Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 29. November 1951 ging durch alle Tageszeitungen die Meldung: Der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer hat den Großen Knechtsand bei Cuxhaven der britischen Hohen Kommission als Ersatzbombenziel für Helgoland zur Verfügung gestellt. Er tat dies ohne Zustimmung, ja ohne Befragung des Bundestages, wie er ja auch die ganzen Vorbereitungen für den Krieg, die Wehrmacht und die Unterzeichnung des Generalvertrages ohne Befragen und
Zustimmung des Bundestages durchführt. Der Kampf der jungen deutschen Patrioten in der Deutschen Bewegung Helgoland, der zum Symbol des Freiheitskampfes für das ganze deutsche Volk wurde, und die Initiative der Aktion Helgoland erreichten die Freigabe der Insel Helgoland zum 1. März 1952. Dr. Adenauer, dem westdeutschen Bundeskanzler, aber blieb es vorbehalten, anderes deutsches Land für anglo-amerikanische Bombenabwürfe preiszugeben. Ihn störte es nicht, daß die Insel Helgoland nach Beendigung des Krieges in einem unvorstellbaren Ausmaß verwüstet wurde. Ihn stört es auch heute nicht, daß gleiche Not die Menschen im Gebiet von Knechtsand treffen wird, daß gleiches Leid unserer ganzen Heimat zugefügt werden soll. Er ist es ja schließlich auch, der darum kämpft, daß ganz Westdeutschland heute schon Ausgangsbasis für den neuen Krieg durch Kasernenbauten, durch Flugplatzbauten und durch Schaffung von Truppenübungsplätzen wird. So ist es auch mit dem Großen Knechtsand, einer im Wattenmeer gelegenen, 16 Quadratseemeilen großen Sandbank zwischen der Elbe- und Wesermündung, an der das Schicksal von Hunderten von Fischerfamilien, die von der Krabbenfischerei leben, hängt. In unmittelbarer Nähe des Bombenziels sind drei große Krankenhäuser, darunter das bekannte Hamburgische Seehospital Nordheimstiftung, eine Heilstätte für Knochentuberkulose, die in ganz Deutschland einmalig ist, und acht Kinderheime, die während des ganzen Jahres belegt sind, hierunter die Görnestiftung mit 800 Betten, außerdem ein Erholungsheim der Post in
Arend beir Cuxhaven. Cuxhaven selbst ist nur 10 Seemeilen von dem Bombenziel entfernt, während der
Großschiffahrtsweg aller einlaufenden und seegehenden Schiffe nur 8 Seemeilen vom Bombenziel entfernt ist.
Das bedeutet, Hamburg und Bremen als Hafen und Umschlagplatz werden zugunsten der Benelux-Häfen und letztlich zugunsten der Kriegsvorbereitungen preisgegeben, weil kein Schiff sich der Gefahr aussetzen wird, in dieses Bombenziel hineinzufahren, weil auch keine Versicherung bereit sein wird, die Gefahrenprämien zu übernehmen. Darum sind alle Beteuerungen, die eine Hilfe für diese Häfen bedeuten sollen, nichts weiter als leeres Gerede. Schon heute muß damit gerechnet werden, daß bei Aufnahme der Bombardierung des Großen Knechtsands der Seeverkehr zwischen den Umschlagplätzen Hamburg und Bremen zum Erlahmen kommt und der Verkehr durch den Nord-Ostsee-Kanal ernstlich behindert wird. Es bedeutet weiter eine Gefährdung der Kleinschiffahrt. Das Gebiet wird im Verkehr mit Holland mit sogenannten Oberländer Kähnen in Größe von 100 bis 800 t befahren. Es wird dafür unbrauchbar. Rund 50 000 Kurgäste und 1 1/2 Millionen Tagesgäste sind während der Saison im Großkurort Cuxhaven Gäste dieses Gebietes. Sie werden selbstverständlich ausbleiben, wenn in unmittelbarer Nähe des Strandes die Bomben fallen; denn sie möchten nicht ihre Erholung durch neue Bombenabwürfe gefährdet sehen. Der Cuxhavener Fremdenverkehrswirtschaft wird dadurch ungeheurer Schaden zugefügt.
