Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Merkatz und auch der Herr Wehner haben eigentlich die Katze über diese peinliche Situation in der heutigen Debatte aus dem Sack gelassen. Der Herr Wehner kündigte an: Das Wahlgesetz ist nicht endgültig, es kann im Hinblick auf demokratische Rechte verschlechtert werden; und Herr Merkatz sprach das bedeutsame Wort von der Dynamik und meinte damit Aggression und Bürgerkrieg.
Nun, kommen wir zu der gegenwärtigen Lage unseres Volkes zurück. Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Grundsätze für die freien Wahlen zu einer Verfassunggebenden Nationalversammlung hat bekanntlich eine recht eigentümliche Geschichte. Der Entwurf scheute mehr als einmal das Licht der Öffentlichkeit. Was uns heute vorgelegt wurde, ist im Prinzip nicht mehr identisch mit den sogenannten vierzehn Punkten und nicht mehr identisch mit dem sozialdemokratischen Antrag, sondern bedeutet nichts anderes als den Versuch, wirklich freie Wahlen zu verhindern. Ein Gesetz hat uns Herr Adenauer vorgelegt, das in seinem Gehalt und in seiner Anlage zur Verhinderung wirklich freier Wahlen in Deutschland geschaffen wurde. Dazu wurden solche Bremsklötze in den Weg gelegt wie das Ersuchen an den Bundestag, dieses Gesetz der UN-Kommission zu übergeben.
Ich möchte darum zunächst einmal davon ausgehen, daß dieser Entwurf nicht die Tatsache berücksichtigt, daß es heute zwei Regierungen und zwei Parlamente in Deutschland gibt. Es ist unserem Volke ebenfalls bekannt, daß seit geraumer Zeit der Entwurf eines Wahlgesetzes durch die Volkskammer der DDR unserem Volk vorgelegt wurde. Wenn man von dieser einfachen Tatsache ausgeht, ergibt sich — wenn man nämlich wirklich freie Wahlen will — jetzt nur eine einzige Frage, wie man beide Wahlgesetze zu einem Wahlgesetz für ganz Deutschland vereinigt.
Das wäre eine Frage der Vernunft, und ihre Lösung dürfte nicht schwerfallen. Es kann sogar als sicher gelten, daß auf einer gesamtdeutschen Beratung der Vertreter aus West- und Ostdeutschland schnell eine Verständigung über ein gesamtdeutsches Wahlgesetz herbeigeführt werden kann.
Meine Damen und Herren! Wenn also die vorgelegte Wahlordnung einen Sinn haben soll, dann muß dieses Parlament die Frage beantworten: wie soll denn nunmehr in ganz Deutschland gewählt werden und wann? Es kann kein Zweifel bestehen, daß man dazu — das ist eine Frage des Selbstbestimmungsrechts unseres Volkes und der Ehre, der nationalen Ehre —
deutsche Organe und nicht eine UN-Kommission benötigte, die in beiden Teilen Deutschlands die Kontrolle der Durchführung und Vorbereitung freier Wahlen übernimmt.
Es wurde hier heute sehr viel über die UN geredet und auch über die Haltung der Sowjetunion. Dabei wurde nicht der wahre Kern der Haltung der Sowjetunion bekanntgegeben. Die Sowjetunion hat aus Gründen der Verletzung der UN-Satzung abgelehnt! Das ist der eine Fall. Außerdem ist die Sowjetunion der Meinung, daß deutsche Wahlen eine deutsche Angelegenheit seien.
Dieser Standpunkt wurde auch von der Delegation der Deutschen Demokratischen Republik in Paris vor der UN-Kommission in aller Deutlichkeit vorgetragen. Das ist auch der Standpunkt Polens. Das wissen Sie ganz genau.
Das haben Sie auch gelesen. Hinzu kommt, daß Herr Tschuikow die auch Ihnen bekannte Erklärung abgab, daß die Sowjetunion die Durchführung freier, geheimer, demokratischer Wahlen zu einer Nationalversammlung mit großer Sympathie verfolgt und jede Unterstützung zu geben bereit ist. Das sind die Fakten.
Was nun die Frage internationaler Kontrollorgane angeht, so erinnere ich an das Schreiben des
Herrn Präsidenten Pieck an den Herrn Bundespräsidenten. In diesem Schreiben heißt es — das muß man heute in Erinnerung bringen —:
Was die Überprüfung der Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen betrifft, so teile ich Ihnen mit, daß die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik mit der Überprüfung in allen Teilen Deutschlands einverstanden ist. Sie ist aber der Meinung, daß eine solche Überprüfung am besten von den Deutschen selbst durchgeführt werden könnte, durch eine aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands zusammengesetzte Kommission unter der Viermächte-Kontrolle von Vertretern der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs.
