Rede von
Louise
Schroeder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich teile das Bedauern des Herrn Kollegen Horn in vollem Umfang, daß wir heute noch nicht das Gesetz über die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung haben. Wir haben uns nach langen Bemühungen im- Ausschuß mit der Erhöhung auf 500 DM einverstanden erklärt, obgleich sie uns bei weitem nicht hoch genug schien. Wir haben aber deshalb zugestimmt, um endlich in dieser Frage einen Fortschritt zu erzielen. Auch ich möchte deshalb an das Bundesarbeitsministerium den dringenden Appell richten, uns nun endlich so schnell wie möglich diesen Gesetzentwurf zugehen zu lassen.
Ich freue mich darüber, daß der Herr Kollege Horn die Notwendigkeit anerkannt hat, die Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung und in der Knappschaftsversicherung zu erhöhen. Aber ich bedaure, daß Herr Kollege Horn nicht mit uns einen ganzen Schritt vorwärtsgegangen ist. Gerade die Geschichte der Angestelltenversicherung, auf die auch schon kurz eingegangen worden ist, mit der immerwährenden Veränderung der Versicherungspflichtgrenze zeigt doch, daß wir hier endlich einen ganzen Schritt tun sollten. Ich glaube, ich brauche keine großen Begründungen mehr zusätzlich zu dem anzuführen, was meine beiden Herren Kollegen als Begründer unserer Anträge bereits ausgeführt haben. Ich meine, daß die Ereignisse der letzten Jahre mit ihrem ständigen Auf und Ab in der Wirtschaft, mit ihrer ganzen Unsicherheit, die sich doch nicht nur auf die Arbeiter erstreckt hat, sondern genau so auf die Angestellten, bei uns den dringenden Wunsch wecken sollten, nun endlich auch dem Angestellten ohne Rücksicht auf sein Einkommen die soziale Sicherung zu geben, die der Arbeiter bereits hat.
Kürzlich hat der Herr Bundeskanzler — ich glaube, es war in seiner Neujahrsrede — mit vollem Recht auf die Not der älteren arbeitslosen Angestellten hingewiesen. Das zeigt doch, wie die Dinge tatsächlich liegen. Selbst wenn ein Angestellter einmal kurze Zeit lang zu den höher Besoldeten gehört, so ist seine ganze Existenz doch in der heutigen Zeit der Wirtschaftskrisen, der Kriegs- und Kriegsfolgeerscheinungen genau so unsicher, und er braucht für den Fall seiner Invalidität und des Alters genau so die Sicherheit, einerlei, ob er nun heute ein Einkommen von 600 DM hat oder ob er es einmal auf 800 DM oder 850 DM oder darüber gebracht hat.
Dazu kommt die gesundheitliche Labilität, in der sich die Menschen befinden und die es ebenfalls notwendig macht, daß derjenige, der vielleicht früh aus dem Leben gehen muß und Frau und Kinder zurücklaßt, ohne Rücksicht auf sein bisheriges Einkommen wirklich geschert ist. Dabei will ich nur einschieben, daß dadurch irgendeine große Belastung nicht entsteht; denn wir wissen, daß der Beitrag und die Renten auf Grund der Höchstgrenze von 600 DM berechnet werden, daß aber eine Sicherung auch für diejenigen sein muß, die darüber hinaus verdienen.
Dann gestatten Sie mir noch ein Wort aus meiner Erfahrung in der Stadt Berlin. Ich weiß, daß die Versicherungspflicht in Berlin immer ein großes Für und Wider und vielleicht hier im Bundesgebiet noch mehr Wider als Für hervorgerufen hat. Aber eines darf ich Ihnen sagen: dadurch, daß wir für die Angestellten eine Versicherungspflichtgrenze nicht haben, also dadurch, daß das günstigere Risiko, das doch der höher besoldete Angestellte immerhin gegenüber dem schlecht besoldeten darstellt, einen Ausgleich zwischen diesen beiden Kategorien gebracht hat, sind wir gerade auch zu gewissen Leistungen, vielleicht über das allgemeine Maß hinaus, imstande gewesen.
Ich bitte Sie also, daß Sie sich, wenn im Ausschuß diese Frage besprochen wird — und ich hoffe, sie wird recht bald besprochen werden —, dazu durchringen, nun einmal etwas Ganzes zu tun und eine gleichmäßige soziale Sicherung für jeden Arbeiter und Angestellten zu schaffen.