Das „Hamburger Abendblatt" veröffentlicht am 1. Dezember 1951 die Planung. Dort heißt es, daß zwei Gebiete als Ziel vorgesehen sind. Bei Ziel A, wenige Kilometer von Cuxhaven, sollen amerikanische Bomberverbände Tages- und Nachtangriffe durchführen. Bei Ziel B sollen britische Bomber nur bei Nacht angreifen. Das hat doch nichts anderes zu bedeuten, als daß die Anflugbedingungen nach Deutschland geübt werden sollen, damit
die Piloten mit der späteren Vernichtung der
deutschen Hafenstädte und Industrieorte im
Hinterland heute schon vertraut gemacht werden.
Was haben Sie, Herr Dr. Adenauer, dazu zu sagen? Sie erhielten doch von den Dorumer Fischern die Karte über die besten Fanggründe der niedersächsischen Küste, die durch Ihr Angebot an fremde Mächte zur Zerstörung von deutschem Land der Vernichtung preisgegeben werden sollen. 25 % des gesamten Krabbenfangs liegen in dieser Gegend. Herr Dr. Adenauer, Sie wissen doch auch durch Proteste aller Gruppen, aller Stadt- und Gemeindeverwaltungen dieses Gebiets und aller Schichten der Bevölkerung, durch die Proteste aller ehrlichen Persönlichkeiten, die im öffentlichen Leben stehen, daß die erste Bombe, die auf Knechtsand fällt, eine tödliche Bombe für die Existenz der Krabbenfischer bedeutet. Ihre Fanggründe liegen in der Gefahrenzone. Bombensplitter zerreißen die Netze, und Blindgänger zerfetzen Boote und Mannschaften. So sieht doch die Praxis aus. Das wissen schließlich Sie und wir alle aus den Erfahrungen. Würde Knechtsand auch nur für kurze Zeit als Bombenziel denen, so wären die Fanggründe auf Jahrzehnte hinaus verseucht. Bomben, die auf die Deiche oder nur auf die Deichwurzel fallen, führen zur Sprengung der Deiche, unterspülen sie und verwandeln das Wurstener Land in eine Wasserwüste.
Hören Sie, was der Deichgräfe Herr Lübs in einer Protestversammlung in Kappeln-Strich zu den Auswirkungen der Bombardierungen des Großen Knechtsands gesagt hat; er ist schließlich eine Persönlichkeit, die auch Ihnen etwas zu sagen haben dürfte. Er hat zusammengefaßt folgendes gesagt:
Die Bombardierungen würden folgende Auswirkungen haben:
1. Die Verlagerung des Strombettes der Priele bei Sprengung der Sandbankverbindung;
2. die Gefährdung der Deiche durch Stromverlagerung, die mit großem Kostenaufwand gepflegt werden müssen, da während des letzten Krieges kaum an Deichen gearbeitet wurde;
3. durch Versandung der Priele kann Binnenlandwasser nicht ablaufen und damit würde das Binnenland ständig unter Wasser sein.
Herr Deichgräfe Lübs ist schließlich Fachmann auf diesem Gebiet und muß es wissen. Herr Oberkreisdirektor Klemeyer hat in der gleichen Versammlung gegen das Verhalten von Bonn protestiert und wörtlich gesagt, daß Bonn, d. h. Dr. Adenauer, ohne Befragung der Bevölkerung die Bombardierung deutschen Landes beschlossen habe.
Unermeßlich ist der Schaden, der unserer Heimat zugefügt werden soll. und unendlich ist auch das Leid, das wiederum deutsche Menschen in diesem Gebet treffen soll. So ist es auch verständlich, daß eine ungeheure Empörung die ganze Bevölkerung dieses Gebiets erfaßt hat, weit über die Betroffenen selbst hinaus. Im Protest gegen dieses völkerrechtswidrige Beginnen stehen die gesamten Fischer mit den Fischereigenossenschaften, Fischereivereinen und auch mit den Jugend-, Sport- und Gewerkschaftsorganisationen zusammen. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, so auch Oberbürgermeister Gullasch, haben in Protestversammlungen zum Ausdruck gebracht, daß sie den Kampf
um den Großen Knechtsand aufnehmen werden. Der Bevölkerung im Gebiet des Großen Knechtsands und auch den Helgoländern ist ebenfalls rasch klargeworden, daß das ganze Gerede über Europa nur der Kriegsvorbereitung dienen soll. Prinz Hubertus von Löwenstein, Experte für die sogenannte Europabewegung, hat nämlich hier versucht, die deutschen Interessen in den Schmutz zu ziehen. Er hat es sogar gewagt, wörtlich zu sagen: .,Als ob die Menschenrechte der Helgoländer und die Verteidigung des Westens nicht wichtiger wären als die Lebensrechte dieser schmackhaften Schalentiere", womit er die Krabben meinte.