Das ist deutlich, meine Damen und Herren, das ist auch ein deutscher Standpunkt! Sie aber nehmen heute einen amerikanischen Standpunkt ein.
Es ist also offensichtlich, daß in all diesen Fragen Verhandlungen und Verständigung notwendig sind, wenn man wirklich frei wählen lassen will. Dies ist um so leichter möglich, als die Volkskammer und die Regierung der DDR alle Hindernisse aus dem Wege geräumt und dem Bundestag jetzt zuletzt eine Fünfer-Kommission zur Vorbereitung und Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen vorgeschlagen haben. Wenn man wirklich freie Wahlen will, muß man also heute in diesem Bundestag ein gleiches tun. Wenn man Wahlen will, gibt es nur den Weg der Verhandlungen und den Weg der Bereitschaft zu echten Kompromissen, nicht zu faulen Ausreden. Entgegen dem Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes soll jedoch der vorliegende Entwurf an ein internationales Kontrollorgan der UN, in dem die Vertreter Brasiliens — einer Diktaturmacht —, Islands — das amerikanisch besetzt ist —, Pakistans und Hollands vertreten sind, weitergeleitet werden.
Über den Charakter dieser „demokratischen" Staaten zu sprechen, wäre sehr interessant. In Brasilien z. B. führt man Wahlen mit dem Revolver durch,
und Pakistan hat überhaupt noch nicht demokratisch gewählt. Das hat der Herr Bundeskanzler hier verschwiegen.
— Polen, dazu komme ich noch.
Alles in allem ist das eine Verhöhnung des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes. Wer einen solchen Vorschlag unterstützt, kann nur die Absicht haben, die Durchführung wirklich freier demokratischer Wahlen in Deutschland zu verhindern, der kann nur die Absicht haben, Verhandlungen mit den Vertretern der Regierung und der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik abzulehnen. Das kam heute in den Diskussionsreden ganz eindeutig zum Ausdruck. Aber wer das tut, der will in Wirklichkeit keine freien Wahlen, sondern der will, was auch Herr Merkatz zum Ausdruck brachte, die gewaltsame Annexion, den Bürgerkrieg zur Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik Westdeutschland.
Das haben Sie, Herr Tillmanns, selber schon hier gesagt.
Es entsteht beim Lesen des Wahlgesetzes der peinliche Eindruck, als ob das ganze Bemühen der Adenauer-Regierung darauf hinausginge, einen Tag vor der Wehrdebatte die freien Wahlen zu verhindern. Der sicherste Beweis des schlechten Gewissens ist allein schon die Tatsache, daß wir eben heute einen Tag vor der Wehrdebatte stehen. Herr von Merkatz hätte lieber seine Rede von heute für morgen zur Zustimmung zum Wehrgesetz aufbewahren sollen. Das wäre ehrlicher gewesen. Der sicherste Beweis ist ferner die Tatsache, daß Adenauer im Generalvertrag alle Rechte unseres deutschen Volkes preisgeben will und mit Hilfe der Amerikaner eine Militärdiktatur vorbereitet.
Das alles sind Fragen, worüber unser deutsches Volk erst einmal in freien deutschen Wahlen zu entscheiden hätte, aber Herr Adenauer will selbstherrlich Vorentscheidungen treffen. Herr Adenauer läßt aber über solche Lebensfragen unseres deutschen Volkes nicht einmal in Westdeutschland abstimmen, meine Herren von der SPD. Darum. ist dieses Wahlgesetz nichts anderes als eine Täuschung des Volkes durch Adenauer und Schumacher; denn beide wollen in Wirklichkeit keine Wahlen, sondern die Annexion, die Eingliederung. Sprecher der SPD erklärten wiederholt, daß Adenauer keine freien Wahlen in Gesamtdeutschland wolle, Herr Luetkens erklärte sogar, er wolle es darum nicht, weil sein Deutschland des Wehrgesetzes, des Schumanplans und des Generalvertrags nur bis zur Elbe reiche. Die sozialdemokratischen Verhandlungspartner Adenauers wissen auch, daß Herr Adenauer nicht einmal freie Wahlen in Westdeutschland will. Und dennoch stimmt die SPD diesem Wahlgesetz zu! Wir wollen, daß das deutsche Volk sich verständigt, und das wollen auch die sozialdemokratischen Arbeiter und Wähler. Darum ist dieses Gesetz nur eine Täuschung, und es zeigt, daß die Adenauer-Regierung und Schumacher nicht bereit sind, entsprechend dem nationalen Wollen unseres deutschen Volkes die Vereinigung zu erleichtern, sondern im Gegenteil alles zu tun, die Vereinigung unseres Vaterlandes zu verhindern. Das beweist doch auch der Antrag Dr. Lehrs, eine demokratische Partei, die KPD, zu verbieten, das beweist der Bruch jeder Rechtsstaatlichkeit durch den faschistischen Polizeiüberfall auf die Häuser der KPD und die Wohnungen friedlicher Staatsbürger. Das deutsche Volk will statt eines Wehrgesetzes ein Wahlgesetz, weil es ein Ausweg aus der nationalen Misere ist; denn eine gesamtdeutsche Beratung und die Durchführung freier Wahlen werden uns eine glückliche Zukunft Deutschlands geben, ein Deutschland, das zu einer Großmacht des Friedens werden wird.
