungsangehörigen ein bequemes und unabhängiges Leben gestattet — von dem, was mein Kollege Ritzel über die Psychologie gesagt hat, unterschreibe ich jedes Wort; das ist schon peinlich genug —, sondern es besteht der Verdacht, daß hier tatsächlich strafbare Handlungen begangen worden sind. Das kann man nicht auf sich beruhen lassen. Ich möchte den Herrn Finanzminister bitten, auch den Herrn Justizminister zu Rate zu ziehen, und ihm d'e einzelnen Vorgänge vorzulegen, damit dieser prüft, ob hier etwas Strafbares in Betracht kommt.
Ein Weiteres ist folgendes. Wenn wir zu einer gemeinsamen Abrechnung für einen Verteidigungsbeitrag kommen, wollen wir hoffen und wünschen, daß die normalen Kontrollorgane der anderen Vertragsmächte zum Zuge kommen und eine solche vor keinem Parlament, vor keiner Regierung zu verantwortende Mißwirtschaft nicht fortdauert.