Auf diese schamlose Verhöhnung der Interessen der Dorumer Fischer und der ganzen Bevölkerung hat Professor Dr. Schnakenbeck, der Leiter des Instituts für Seefischerei, in der Zeitschrift „Fischereiwelt" die richtige Antwort gegeben. Er hat dort gesagt:
All denen, die es noch nicht wissen, muß gesagt werden, daß rund 70 % der Erträge der Küstenfischerei an der Nordsee aus Makrelen besteht und daß das Elbe-Weser-Gebiet eines der wichtigsten Fanggebiete ist, aus dem 20 bis 25 % der Fänge stammen. Man sollte also die Bedenken, die die Bundesregierung gegen die Freigabe dieses Gebiets als Bombenziel hat, im Hinblick auf die Küstenfischerei nicht mit einer geringschätzigen Handbewegung abtun.
In der Neujahrsnacht ging eine Flamme von Hand zu Hand entlang der Nordseeküste. Von Helgoland kam sie, Küstenfischer brachten sie auf ihren Kuttern ans Festland, übergaben sie den Sportlern, und junge deutsche Sportler brachten diese Flamme auf den Großen Knechtsand, wo sie lodernde Glut und zum sichtbaren Fanal für den Kampf um den Großen Knechtsand und für den deutschen Freiheitskampf wurde. So kämpfen dort auch die deutschen Menschen um die nationalen Interessen unseres Volkes, kämpfen gegen den Verrat an unserer Heimat. Diese Willenskundgebung wurde allen Parteien und auch dem Bundestag zugeleitet und hat zum Leitspruch im Bewußtsein der Menschen — so brachten ihn auch die Sprecher auf dieser Neujahrsprotestkundgebung zum Ausdruck —: „Gott erhalte uns unsere Heimat!" Und weiter: Der Knechtsand bleibe frei! Dafür wollen wir kämpfen". Es ist erfreulich, daß die Bevölkerung dieses Gebiets für die heutige Beratung eine Delegation hierhergeschickt hat, die sich von der Haltung des Bundestags und der Haltung aller Parteien selbst überzeugen kann.
In Übereinstimmung mit diesem Willen der Bevölkerung hat die kommunistische Bundestägsfraktion den nachfolgenden Antrag gestellt:
Der Bundesregierung wird untersagt, den britischen Militärbehörden an Stelle der Insel Helgoland den Großen Knechtsand oder irgendein anderes deutsches Gelände als Bombenziel anzubieten bzw. zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte ergänzend hinzufügen, daß der Antrag heute lauten muß: Der Bundesregierung wird zur Pflicht gemacht, ihre Zurverfügungstellung sofort rückgängig zu machen. Wir sind der gleichen Auffassung wie Herr Oberkreisdirektor Klemeyer, daß sich alle Parteien einschalten und die Bevölkerung in ihrem gerechten Widerstand unterstützen
müssen. Darum erwartet die Bevölkerung auch die Zustimmung aller Parteien dieses Hauses zu unserem Antrag; denn er ist der Willensausdruck der ganzen Bevölkerung des dortigen Gebietes. Sie
weiß, daß die Überweisung unseres Antrages an einen Ausschuß Ausweichen bedeutet. Sie weiß auch, eine solche Haltung bedeutet, daß Sie nicht bereit sind, hier Farbe zu bekennen. Hier muß man nämlich jetzt Stellung nehmen: für oder gegen Deutschland, in offener und für jeden sichtbarer Abstimmung.