Nun ein Wort zum Saarmanöver Adenauers. Wer eine ernsthafte Lösung an der Saar will und wünscht, der muß eine gesamtdeutsche Beratung auch unter Hinzuziehung der Saarbevölkerung fordern, damit auch die Saarbevölkerung das Recht der Selbstbestimmung in Anspruch nehmen kann. Herr Adenauer aber macht jetzt ein Manöver mit der Saar, um vom Wehrgesetz abzulenken. Das
hat er vorher mit François-Poncet und McCloy so abgesprochen.
Der vorgelegte Entwurf eines Wahlgesetzes ist undemokratisch, wogegen das Wahlgesetz der DDR demokratisch ist, weil es der Jugend und den demokratischen Organisationen volle demokratische Rechte gibt. Wir können darum einer solchen Wahlordnung nicht zustimmen. Ich will hier nur an § 1 Abs. 1 und an § 2 erinnern, wo wir eine weitgehende Einschränkung demokratischer Rechte der Jugend und der demokratischen Organisationen feststellen. Das gleiche gilt auch in bezug auf den Art. 4, der die Kompetenzen der Nationalversammlung umreißt. Das ist der Gleichschaltungsartikel, um mit ihm von vornherein vollendete Tatsachen zu schaffen. Das ist unehrlich. Das nimmt Ihnen ja keiner im deutschen Volke ab, meine Damen und Herren!
Wir sind allerdings der Meinung, daß dennoch alle Möglichkeiten gegeben sind, auf dem Wege gesamtdeutscher Verständigung und Beratungen eine gesamtdeutsche Wahlordnung zu schaffen und freie Wahlen durchzuführen. Und darum spreche ich hier und nicht, um, wie der Herr Bundeskanzler, irgendwelche Winkelzüge zu machen, sondern um einen ehrlich gemeinten Vorschlag zur Herstellung der Einheit Deutschlands zu unterbreiten.
Wir schlagen darum vor, der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wählt eine aus 5 Mitgliedern bestehende Kommission, die gemeinschaftlich mit den bereits von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik gewählten 5 Vertretern zur beschleunigten Beratung eines für ganz Deutschland gültigen Wahlgesetzes für eine Nationalversammlung zusammentritt. Diese gesamtdeutsche Kommission soll den vom Bundestag in seiner Sitzung am 6. 2. 1952 gebilligten Gesetzentwurf sowie den von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 9. 1. 1952 bereits verabschiedeten Entwurf bearbeiten und einen gemeinsamen Entwurf eines Gesetzes für die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung vorbereiten. Dieser gemeinsam erarbeitete Entwurf wird dem Bundestag der Bundesrepublik und der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik zur Abstimmung unterbreitet.
Der Bundestag ist der Auffassung, daß das Saargebiet zu Deutschland gehört, wie das auch völkerrechtlich verpflichtend im Abkommen von Potsdam festgestellt ist. Zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung des Saargebiets beschließt der Bundestag die Teilnahme von Vertretern des Saargebiets an der gesamtdeutschen Beratung über die Schaffung eines Wahlgesetzes zur Durchführung freier Wahlen in ganz Deutschland zu einer Nationalversammlung.
Der Bundestag lehnt es ab, die Entscheidung über die Vorbereitung und Durchführung gesamtdeutscher Wahlen einem Organ der UN zu übertragen. Er erklärt, daß das von der UN beschlossene Verfahren eine unzulässige Einmischung in die innerdeutschen Angelegenheiten und darum mit der nationalen Würde des deutschen Volkes unvereinbar ist.
Meine Damen und Herren! Das ist unser Antrag. Ich bitte den Herrn Präsidenten, um die Unterstützung des Antrages bei den Herren Abgeordneten des Hauses nachzusuchen.