Rede von
Dr.
Franz
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn betonen, daß selbstverständlich alles zu befürworten ist, was der deutschen Einheit dient. Wir haben
nie darüber einen Zweifel aufkommen lassen, daß es unser Ziel ist, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen, und zwar die Einheit und Freiheit. Wenn man aber von Freiheit spricht, muß man auch wirklich Freiheit meinen
und darf nicht nur den Versuch machen, einer Seite und einer Regierung unfreies Verhalten und Maßnahmen vorzuwerfen, die keine Freiheit aufkommen lassen. Daß darf man nicht tun, wenn man selber nicht bereit ist, Freiheit auch dem anderen zu gewähren, dem, der eine andere Meinung hat.
Wenn man — durchaus nicht zu Unrecht — davon spricht, daß die eine Seite nichts anderes tue, als sich als die Stimme ihres Herrn auszugeben, dann soll man auf der andern Seite vorsichtig sein, nämlich wenn dieser andern Seite nachgewiesen werden kann, daß ihre Anweisungen auch nicht aus dem eigenen Innern, aus dem eigenen Nachdenken erwachsen, sondern ganz wo anders herkommen.
Freie Wahlen sind durchaus zu bejahen, sind zu befürworten. Wir sollten sie aber auch einmal hier hüben durchführen. Man sollte, nachdem die Zusammensetzung des Bundestages schon längst überholt ist, nicht den Versuch machen
— ja, manche von Ihnen säßen bestimmt nicht mehr hier —, künftige Entscheidungen des deutschen Volkes durch wirklich freie Wahlen dadurch unmöglich zu machen, daß man an Wahlgesetzen herumarbeitet, die eine freie Abstimmung von vornherein zu einer Illusion machen.
Des weiteren möchte ich noch auf eines hingewiesen haben. Man spricht von Gesamtdeutschland und redet dabei immer von den Grenzen von 1937. Ja, haben Sie denn ganz und gar vergessen, daß uns durch Raub Gebiete genommen wurden, die nach 1937 — zum Teil durch ordnungsgemäße Verträge — zu Deutschland kamen, etwa das Sudetenland, etwa das Memelgebiet, und die, die uns einst schon einmal wider jedes Recht genommen worden sind?! Sollen denn diese Gebiete vergessen, einfach abgeschrieben werden? Wenn Sie die Vertretung auch dieser Deutschen wirklich darstellen würden, müßten viel mehr Deutsche aus dem Osten in diesem Hause sitzen, die dann auch bestimmt ihre Stimme erheben würden für die Deutschheit dieser Gebiete, für das Zu-Deutschland-Gehören auch von Gebieten, die 1937 eben noch nicht das Glück hatten, bei Deutschland zu sein.
Dann möchte ich noch auf einen Zwischenruf, der vorhin gekommen ist, eines erwähnen. Wir haben bereits zu einer Zeit kein Hehl aus unserer Gegnerschaft zum Kommunismus gemacht, als Sie, meine Damen und Herren, in deutschen Landerregierungen noch mit kommunistischen Ministern zusammen waren.
Die Alliierten, die das damals sehr gern hatten und die unsere Kritik am Kommunismus gar nicht gern sahen, merkten dann allerdings nach Jahren, was der Kommunismus ist, bzw. sie begannen, es zu merken. Sie merkten damit das, was 1945 in Deutschland eigentlich schon jeder politische Hilfsschüler wissen mußte. Erst als die Alliierten zu merken begannen, was Kommunismus ist, bekamen Sie den Auftrag, sich von den Kommunisten zu trennen. Jetzt auf einmal waren diese nicht mehr demokratisch. Man kann deshalb Ihre antikommunistischen Reden wirklich nicht als aus innerster Überzeugung kommend ansehen, genau so wenig wie Ihre großen Redensarten über Gesamtdeutschland. Erst jüngst haben Sie ja ein Gebiet ganz offen preisgegeben, das Saargebiet, das Sie abgetrennt haben.
Alles Gerede, daß Sie sich für das Saargebiet einsetzen wollen, ist ja nur Schaumschlägerei.
Denn Ihnen mußte es genau so bekannt sein wie dem Herrn Bundeskanzler — —