Rede von
Franz
Neumann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als mein Fraktionsfreund Willy Brandt von den Behinderungen der sozialdemokratischen Arbeit im Ostsektor Berlins sprach, erlaubte sich der Abgeordnete Rische den Zwischenruf: „Sie sind ein ganz gemeiner Verleumder!"
— Er bestätigt es, und ich möchte mir nur erlauben, Ihnen einmal etwas über den Wert der Behauptungen des Herrn Rische zu unterbreiten.
Ich habe hier die Kündigungsschriften, die der Magistrat von Groß-Berlin — das ist die am 30. November 1948 durch die Sowjets eingesetzte Verwaltung des Ostsektors — versandt hat. In einer dieser Kündigungen — das möchte ich dem Herrn Rische sagen — heißt es beispielsweise bezüglich der Kündigung des Büros des Kreises 1 der Sozialdemokratischen Partei:
Betr.: Räume in der 1. Etage Friedrichstraße 167
In der Anlage überreichen wir Ihnen eine Beschlagnahme über obige Räume, welche ab 1. 2. 1952 ein wirtschaftlich wichtiger Betrieb übernehmen soll. Wir bitten Sie, die Räume bis zu diesem Zeitpunkt spätestens frei zu machen. Sollte dies nicht der Fall sein, so würden wir uns leider veranlaßt sehen, eine Räumung am 3. 2. 1952 von uns aus vorzunehmen.
Das ist das Bezirksamt Mitte.
Fs heißt weiter — ich will Ihnen den nächsten Fall schildern — in einem Schreiben des Bezirksamts Prenzlauer Berg:
An die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Kreisleitung Prenzlauer Berg ...
Auf Antrag des Hauptmieters der von Ihnen benutzten in Berlin NO 55, Prenzlauer Allee 57, Erdgeschoß, gelegenen gewerblichen Räume, nämlich des Magistrats von Groß-Berlin, Bezirksamts Prenzlauer Berg,
— der der Hauptmieter ist —
heben wir hierdurch die Ihnen am 28. August 1947 erteilte endgültige Einweisung als irrigen Verwaltungsakt auf.
Das ist am 10. Januar 1952 geschehen.
Herr Rische und Herr Renner, würden Sie bitte aufpassen! Es heißt weiter:
Wir ersuchen Sie daher,
— ich lese nicht alles vor —
die Räume bis zum 25. Januar 1952 freizumachen. Sollte eine Räumung bis zu dem genannten Zeitpunkt durch Sie nicht erfolgt sein, sehen wir uns veranlaßt, dieselbe gemäß §§ 31
und 32 der Berliner Vollzugsordnung vom 2. 9. 1948 zum Kontrollratsgesetz Nr. 18 in Verbindung mit dem Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. 6. 1931 im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens durchzusetzen.
Und dann heißt es weiter:
Auf unsere Befugnis, notfalls geschlossene Räume auf Ihre Kosten öffnen zu lassen und zu betreten, weisen wir ausdrücklichst hin.
An den Kreis Friedrichshain — ich lese nur den Schlußsatz —:
Die Aufhebung erfolgt wegen Eigenbedarf. Gegen diese Verfügung ist binnen einer Frist von einer Woche nach Zustellung dieses Schreibens der Einspruch zulässig. Er ist an das oben genannte Wohnungsamt in doppelter Ausfertigung einzureichen und hat keine aufschiebende Wirkung.
An Berlin-Lichtenberg — ich glaube, ich lese Ihnen damit den vierten oder fünften Fall vor —:
Wir bitten Sie, das ganze Mietobjekt bis zum 26. 1. 1952 freizumachen, damit wir entsprechend anderweitig darüber verfügen können. Sollten Sie unserer Bitte wider Erwarten nicht entsprechen, würden wir uns zu unserem Bedauern genötigt sehen, die zwangsweise Räumung am Mittwoch, dem 30. 1. 1952, 10 Uhr, vorzunehmen.
So könnte ich Ihnen noch eine Reihe weiterer Schreiben des sogenannten demokratischen Magistrats von Groß-Berlin vorlesen.
Meine Zeit erlaubt es nicht, über die Probleme und die anderen von Ihnen vorgetragenen Dinge ausführlicher zu sprechen. Aber, Herr Rische, ein einziges Problem: Sie haben von der Verständigung gesprochen, die doch möglich sei, wenn alle Deutschen gewillt seien, zusammenzuarbeiten. Ich darf dem Hause einen einzigen Fall vortragen. Am 18. Oktober 1951 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin einmütig beschlossen, eine Delegation des Abgeordnetenhauses solle den zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilten Berliner Abgeordneten Werner Rüdiger im Zuchthaus Waldheim besuchen. Bis zum heutigen Tage haben wir von der Regierung der sogenannten DDR keine Antwort auf dieses Ersuchen des Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses erhalten.
Sie können nur im Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands, im sogenannten „Neuen Deutschland" vom 19. Oktober lesen: Wenn Herr Suhr und die anderen nach Waldheim kommen, dann haben wir die Zellen für sie reserviert!