Rede von
Willy
Odenthal
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits mit der Drucksache Nr. 2131 vom 10. April 1951 wurde dem Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zugeleitet. Dieses Gesetz wurde nach Beratung in den Ausschüssen in allen drei Lesungen verabschiedet und gelangte im ersten Durchlauf an den Bundesrat. In diesem ersten Durchlauf rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuß an, der auch zu einem Ergebnis kam, das dem Bundestag zugeleitet wurde, aber nicht die Zustimmung des Hauses fand. Damit gelangte das Gesetz in der Fassung der dritten Lesung wieder an den Bundesrat, der nunmehr aus den verschiedensten Gründen diesem Gesetz die Zustimmung versagte. Von der Möglichkeit einer nochmaligen Anrufung des Vermittlungsausschusses machten weder die Bundesregierung noch der Bundestag Gebrauch. Es unterblieb auch eine weitere Beratung in diesem Hause. Dagegen brachten nun die Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP mit der Drucksache Nr. 2875 den uns heute in der zweiten Lesung vorliegenden Entwurf zur Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ein, der nach Beratung in der ersten Lesung dem Ausschuß für Arbeit überwiesen ward e.
Der Ausschuß für Arbeit hat in zwei Sitzungen den Stoff, der bereits früher eingehend erörtert wurde, behandelt und sich dabei im wesentlichen mit den in dem neuen Entwurf enthaltenen Änderungen und Vorschlägen und den Anträgen der Fraktion der SPD befaßt. Das Ergebnis der Beratungen und die erarbeiteten Vorschläge des Ausschusses für Arbeit liegen Ihnen heute vor.
Abgelehnt wurde zu § 6 ein Antrag der Vertreter der SPD-Fraktion, nicht dem Präsidenten der Bundesanstalt, sondern ihrem Vorstand die Geschäftsführung in die Hand zu geben, der wiederum durch Richtlinien bestimmen sollte, inwieweit der Präsident die Geschäfte zu führen hat.
Dagegen wurde eine Anregung der Vertreter der SPD-Fraktion zu § 12 angenommen. Der Entwurf übernahm aus dem Tarifvertragsgesetz den Hinweis auf die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Der Ausschuß für Arbeit schloß sich den Anregungen an und war der Auffassung, daß diese Bestimmung, die im Tarifvertragsgesetz auf die Allgemeinverbindlicherklärung abgestellt ist, in diesem Gesetz keinen Raum fin- den sollte, weil das nicht nötig sei. Ich habe Ihnen vorzuschlagen, diese Änderung anzunehmen.
In § 20 des Gesetzes geht es um die Frage, ob die Amtsleiter, also der Direktor des Arbeitsamtes, der Präsident des Landesarbeitsamtes und der Präsident der Bundesanstalt, berechtigt sind, Beschlüsse ihrer Organe oder der nachgeordneten Organe, die gegen das Gesetz oder gegen die Satzung verstoßen, zu beanstanden, oder ob es Sache des Vorsitzenden des Organs ist, das zu tun. Der Ausschuß schloß sich der Auffassung an, daß das zweite möglich und notwendig ist. Er nahm im Interesse der Funktionsfähigkeit der Bundesanstalt die Fassung der Vorlage an und lehnte den Antrag der SPD-Fraktion ab.
Es gelang nicht, in der entscheidenden Fassung des § 27 Einigkeit zu erreichen. Der § 27 regelt in
Abs. 1 die Bestellung des Präsidenten der Bundesanstalt, in Abs. 2 die Bestellung des Präsidenten der Landesarbeitsämter und in Abs. 3 die Bestellung der Direktoren der Arbeitsämter. Der Entwurf sah vor, daß der Präsident der Bundesanstalt und sein ständiger Stellvertreter nach Anhörung des Verwaltungsrates auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten unter Berufung in das Beamtenverhältnis ernannt werden. Die Vertreter der SPD-Fraktion wünschten eine stärkere Betonung des Rechtes der Selbstverwaltungsorgane. die leitenden Persönlichkeiten in eigener Zuständigkeit zu wählen oder vorzuschlagen. Dieses Anliegen wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt. Dagegen wurde aus der Mitte der Vertreter der Regierungsparteien der Vorschlag gemacht, die Fassung zwar zu belassen, aber zu bestimmen, daß die Bundesregierung gegen den Willen oder gegen die Stellungnahme des Verwaltungsrates nur dann anders verfahren kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, daß aber die Feststellung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ausschließlich Sache der Bundesregierung ist und daß diese Feststellung keiner außergerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dieser Vorschlag wurde vom Ausschuß für Arbeit mit Mehrheit angenommen. Mit der gleichen Mehrheit wurde auch die Fassung des Abs. 2 des § 27 geändert, während Abs. 3 in der Fassung der Vorlage bestehen bleiben soll.
In § 32 entfällt der letzte Satz des Abs. 3. Die Vertreter der SPD-Fraktion waren der Auffassung, daß der Herr Bundesminister für Arbeit auf Grund der Vorschrift des § 34 befugt ist, zur Verwirklichung seines Aufsichtsrechtes jederzeit alles anzufordern, was dazu gehört; und dazu gehört auch der Rechnungsabschluß. Der Ausschuß für Arbeit trat dieser Auffassung bei und empfiehlt die vorgeschlagene Änderung.
Eine Änderung bringt weiter § 37 Abs. 4. Der Ausschuß für Arbeit schloß sich der Auffassung der Bundesregierung an, daß in die Diensthoheit der Länder nicht eingegriffen werden sollte. Weiterhin bestanden Bedenken dagegen, neben der Versetzung in den Wartestand wahlweise als Vergünstigung auch die Versetzung in den Ruhestand zu gewähren. Ich glaube, daß das neue Beamtenrecht auch in dieser Frage demnächst eine Änderung bringen wird.
Schließlich wurde einer Anregung entsprochen, den Beamten auf Kündigung den Schutz des § 41 Abs. 3 zu gewähren. Danach stellt die Nichtübernahme von Beamten auf Kündigung für den Dienstherrn keinen wichtigen Grund zur Kündigung des Beamten dar.
Die vorgeschlagene Änderung des § 39 trägt dem Umstand Rechnung, daß nicht von einem früheren Beamtenverhältnis gesprochen werden kann, weil das Beamtenverhältnis ja nicht beendet wird. Darum wird vorgeschlagen, das Wort ,.frühere" in der letzten Zeile zu streichen.
Etwas Unbehagen empfanden die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit, als sie in der Vorlage noch das Wort „Dienstherr" entdeckten. Wir wissen, daß der Beamte nicht im Vertragsverhältnis zu seiner Behörde steht, sondern in einem Treue- und Gewaltverhältnis, das einseitig gegen ihn gerichtet ist. Der Ausschuß für Arbeit war sich aber darin einig, daß für den Begriff „Dienstherr" im neuen Beamtenrecht kein Raum mehr sein sollte. Ich darf deshalb den Wunsch des Ausschusses aussprechen, daß bei der Neubearbeitung des Beamtenrechts dieser Begriff durch eine zeitgemäßere Bezeichnung
ersetzt wird. Wenn wir in den Tarifverträgen und im Arbeitsrecht allgemein nicht mehr vom „Brotherrn", sondern vom „Arbeitgeber" sprechen, so könnten wir vielleicht im neuen Beamtenrecht ein passenderes Wort, eventuell das Wort „Dienstgeber", festlegen.
Die Änderung des § 12 Abs. 1 zwingt schließlich zu einer Änderung des § 50 Abs. 5. Nach der neuen Formulierung dieses Absatzes soll der Präsident des Landesarbeitsamtes neue Beisitzer des Spruchausschusses aus Vorschlagslisten der jeweils für den Bezirk zuständigen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen berufen.
Meine Damen und Herren! Wir wissen heute noch nicht, wann dieses Gesetz verkündet wird und ob es alle Klippen der Zukunft noch glücklich umschiffen wird. Wir sind aber alle einig in der Überzeugung. daß wir aus der Mannigfaltigkeit des Verfahrens und aus der rechtlichen Unsicherheit herausmüssen. Wir glauben, daß der Weg dazu über die Bundesanstalt führt. Auf sie warten nicht nur große Aufgaben in der einheitlichen Gestaltung und Zusammenfassung in der Berufsberatung, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, sondern wir sind der Meinung, daß sie auch eine echte Arbeitsmarktpolitik im gesamten Wirtschaftsraum der Bundesrepublik betreiben und dazu mithelfen soll, uns aus der strukturellen Arbeitslosigkeit unserer Zeit herauszuführen. Diesem Bemühen dient der Ausschuß für Arbeit, wenn er mich beauftragt, Ihnen heute die Zustimmung zu dem Gesetz und den vom Ausschuß erarbeite ten Vorschlägen und Änderungen zu empfehlen.