Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Nur wenige Bemerkungen zu den vielen Gegenständen, die schon angesprochen worden sind.
Mir scheint es sehr bedauerlich zu sein, daß die beiden letzten Redner die großen Zusammenhänge doch etwas sehr stark vernachlässigt haben. Spielt es bei der Frage der gesamtdeutschen Entwicklung und der deutschen Wiedervereinigung jetzt schon eine entscheidende Rolle, das Maß der inneren
Gliederung und der Dezentralisation so in den Vordergrund zu rücken, daß man die Frage, auf die es hier im wesentlichen ankommt, nämlich zunächst einmal das Verbindende und Zusammenfügende hervorzuheben, so beiseite schiebt und vernachlässigt? Ich muß schon sagen: wenn das so motiviert wird, daß man von Gedankengängen geredet hat, die etwa vom Ende des 19. Jahrhunderts stammen, dann habe ich das Gefühl, man ist off en-bar mit den Vorstellungen, die dahinter stecken, noch weiter zurück.
Aber, wie gesagt, ich will, da es sich schlechthin um eine Zukunftsfrage aller Deutschen handelt, nicht in einen Wettstreit eintreten, welche von den Auffassungen, die hier vertreten werden, durch die Langfristigkeit ihrer Vergangenheit ehrwürdiger sind. Ich weiß nur das eine -- das ist für meine Freunde entscheidend —: wir möchten unter allen Umständen alle Möglichkeiten ergreifen, um über die Fürchterlichkeit hinwegzukommen, daß der Graben zwischen zwei Welten durch unser Volksgebiet mitten hindurch gezogen ist. Wir möchten wieder zu den Möglichkeiten gelangen, innerhalb Europas auf Grund unserer besonderen Lage in dieser europäischen Welt förderlich tätig zu werden durch die Wiedervereinigung unseres Volkes und über diese Wiedervereinigung dann für eine bessere gesamteuropäische Entwicklung und für den Frieden.
Darum möchte ich doch noch einmal an den Bericht des Herrn Bundeskanzlers über die Verhandlungen vor der UNO anknüpfen. Nicht nur ist mit einer sehr starken Mehrheit das Anliegen der Deutschen, wie es von seiten der Vertreter der Bundesrepublik vorgetragen worden ist — die internationale Kontrolle, die internationale Sicherung freier Wahlen —, akzeptiert worden. Nicht nur wurde in den Erklärungen der Vertreter der verschiedensten Völker der freien Welt immer wieder das eine sichtbar, daß die Frage der deutschen Einheit nicht eine Liebhaberei oder eine Schicksalsfrage der Deutschen ist, die sie gelöst von den Beurteilungen und von dem Hintergrund der übrigen Völker behandeln können. Die Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit wird heute von dem größten Teil der Völker der Welt als eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung oder für die Wiederherstellung des Weltfriedens überhaupt verstanden. Damit ist die deutsche Frage ein Kernstück der gesamten weltpolitischen Entwicklung geworden. Ich halte das für sehr entscheidend und möchte es deswegen besonders in den Vordergrund rücken. Weil manche wegen der Mühseligkeit und Langsamkeit der Entwicklung — für die menschliche Ungeduld vollziehen sich ja historische Wandlungen meist viel zu langsam — leicht verzagen möchten und schwach werden und resignieren, weise ich auf die wesentliche Rolle hin, die die Frage der deutschen Einheit im großen weltpolitischen Zusammenhang bekommen hat. Darum weise ich darauf hin, daß dem deutschen Anliegen mit einer erheblichen und so beachtlichen Mehrheit entsprochen worden ist.
Nun wird natürlich die Frage aktuell werden: Ja, wie soll denn dieser Ausschuß tätig werden? Der Versuch, ihn zu sabotieren, ist schon bei seiner Errichtung gemacht worden. Da wurden immer wieder geschäftsordnungsmäßige Kunststücke ge' macht, um die Abstimmung über die Dinge über-
haupt oder sogar das Vorbringen des Anliegens der deutschen Vertretung unmöglich zu machen. Die erhebliche Mehrheit hat sich durch ein solches Verfahren nicht einfangen lassen. Man ist nun dabei, zu versuchen, das eine Mitglied aus den Ostblockstaaten in diesem UNO-Ausschuß davon abzuhalten, seinen Platz in der Kommission einzunehmen. Ich möchte der Meinung sein, daß ein solches Versagen des polnischen Vertreters in dieser Kommission auf Grund seiner mangelnden Unabhängigkeit gegenüber volksfremden Machthabern und Befehlshabern — —
— Wir sind allerdings unabhängig, Herr Renner, und wir haben gar nicht nötig, irgend etwas dazu zu sagen; denn wir gehören nicht zu den Elementen, die ganz Osteuropa tyrannisieren und es niedergebrochen haben.
Wer hat denn Rumänien und Ungarn und den ganzen Balkan und alle Länder bis nach Lettland und Polen niedergedrückt, und wer hat dieses Heerlager der Tyrannei da drüben errichtet? Doch nur Ihre Spießgesellen da drüben jenseits des Eisernen Vorhangs!
Aber davon wollte ich jetzt nicht reden.
Entscheidend wird es sein, daß man sich darüber klar bleibt, daß die UNO, wenn sie eine Kommission einsetzt, es auch als ihre Angelegenheit zu betrachten hat, daß diese Kommission, ihrer Bestimmung entsprechend, tätig wird, auch dann, wenn ein Mitglied dieser Kommission sich infolge mangelnder Unabhängigkeit seiner eigenen Regierung der Pflicht zur Wahrnehmung des Sitzes in der Kommission entziehen könnte.
In diesem Augenblick, meine Damen und Herren, ergibt sich für uns die Aufgabe, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen.