Rede von
Dr.
Ernst
Müller-Hermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben allen Anlaß, der Bundesregierung für ihre erfolgreichen Bemühungen dankbar zu sein, Helgoland bis zum 1. März wieder frei zu bekommen. Wir werden uns auch darüber im klaren sein, daß gegebenenfalls gewisse Opfer für diese Freigabe mit in Kauf genommen werden müssen, wenn sichergestellt ist, daß diese Opfer vorübergehender Natur sind und auch wirklich vor der Bevölkerung, die eventuell tangiert werden könnte, verantwortet werden können.
Darf ich Sie darauf hinweisen, daß in der Note, die die Britische Hohe Kommission am 26. Februar 1951 der Bundesregierung zukommen ließ, geschrieben wurde:
Weisungsgemäß teile ich Ihnen mit, daß die Regierung Seiner Majestät sofort bereit ist, anzukündigen, daß Helgoland freigegeben wird, sobald zufriedenstellende anderweitige Vorkehrungen abgeschlossen sind, auf jeden Fall aber bis zum 1. März 1952. Bevor sie dies jedoch tut, ersucht sie um die Zusicherung, daß als Gegenleistung für die Maßnahmen zur Freigabe Helgolands die Bundesregierung die Errichtung eines oder mehrerer Ausweichziele auf einigen Sandbänken an der deutschen Nordseeküste erleichtern wird, falls sich diese für Bombenabwurfübungen als geeignet erweisen.
Nach Rücksprache mit den zuständigen Länderregierungen — vor allem mit der niedersächsischen Regierung — wurde dann von der Bundesregierung der Große Knechtsand als Ersatzziel zur Verfügung gestellt.
Ich glaube, es kann darüber keinen Zweifel geben, daß die Zurverfügungstellung des Knecht-sands bzw. die Forderung der Engländer, es solle ein Ersatzziel für Helgoland angeboten werden, psychologisch in Norddeutschland nicht sehr günstig aufgenommen werden wird, weil man es nicht verstehen wird, daß heute noch, wo so viel von der deutschen Gleichberechtigung gesprochen wird, Bomben — wenn auch für Versuchszwecke — auf deutsches Gebiet abgeworfen werden, wenn sich nach Meinung der breiten Masse der Bevölkerung auch anderwärts, vor allem in dem Land, das diese Forderung stellt, andere Gelegenheiten für solche Bombenabwurfversuche sicherlich finden ließen.
Von Herrn Kollegen Stegner ist bereits darauf hingewiesen worden, wie gerade im norddeutschen Raum, in Niedersachsen, die radikalen Strömungen außerordentlich stark sind und daß diese Strömungen durch solche Maßnahmen zweifellos gefördert werden. Die KPD hat diese Situation bereits weitgehend ausgenutzt,
und es ist vielleicht auch für das Haus ganz interessant, zu erfahren,
daß z. B. die Mittel für die Errichtung eines Gedenkkreuzes an der Grabstätte von englischen Fliegern aus Kassen stammen, die Ihnen sehr naheliegen, Herr Renner!
— Ja, weil man meint, im Augenblick wäre die Errichtung eines solchen Kreuzes für Ihre Zwecke außerordentlich förderlich.
Abgesehen von den grundsätzlichen und den psychologischen Bedenken, die bei der Zuverfügungstellung des Knechtsands auftauchen, müssen meines Erachtens sehr sorgfältig die Bedenken geprüft werden, die von der Küstenschifferei, den Großschiffahrtslinien und vor allem von der Krabbenfischerei geäußert werden. Mir ist bekannt, daß diese Bedenken von den zuständigen Stellen des Auswärtigen Amtes sorgfältig geprüft worden und gewisse Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet worden sind. Mir liegt z. B. ein Schreiben vor, aus dem hervorgeht, daß bei Nachtübungen das Gebiet mit Scheinwerfern abgesucht werden soll, daß bei Tagübungen die Küstenschiffahrtswege von der Weser zur Elbe durch Wachboote abgesperrt werden sollen, daß nur mit Bomben gearbeitet werden soll, die die Gefahr von Blindgängern praktisch ausschließen, daß das Gebiet nach Blindgängern abgesucht werden soll usw. usw. und daß ein enger Kontakt zwischen den militärischen Dienststellen und den örtlichen Behörden hergestellt werden soll. Man will also alles Erdenkliche tun, will Sicherheitsmaßnahmen treffen, um Schädigungen der Bevölkerung zu vermeiden und auch die Erwerbszweige in den dortigen Gebieten nicht zu schädigen. Es ist weiter in dem Vertragswerk vorgesehen, daß bei Unzulänglichkeiten eine Überprüfung des Vertragswerks vorgenommen werden kann; eventuell kann der Vertrag sogar gekündigt werden.
Ich bin ferner der Meinung, daß diese Fragen vom Auswärtigen Ausschuß noch einmal sorgfältig geprüft werden sollten. Dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses liegen die Unterlagen bereits seit einigen Wochen vor. Weiter scheint erforderlich zu sein, daß, sollte ein solcher Vertrag über den Knechtsand tatsächlich zustande kommen und kein anderer Weg offenstehen, dieser Vertrag von vornherein nur befristet abgeschlossen wird. Auf jeden Fall soll der ganze Fragenkomplex in dem zuständigen Ausschuß nicht nur sorgfältig, sondern auch mit äußerster Beschleunigung geprüft werden; denn ich glaube, in dem einen Punkt werden wir uns alle einig sein: unter allen Umständen muß verhindert werden, daß die Freigabe Helgolands zum 1. März irgendwie gefährdet wird.